Als letzter Straßenbahnbetrieb im Saarland nahmen die „Straßenbahnen der Gemeinde Völklingen“ am 3. September 1909 den Verkehr auf (das Bild zeigt die Eröffnungsfeier). Grund für dieses ziemlich späte Datum war die um die Jahrhundertwende recht klamme Finanzlage
der Gemeinde. Sie hatte viel Geld in ein neues Rathaus und, kaum war der Bau beendet, in dessen Erweiterung investiert.
(Foto: Heimatkundlicher Verein Warndt e.V., Stadtwerke Archiv)
Ein neues Wasserwerk und ein Gymnasium wurden ebenfalls errichtet. Dem Ansinnen der Saarbrücker "Straßenbahnen im Saartal", ihre Linie über Luisenthal hinaus nach Völklingen zu
verlängern, widerstand der Völklinger Gemeinderat erfolgreich. Er fürchtete einen Abfluss
von Kaufkraft von Handel und Gewerbe nach Saarbrücken. Mit Eröffnung der
staatlichen Bahnlinie von Großrosseln nach Saarbrücken im Jahr 1907 war zumindest ein Teil der Befürchtung schon Realität geworden.
|
|
|
Im gleichen Jahr beschloss daher der Völklinger Gemeinderat die sofortige Umsetzung des Plans für ein eigenes Straßenbahnprojekt. An der Hohenzollernstraße errichtete man ein Depot. Die Strecke führte vom Amtsgericht durch die Stadtmitte am Bahnhof vorbei über die Saarbrücke nach Wehrden, Geislautern und weiter zum
Rotweg und zur Ludweiler Kirche. Später kam vom Rotweg aus ein Abzweig nach Großrosseln bis zur dortigen Rosselbrücke hinzu.
Die Streckenführung war eingleisig, am Rotweg gab es eine Ausweichstelle. Abgesehen von der Verbindung zwischen Rotweg und dem Ortsanfang von Großrosseln
existierte kein eigener Bahnkörper.
|
Auf dem Foto oben (es ist wohl aus den 30-er-Jahren) sieht man hinten links das Grenzhäuschen; dahinter führt die Rosselbrücke nach Petite-Rosselle. Das Anwesen in der Bildmitte mit dem Eisen- und Haushaltswarenhandel von Nikolaus Nenno, Bahnhofstraße 22, ist auch auf dem Farbfoto weiter unten zu sehen.
Ende der Zwanziger-Jahre erweiterte man die
Straßenbahnlinie im Osten bis nach Luisenthal. Gleichzeitig wurde in der Innenstadt der Gleiskörper auf zweigleisigen Betrieb ausgebaut.
Vor Baubeginn hatte man einen Gemeinschaftsverkehr mit den Straßenbahnen im Saartal zwischen Saarbrücken und
Völklingen vereinbart. Dieser blieb – das Wort Verkehrsverbund war noch nicht
erfunden – bis zum Ende des Straßenbahnbetriebs in Völklingen erhalten. Ohne
umzusteigen konnte man von Saarbrücken-Schafbrücke bis nach Großrosseln fahren.
Eine solche Tour dauerte allerdings mehr als eineinhalb Stunden. Schon die
Fahrt von Großrosseln nach Völklingen war mit rund 40 Minuten etwa gleich lang
wie eine Fahrt mit dem Zug von dort nach Saarbrücken.
Im Spätherbst 1944 musste der Straßenbahnbetrieb aufgrund der zunehmenden Jagdbomberangriffe und des Artilleriebeschusses eingestellt werden. Die Wehrdener Brücke war durch Bomben zerstört, und das Straßenbahndepot war ebenfalls getroffen worden.
Bereits Ende 1945 konnte die Völklinger Straßenbahn den Betrieb in Teilen wieder aufnehmen. Der Gemeinschaftsverkehr nach Saarbrücken begann wieder am 13. Mai 1946. Die zerstörte Wehrdener
Brücke konnte erst ab Ende 1947 wieder befahren werden. Die gemeinsam betriebene Linie 1 fuhr von Saarbrücken-Schafbrücke bis nach Großrosseln, die Linie 2 der Völklinger Verkehrsbetriebe von Luisenthal nach Ludweiler.
Die beiden Linien wurden bis zum 26. September 1954 wie in der
Vorkriegszeit bedient. Von diesem Datum an setzten die Völklinger auch Trolleybusse ein. Sie fuhren von der
Stadtmitte aus nach Ludweiler. Parallel dazu fuhr auf dieser Strecke weiterhin
zunächst auch die Straßenbahn; sie bog am Rotweg nach Großrosseln ab. Vom 19. April 1959 an befuhr der Trolleybus ebenfalls diese Strecke.
|
|
Nach Luisenthal fuhren schon seit 1. Februar 1958 Omnibusse; der Gemeinschaftsverkehr nach Saarbrücken entfiel ersatzlos. Der gesamte Völklinger Straßenbahnverkehr wurde im April 1959 eingestellt.
|
De Dietrich Triebwagen Nr. 9, 1951 in Luisenthal fotografiert
(Foto: Heimatkundlicher Verein Warndt e.V., Stadtwerke Archiv)
|
Fahrzeuge
Die Erstausstattung der Völklinger Straßenbahn, bestehend aus acht Triebwagen und acht Beiwagen, lieferte MAN. Die elektrische Ausrüstung der Fahrzeuge stammte von Lahmeyer. Diese Firma lieferte zusammen mit Felten & Guillaume auch die Stromversorgung und das Fahrleitungssystem. Der
Gemeinschaftsverkehr mit Saarbrücken erforderte ab 1928
zusätzliche Fahrzeuge. De Dietrich aus Reichshoffen im Elsaß lieferte hierfür sechs Triebwagen und vier Beiwagen nach Völklingen.
