Die Tour de France (französisch Le Tour de France) ist das größte, bekannteste und bedeutendste Fahrradrennen der Welt. Es wird seit 1903 jedes Jahr im Monat Juli in Frankreich etwa drei Wochen lang über mehrere Etappen ausgetragen.(eine Ausnahme bildeten nur die Zeiten der beiden Weltkriege).
Wurden anfangs nur sechs Etappen
gefahren, so erhöhte
sich ihre Anzahl im Laufe der Jahre mehrmals. Seit 1931 besteht die
Tour immer aus bis zu 24 Tages-Etappen. Die Gesamtlänge des Rennens lag
anfangs bei gut 2 400 Kilometern, aber sie wurde nach und nach auf über
5 000 km ausgedehnt. Die pro Etappe zurückgelegten Entfernungen
verringerten sich dagegen von anfänglich über 400 auf etwa 220 km. Seit
den 1950er-Jahren wurden die Modalitäten der Tour de France im Großen
und Ganzen nicht mehr verändert.
Schon
früh verließ die Tour während einer oder mehrerer Etappen das Gebiet
von Frankreich und führte auch durch Teile von Nachbarländern. Von 1906
bis 1910 fuhren die Tour-Teilnehmer
auch durch Lothringen und das Elsass. Diese beiden Gebiete waren nach
dem Krieg 1870/71 an das Deutsche Reich angeschlossen worden. Die Stadt
Metz wurde ab 1906
angefahren und fungierte ab 1907 sogar vier Jahre lang als Etappenziel
der Tour. Weil 1910 einheimische Zuschauer in Metz für ihre
Zugehörigkeit zu Frankreich durch Absingen der Marseillaise am
Straßenrand demonstrierten, verboten die deutschen Behörden aus
politischen Gründen jede weitere Berührung ihres Landes und seiner
angeschlossenen Gebiete durch die Tour de France. Dabei blieb es bis
1964, als kurz nach dem Abschluss des Elysée-Vertrags die Tour erstmals
wieder deutsches Gebiet befuhr.
Schon davor aber war die Tour zweimal, nämlich 1948 und 1953, durch unser Saarland gekommen,
das ja 1947 offiziell von Deutschland abgetrennt worden war und danach
zehn Jahre lang als teilautonomes Land in Wirtschaftsunion mit
Frankreich stand.
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1) Am 22. Juli 1948
führte die 18. Etappe der 35. Tour de France über 195 Kilometer von Straßburg über Saverne, Phalsbourg, Sarralbe und Saargemünd nach Saarbrücken, Völklingen, Saarlouis und Felsberg und
von dort aus weiter nach Metz. Da es die viertletzte Etappe dieser Tour
war, hatte sich das Feld schon ziemlich dezimiert: Von den anfangs 120
Rennfahrern waren nur noch etwas weniger als 50 dabei. Die Saarbrücker
Zeitung teilte mit, dass die Tour in jenem Jahr unter ihrem
"Protektorat" durch unser Land führte. Sie habe "keine
Mühen gescheut, die Saarländer Zeugen dieses radsportlichen Ereignisses
werden zu lassen". (SZ vom 23.7.1948)
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Gino Bartali (Italien)
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Streckenführung im Saarland 1948 (Skizze aus der Saarbrücker Zeitung)
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Diese
Tour de France von 1948 umfasste 21 Etappen über insgesamt 4 922
Kilometer. Teilnehmer aus Deutschland waren - so kurz nach dem
Kriegsende - nicht dabei. Als die Tour durch Teile des Saarlandes fuhr,
war der Italiener Gino Bartali ("der Alte", siehe Bild oben rechts) schon
Träger des Gelben Trikots. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den
großen Bergpreis der Tour gewonnen und sollte am Ende auch Toursieger
werden: Er gewann mit 26 Minuten Vorsprung vor dem Belgier Briek Schotte. Diese 18. Etappe von 1948, die durch das Saarland führte, konnte er aber nicht für sich entscheiden: Etappensieger wurde Giovanni Corrieri (Italien) vor dem Belgier Stan Ockers und Bernard Gauthier (Frankreich).
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Ein
Zeitzeuge berichtet, dass die Fahrer an seiner Wohnung in der
Max-Braun-Straße (heute Großherzog-Friedrich-Straße) vorbeika- men. Er
war zwar noch ziemlich jung, aber die Sache sei ihm deshalb so gut in
Erinnerung geblieben, weil beim Übergang vom Kopfstein- zum
Holzpflaster (den es dort noch bis in die 70er-Jahre hinein gab) ein
böser Massensturz geschehen sei.
