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Saar-Geschichte vor der Saarstaatzeit

 

 

Die politische Entwicklung von der Frühzeit bis kurz vor der Gründung des Saarstaats

 

Eine vollständige Darstellung der Ereignisse in den Jahren 1945-1959: siehe unsere Seite Geschichtliche Entwicklung (Zeittafel).

 


 

Eine wichtige Erläuterung vorweg:

 

1920 wurde unser Land zum ersten Mal in seiner Geschichte als eine eigene abgegrenzte Einheit definiert. Es erhielt damals den offiziellen Namen "Saargebiet". Bis zu diesem Zeitpunkt war es immer nur Teil eines anderen, größeren Staatsgebildes gewesen. Dies war auch von 1935 an wieder der Fall, als es bis 1945 zum sogenannten "Dritten Reich" unter Adolf Hitler gehörte.

 

Es gehörte aber nicht, wie häufig zu lesen ist, über längere Zeitabschnitte hinweg zu Frankreich, sondern nur zweimal kurzfristig, und zwar ab 1682 für 16 Jahre und ab 1798 für 15 Jahre (siehe weiter unten!). Eine Ausnahme bildete lediglich die Stadt Saarlouis, die einmal für ganze 133 Jahre, nämlich von 1682 bis 1815, durchgehend unter französischer Herrschaft stand.

 

Im 20. Jahrhundert befand sich unser Land zweimal, nämlich a) von 1920 bis 1935 und b) von 1945 bis 1956 unter einer mehr oder weniger umfassenden Kontrolle durch die "Grande Nation", es war aber auch während dieser Zeiten nie ein Teil von Frankreich.

 

 

Kurzer Abriss der Geschichte der Saargegend  

 

(Teile dieser Aufstellung finden Sie auch auf unserer Seite Namen, Wappen, Flaggen, Hymnen im Abschnitt 1: Namen des Landes.)

 

 

In frühester Zeit

 

wurde die Gegend, in der sich das heutige Saarland befindet, von Kelten, Römern und Franken besiedelt. Im Jahre 925 wurde sie zu einem Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

 

 

Anno 999

 

erwähnte der deutsche Kaiser Otto III. die Königsburg Castellum Sarabrucca in einer Schenkungsurkunde, mittels derer er diese zusammen mit dem Königshof Völklingen und den Wäldern Quierschied und Warndt dem Bistum Metz vermachte. Daher gilt das Jahr 999 als das offizielle Geburtsjahr der Stadt Saarbrücken (die deswegen 1999 ihr tausendjähriges Bestehen feierte).

 

 

Im Spätmittelalter (ca. 1250 bis 1500)

 

entstanden zahlreiche Landesherrschaften auf deutschem Gebiet. Eine von ihnen, nämlich die Grafschaft Nassau-Saarbrücken, lag vollständig im Bereich des heutigen Saarlandes; drei andere reichten jeweils zum Teil in diesen Bereich hinein: die Herzogtümer Lothringen und Pfalz-Zweibrücken sowie das Kurfürstentum Trier. Die Wappen dieser vier Territorien sind noch heute im aktuellen Wappen des Saarlandes enthalten (siehe Seite Name, Wappen, Flagge, Hymnen unter C, d).

 

 

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648)

 

wurde das Land an der Saar stark verwüstet. Danach verstärkte sich der Einfluss Frankreichs auf die Saargegend. Ihre politische Zugehörigkeit war hart umkämpft: Sie wurde von nun an zu einem Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich.

 

 

Von 1682 bis 1697 (ca. 16 Jahre lang):   

 

1682 wurde unter Louis XIV das Gebiet des heutigen Saarlandes an Frankreich angegliedert. Damit wurde es Teil der französischen Province de la Sarre (Saarprovinz). Bereits 1680 hatte man damit begonnen, die Stadt Saarlouis zu bauen. Sie wurde nun zur Hauptstadt der Saarprovinz, zu der außer der Grafschaft Saarbrücken und dem Saargau auch das Herzogtum Zweibrücken und die beiden Vogteien Phalsbourg und Saarburg gehörten.

 

 

Von 1697 bis 1798:

 

Nach dem Frieden von Rijswijk musste Frankreich 1697 die genannten Reunionen an der Saar und in der Pfalz wieder an das Heilige Römische Reich zurückgeben. Nur Saarlouis blieb als Exklave Frankreichs bis 1815 unter französischer Herrschaft.