Die beiden Fahrzeuggenerationen der Völklinger Straßen- bahn waren sehr einfach zu unterscheiden: Die älteren Fahrzeuge hatten Oberlichtaufbauten und drei
Seitenfenster, die neueren hatten an den Stirnseiten heruntergezogene Dächer und vier
Seitenfenster. Fuhr man bis 1929 mit Lyra-Stromabnehmern (siehe ganz oben im ersten Bild), so waren danach nur noch Scherenstromabnehmer im Einsatz.
|
Den antiquierten Stangenstromabnehmer mit Rolle gab es in Völklingen nicht. Die Fahrzeugführer verrichteten ihre Arbeit im Triebwagen fast immer im Stehen. Etliche Fahrzeuge hatten auch einen einfachen einbeinigen Steckhocker für den Fahrer.
1940 wurde das rollende Material der Völklinger Straßenbahn nach Darmstadt evakuiert
und dort eingesetzt. Die Fahrzeuge kehrten allerdings schon im Juni wieder
zurück. Sie überstanden bis auf einige beschädigte und zwei zerstörte Triebwagen das Ende des Krieges in ihrer Heimatstadt. Völklingen war zwar heftig mit Artillerie
beschossen worden, ein Flächenbombardement blieb der Stadt und damit ihrer
Straßenbahn jedoch erspart. Die Wiederaufnahme des Straßenbahn-Betriebes
erfolgte schon Ende 1945.
(Auf unseren Bildern vom Loktransport durch die Innenstadt am
21. Mai 1946 sind die zweigleisige Strecke und die Fahrdrahtanlage gut zu erkennen.)
Es war beeindruckend, die im Gemeinschaftsverkehr auf
den Linien 1 und 2 eingesetzten Fahrzeuge beider Verkehrsbetriebe mit Reklame
der Völklinger Geschäfte in Saarbrücken und umgekehrt der Saarbrücker Geschäfte
in Völklingen zu sehen. Meist fuhren die vergleichsweise neuen De
Dietrich-Triebwagen mit Beiwagen. Diese Garnituren hatten die
Straßenbahn-Gesellschaften speziell für den Gemeinschaftsverkehr ehemals neu
beschafft. Er fand halbstündlich zwischen den Städten statt (siehe Bild oben: eine Völklinger Bahn in der Saarbrücker Trierer Straße.)
Foto: Gerd Wolff, Sammlung Dieter Höltge
|
Der Fahrbetrieb erforderte den unermüdlichen Einsatz des
Werkstattpersonals. Tagsüber wurde gefahren und während der Nacht repariert.
Trotz fehlender Ersatzteile brachten die Mitarbeiter der Völklinger Verkehrsbetriebe so ihre Straßenbahn durch die vierziger und fünfziger
Jahre. Vorteilhaft war die doch recht geringe Anzahl der Fahrzeuge.
Die verbliebenen zehn Triebwagen und sechs Beiwagen stammten von nur zwei Lieferanten.
Ab 1957 fuhren nur noch acht Triebwagen und vier Beiwagen.
Foto: Triebwagen 14 der "Straßenbahnen der Stadt Völklingen" an der Endhaltestelle kurz vor der Rosselbrücke am Grenzübergang von Großrosseln nach Petite-Rosselle
|
|
|
Das Ende der Völklinger Fahrzeuge war wenig rühmlich. Nach
Einstellung des Straßenbahnbetriebs 1959 stellte man sie auf einem ehemaligen
Lageplatz der Stadt, einem Abbruchgelände im Mühlgewann unterhalb des Marktplatzes, gegenüber dem Depot ab.
Im Rahmen einer „Feuerwehrübung“ wurden sie am 5. August 1960 mitsamt des Girlandenschmucks der letzten Fahrt abgefackelt.
Das Foto zeigt die verbliebenen Fahrzeuge, wie sie im Mühlgewann zur Verbrennung abgestellt
waren.
(Foto: Heimatkundlicher Verein Warndt e.V., Stadtwerke Archiv)
------------------------------------------------
Literatur:
Sonderdruck der Stadtwerke: 75 Jahre
Nahverkehr in Völklingen 1909-1984. Völklingen 1984
Buchleitner, Hanspeter: Völklingen, vom
Königshof zur Hüttenstadt. Selbstverlag der Stadtverwaltung 1950. Seiten 143 bis
150
|