Die
SZ schrieb darüber am nächsten Tag: "Bei der Einfahrt zur
Max-Braun-Straße kamen die 'Sensationslüsternen' auf ihre Kosten. Der
nasse Asphalt hatte schon seine Tücken und ehe sich die Meute versah,
kam es zu einem Sturz, in den mehrere Fahrer verwickelt waren, der aber
zum Glück ohne schlimmere Folgen war." (Ausgabe vom 23.7.1948)
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Die Fahrer kommen aus der Max-Braun-Straße und fahren
durch
die Stephan-Straße an Rathaus, Rathausvorplatz
und
Johanniskirche (links im Foto) vorbei. (Beide Bilder aus der SZ)
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Dieses Bild zeigt die Durchfahrt der Tour de France am 22. Juli 1948 durch Rockershausen.
Die Fahrer kommen von Burbach und fahren weiter über Luisenthal nach Völklingen.
Gemäß dem damaligen Zeitplan muss es etwa halb drei Uhr gewesen sein.
Foto
aus dem Buch: Gertrud Meyer. Altenkessel, Glück Auf! Saarbrücken, o.J.
(vielen Dank an Werner Meyer für die Bildergenehmigung)
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Zu dem Zeitungs-Foto links:
Am
Ende ihrer Saarland-Durchfahrt erklimmen die Tour-de-France-Teilnehmer
kurz vor dem Erreichen der französischen Grenze den Felsberg bei Berus.
Rechts
im Bild ist der Italiener Gino Bartali an der Spitze des Pelotons*) zu
sehen. Er wird später der Sieger dieser 35. Tour de France sein.
*) Fahrer-Hauptfeld
Auf
dem Banner über der Straße zeigt die Saarbrücker Zeitung an, dass sie
das Protektorat der Tour für das Saarland übernommen hat.
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2) Am 3. Juli 1953
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führte wie 1948 die erste Etappe der 40. Tour de France von Straßburg über Saarbrücken nach Metz; die Gesamtstrecke betrug 195 km.
Der Etappenverlauf:
Straßburg - Saverne - Phalsbourg - Sarralbe - Saargemünd - Saarbrücken - Völklingen - Saarlouis - Felsberg - Metz.
Die Durchfahrt durch das Saarland gestaltete sich wie folgt:
Die Teilnehmer überquerten von
Saargemünd kommend die Grenze, fuhren weiter Richtung Güdingen, dann
nach Saarbrücken, über die Brebacher Landstraße, Mainzer, Arndt- und
Max-Braun-Straße zum Landwehrplatz. Dort war eine fliegende
Verpflegungsstelle eingerichtet
(siehe Bild rechts). Über die Kaiserstaße ging es am
Hauptbahnhof vorbei und weiter über Luisenthal, Völklingen, Bous,
Ensdorf, Fraulautern und Roden nach Saarlouis, dort durch die Metzer
Straße bis Felsberg und dann über die Grenze in Richtung Boulay und
Metz.
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Da in jenem Jahr die 1. Etappe der Tour durch unser Land führte, wurde noch der vollständige Pulk von über 100 Fahrern hier erwartet. Der Saarländische Radfahrer Bund (SRB) war gemeinsam mit der Saarbrücker Zeitung für die Organisation dieser Passage
verantwortlich.
An
der Grenze bei Güdingen (an der Simbacher Mühle) und auf dem Felsberg
wurden zwei von Coca-Cola gestiftete Spurtprämien über zehn bzw.
zwanzig Tausend Franken ausgefahren (siehe SZ vom 3.7.1953).
Sieger der ersten Etappe dieser 40. Tour wurde Fritz Schaer aus der Mannschaft "Suisse" (Schweiz). Der Gesamt-Sieger der 40. Tour de France war Louison Bobet aus der Mannschaft
"France".
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Oben: Ausschnitt aus der Saarbrücker Zeitung vom 4.7.1953
Über den Verlauf dieser Etappe können Sie sich im Internet einen Film
anschauen (mit niederländischem Kommentar), in dem Sie auch die
Durchfahrt durch das Saarland und besonders durch Saarbrücken verfolgen
können: http://www.ina.fr/sport/cyclisme/video/CAF97084689/tour-de-france-1ere-etape-strasbourg-metz.fr.html
(zuletzt gesichtet am 2.5.2020).
Die Saarlandstrecke
ist etwa zwischen der 10. und 13. Minute des Films zu sehen. Kurz davor
kann man beobachten, wie noch in Frankreich zwischen Wingen und
Diemeringen mehrere Fahrer über eine geschlossene Bahnschranke
klettern, kurz bevor die "Micheline" (Schienenbus) den Bahnübergang
überquert, dann erkennt man den Hexenturm von Sarralbe, die Straße
zwischen Saargemünd und Saarbrücken, eine Rechtskurve hinter dem
Grenzübergang und die Weiterfahrt nach Güdingen. Etwas später sieht man
eine Bergkapelle am Landwehrplatz spielen, und im Hintergrund
die damalige Oberrealschule (heute Otto-Hahn-Gymnasium). Schließlich
können wir noch einen saarländischen Polizisten mit seiner Kelle, eine
Neufang-Bier-Kneipe an der Rennstrecke und die Rennfahrer auf ihrer
Weiterfahrt in Richtung Völklingen beobachten.
