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Die „camera“, ein Filmkunsttheater  (Text: Karl Presser)

 

 


 

1957 übertrug der Völklinger Kinobesitzer Sebastian Theis dem Architekten Adolf Bertram die Bauleitung für sein neues Residenz-Theater. Im Anschluss daran erhielt Bertram von Hermann Ebel, dem Generalvertreter der Mineralölfirma Valvoline, den Auftrag, in Saarbrücken ein Wohnhaus mit Kino zu errichten. Voraussetzung dafür war, dass er ihm auch einen Betreiber für das Kino präsentieren könne.

 

Bertram fragte Günther Theis, Sebastians Sohn, den er vom Residenz-Projekt aus Völklingen kannte, ob er bereit sei, ein eigenes Kino zu betreiben. Theis beriet sich mit seiner Frau Inge und sagte zu. Sie wählten für das neue Kino den Namen „Camera“ aus.

 

Die erste Vorstellung in der Ludwigstraße 59 in Malstatt (siehe Foto!) fand am 22. Januar 1959 statt.

 

Betreiber war die „Malstatter Lichtspiele Günther Theis KG“; deren Geschäftsführer war Günther Theis; Ehefrau Inge war zuständig für Programmgestaltung und Terminierung. Der Hausbesitzer Ebel stieg als Kommanditist mit ein. Das nach modernsten Gesichtspunkten geplante Kino hatte 519 Plätze. Der Saal wies ein Gefälle von 10% auf; damit war die Sicht von allen Plätzen aus gut. Die Breite der CinemaScope-Bildwand betrug 10 m.

 

Als Projektoren kamen Bauer B14 zum Einsatz, die mit 2000 W Xenonlampen ausgerüstet waren. Das war zumindest im Saarland ebenso ein Novum wie die vom Saal aus zu bedienende Bildschärfen-Fernsteuerung. Der Lichtton kam, einschließlich Verstärkern und Lautsprechern, von Siemens-Klangfilm. Das ganze Projekt musste, obwohl der politische Anschluss des Saarlandes an die Deutsche Bundesrepublik bereits erfolgt war, noch unter französischer Zoll- und Währungshoheit und innerhalb der freigegebenen Import-Kontingente abgewickelt werden.

 (Foto: Sammlung Theis)

 

Die moderne und komfortable deutsche Bestuhlung für das Kino wurde daher auf Umwegen über Belgien und Frankreich nach Saarbrücken gebracht.

 

Ihr Bestreben hinsichtlich der Filmauswahl für ihr Kino formulierten Inge und Günther Theis sehr prägnant wie folgt:

 

„Wir wollen den guten und anspruchsvollen Film pflegen.“         

 


 

 

Wie ging es in der 60er- und 70er-Jahren mit der Camera weiter?

 

Vom 1. Januar bis 19. Oktober 1961 wurden 44 Filme gezeigt. 27 von ihnen trugen die Prädikate „wertvoll“ oder „besonders wertvoll“. Die Camera wurde daher, ob ihrer Programmgestaltung, Anfang 1962 in die Gilde deutscher Filmkunsttheater aufgenommen. In speziellen Film-Wochen zeigte man auch Filme nur eines einzigen Regisseurs, wie etwa von Ingmar Bergman. Im April 1964 lief dessen damals heftig umstrittenes Werk „Das Schweigen“. Dieser Film sollte zum erfolgreichsten in der Geschichte des Atlas-Filmverleihs werden.

        (Kinokarte: Bernhard Metzen)   

 

Am 25.9.1964 wurde zur Einweihung der neuen Vierkanal-Magnettonanlage die Verfilmung der Oper “Porgy and Bess“ von George Gershwin nochmals gezeigt. Dieser mit zwei Oskars prämierte Film war hier bereits 1961 vorgeführt worden, damals jedoch noch mit dem erheblich schlechteren Mono-Lichtton. 1965 und 1966 wurde der Camera der Gildepreis für die beste Programmierung in der Kategorie der Erstaufführungstheater verliehen.

 

1966 erhielt die camera auch einen neuen Schriftzug. Der Entwurf stammte vom Grafikstudenten Walter Emmrich aus Saarlouis.

 

Am 10. Dezember 1967 schloss die camera in Malstatt. Nach nur 15 Tagen Umbauzeit, am 25. Dezember, erfolgte die Neueröffnung in Räumen des ersten Obergeschosses der Berliner Promenade 7. Besitzer des Gebäudes war der Saarbrücker VW-Großhändler Gustav Großklos.

 

Die Vorführtechnik und Teile der Bestuhlung waren mit umgezogen. Das Kino hatte jetzt 196 Plätze in zwei Kategorien. Die Sitze waren versetzt („auf Luke“) eingebaut, das Gefälle im Kinosaal betrug 8%. Die Bildwand war 4,90 m breit. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht war der Umzug zunächst ein Befreiungsschlag. Im Jahr 1968 konnte der Umsatz um 47 % gesteigert werden, der Besucherzuwachs betrug 30 %.

 

 

Die camera befand sich im ersten Obergeschoss des Hauses Berliner Promenade 7, das direkt rechts neben dem ehemaligen (ursprünglich von Garelly erbauten) „Drescher-Haus“ stand (siehe Bild rechts).

Foto aus wiki commons; Autor: AnRo 0002   

 

 

Die Programmgestaltung wurde weiterhin prämiert. Auch 1969, 1970 und 1972 betrieb die Familie mit der Saarbrücker Camera das beste Erstaufführungstheater des Gilde-Verbundes.

 

1972 kam es zu ersten Kontakten mit der französischen Film-Produktions- und Verleihfirma NEF (Nouvelles Éditions de Films), die dem erfolgreichen Regisseur Louis Malle gehörte. Deren deutsche Tochterfirma NEF Diffusion GmbH übernahm am 1.10.1972 das Kino komplett mit Technik und verbliebenem Personal. Aber auch die neuen Besitzer konnten einen weiteren Besucherrückgang nicht aufhalten, hatten sich doch die Kinogewohnheiten der Bevölkerung weiter drastisch verändert.

 

Um den Kinobetrieb weiter aufrecht zu erhalten, wurde für camera und Kammer-Li eine gemeinsame Betriebsgesellschaft von NEF und Saar-Film-Union gegründet. Beide Kinos galten als sogenannte Programm-Kinos. Recht schnell wurde dann der Spielbetrieb im Kammer-Li eingestellt. Die camera wurde mit Ablauf des Jahres 1976 geschlossen.

 

Anschließend wurde sogleich in deren Räumen und unter Beibehaltung des bisherigen bekannten Namens ein kommunales, subventioniertes „Saarbrücker Stadtkino“ unter der Regie von Albrecht Stuby betrieben (der später das Filmhaus führte). Die endgültig letzte Vorstellung der camera fand dort mit dem Auslaufen des Mietvertrages Ende 1999 statt.

 

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Verwendete Publikation:

 

Theis, Günther: Camera Studio für Filmkunst, die Chronik eines Filmkunsttheaters, zweite Auflage, Völklingen 2011, Eigenverlag

 


 

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Diese Seite wurde begonnen am 8.8.2014 und zuletzt bearbeitet am 20.5.2019

 

 

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