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In einem anderen Film ("Tour de France 1953", siehe Bild oben!) sieht man z.B. kurz die Durchfahrt der Tour durch das saarländische Luisenthal; der Film ist auf Youtube veröffentlicht:
https://www.youtube.com/watch?v=ZV0wzG3KEgY
(zuletzt
gesichtet am 21.7.2018; vielen Dank an Klaus Roth, Völklingen, für den
Hinweis; Rechteinhaber des Films: Eye Film Institute, IJpromenade 1,
1031 KT Amsterdam)
Hier links sehen Sie ein Bild aus Luisenthal in diesem Film. Die
Wohnhäuser stehen wohl noch heute so wie auf dem Bild (aber ohne die
Rémy Martin-Cognac-Werbung!). Die ehemaligen hohen
Kraftwerksschornsteine wurden jedoch schon Mitte der 60er-Jahre
abgerissen (das Kraftwerk selbst 1971), und auch die Gleise der
früheren Völklinger Straßenbahn liegen dort natürlich schon lange nicht mehr.
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Saarländische Radrennfahrer, die während der Saarstaatzeit aktiv an der Tour de France teilnahmen
a) Der in Völklingen geborene Lothar Friedrich (1930 bis 2015) ...
... nahm von 1957 bis 1960 an der Tour de France teil. Er fuhr 1957 bei der 44. Tour in der Mannschaft "Luxembourg-Mixte" mit und wurde Zweiter in der 12. Etappe. Danach wechselte er in die Mannschaft "Suisse - R.F.A." (Schweiz - Bundesrepublik)
und wurde bei der 45. Tour 1958 Dritter in der 2. Etappe, 1959 (46.
Tour) jeweils Zwölfter in der 12. und 15. Etappe, und 1960 erreichte er
Platz 51 in der Gesamtwertung.
Er fuhr auch Querfeldein-Rennen und gewann z.B. das Cyclo-Cross-Rennen in
Homburg 1955 und 1957 den GP Fichtel&Sachs von Nürnberg. 1955
erreichte er den achten Platz bei der Weltmeisterschaft der
Straßenamateure in Rom (Lazio).
b) Günther Debusmann beteiligte sich 1958 an der 45. Tour de France (in der Mannschaft "Suisse - R.F.A.").
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Spätere "Abstecher" der Tour de France ins Saarland
1970: Die 8. Etappe der 57. Tour führte über 232 km von Ciney in Belgien nach Felsberg (Etappenziel). Gewinner der Etappe: Alain Vasseur (Frankreich). Am Abend war Saarlouis ganz in der Hand der Tour de France. Auf dem Großen Markt
waren Verpflegungszentrale und Fahrerlager eingerichtet, und auf einer
Bühne vor dem Rathaus fand eine Show anlässlich der Tour statt. Am
nächsten Tag wurde vom großen Markt aus die 9. Etappe gestartet; sie
führte über 270 km nach Mulhouse. Etappensieger: Mogens Frey Dänemark).
Die
57. Tour wurde von Eddy Merckx aus Belgien gewonnen. (Danke an Gerd Fontaine für einige Detail-Infos über Saarlouis)
1980: Die 2. Etappe der 67. Tour führte über 276 km, von Frankfurt kommend, durch Homburg, Saarbrücken und Felsberg nach Metz. Etappensieger wurde der Belgier Rudy Pevenage. Die 67. Tour gewann der Holländer Joop Zoetemelk.
1992: Die 10. Etappe der 79. Tour führte über 217 km von Luxemburg über Perl nach Straßburg. Sie wurde gewonnen von dem Holländer Jean-Paul van Poppel. Toursieger war Miguel Indurain aus Spanien.
2002: Die 2. Etappe der 89. Tour begann in Luxemburg-Stadt und führte über Perl zu ihrem Etappenziel Saarbrücken. Die Strecke war insgesamt 181 km lang, davon lagen 128 im Saarland.
Etappensieger: Oskar Freire (Spanien), Toursieger Lance Armstrong (USA).
Nur zweimal lag ein Etappenziel der Tour de France im Saarland: 1970 Felsberg und 2002 Saarbrücken. Gestartet wurde eine Etappe nur einmal im Saarland, nämlich die 9. Etappe von 1970 in Saarlouis. 2002 wurden die Fahrer von Saarbrücken aus am 8. Juli zum Start der 3. Etappe nach Metz transferiert.
Der
Grund, weshalb die Tour mehrmals den Ort Felsberg im Saarland
ansteuerte, ist wohl darin zu sehen, dass in Felsberg-Berus die Sende-
und Antennenanlagen des großen französischen Langwellensenders Europe No. 1 stehen, der seit 1955 in ganz Frankreich zu empfangen ist.
Deutsche Teilnehmer an der Tour de France im Laufe der Jahrzehnte:
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