 

 

Von 1798 bis 1815 (ca. 17 Jahre lang)    

 

war unter Napoleon das gesamte Land an der Saar als Folge der Revolution wiederum französisches Staatsgebiet. Der größere Teil gehörte zum Département de la Sarre (Saardepartement), dessen Präfektur in Trier war. Es umfasste neben den Arrondissements Trier, Birkenfeld, und Prüm auch dasjenige von Saarbrücken mit den Kantonen Sankt Arnual, Saarbrücken, Blieskastel, Lebach, Merzig, Ottweiler und Waldmohr. Ein kleineres Gebiet im Südwesten gehörte zum Département de la Moselle (mit Rehlingen und Saarlouis) und ein weiterer kleiner Teil im Südosten (Homburg und Umgebung) zum Département du Mont Tonnerre (Donnersberg).

 

Schon im 18. Jahrhundert wurde die Industrialisierung unserer Region eingeleitet: Man begann, Kohlengruben, Eisenhütten und Glashütten zu errichten. 

 

 

Von 1815 bis 1870:

 

Das Gebiet des heutigen Saarlandes gehörte ab 1815 größtenteils zu Preußen und zu einem kleineren Teil zum Königreich Bayern.

 

Als Folge der Befreiungskriege wurde nach dem Wiener Kongress 1815 der größte Teil des Saar-Departements dem Regierungsbezirk Trier zugeschlagen, der ein Teil der Rheinprovinz war und somit zum Königreich Preußen gehörte. Ein kleineres Gebiet (das etwa dem heutigen Saarpfalz-Kreis entspräche) kam zur Rheinpfalz, die wiederum ein Teil von Bayern war.

 

Die meisten der damals auf dem Gebiet des heutigen Saarlands lebenden Menschen waren also Preußen, eine kleinere Anzahl Bayern. Die preußisch/bayerische Grenze verlief schräg durch den Südosten unseres Landes und ging z.B. mitten durch den kleinen Ort Kohlhof (bei Neunkirchen), der dadurch in den "Preußischen Kohlhof" und den "Bayerischen Kohlhof" aufgetrennt wurde. (Dies wirkt sich bis heute aus: Der ehemals preußische Teil von Kohlhof gehört heute zur Stadt Neunkirchen, der bayerische seit 1985 zu Limbach.)

 

Außerdem gehörte im Norden des Landes das kleine Gebiet um Nohfelden und Birkenfeld von 1815 an zum Großherzogtum Oldenburg und ein weiterer kleiner Teil zu Sachsen-Coburg-Saalfeld.

 

In dieser Epoche entwickelten sich der Steinkohlebergbau und die Eisen- und Stahlindustrie an der Saar weiter.

 

 

Von 1870 bis 1914

 

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und der Schlacht bei Spichern entstand das Deutsche Reich. Auch das Gebiet des heutigen Saarlandes gehörte dazu. Nach dem Anschluss von Elsass-Lothringen an das Deutsche Reich konnten die Bewohner unserer Gegend die lothringischen Erzreviere uneingeschränkt nutzen, und das Land an der Saar wuchs zum drittgrößten Schwerindustriegebiet des Reiches heran.

 

 

1914-1918: Erster Weltkrieg

 

Während des gesamten Ersten Weltkrieges war die Saargegend Durchmarschregion und Etappe. Überall entstanden Lazarette. Gleich zu Beginn kam der zivile Eisenbahnverkehr zum Erliegen und blieb während des Krieges stark eingeschränkt. Eine der Folgen war, dass wegen des Koks- und Erzmangels die Hütten vorübergehend ihren Betrieb einstellen mussten. Auch die Steinkohlenförderung ging stark zurück.

 

Viele Männer waren zum Kriegsdienst eingezogen, sogar mehr als im übrigen Deutschland. Man versuchte, sie in den Berg- und Hüttenwerken durch ältere und jugendliche Arbeiter zu ersetzen. In vorher nie gekanntem Ausmaß mussten aber auch Frauen Schwerarbeit verrichten. Außerdem wurden Tausende von russischen Kriegsgefangenen in den Betrieben beschäftigt.

 

Vom Sommer 1915 an war das gesamte Industrierevier Ziel von Luftangriffen. Die Zahl der Opfer und die Schäden blieben allerdings gering. Die Versorgungslage verschlechterte sich ständig. Bereits im August 1914 setzte man erstmals Höchstpreise für Nahrungsmittel fest. Im Frühjahr 1915 wurde zuerst das Brot rationiert, danach folgten weitere Nahrungsmittel. Der Winter 1916/17 war für die Bevölkerung ein "Hungerwinter".

 

Nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 folgten französische Truppen den zurückströmenden deutschen Soldaten und besetzten die Saargegend. Sie beendeten sofort die Tätigkeit der Arbeiter- und Soldatenräte.

(Der obige Text zu 1914-18 enthält Auszüge aus der Website http://www.saarland.de/4779.htm)

 

 

1920 - 1935: "Saargebiet" unter Völkerbund-Regierung

 

Bei der Pariser Friedenskonferenz von 1919 erhob Frankreich in einem Memorandum zum ersten Mal seit dem Wiener Kongress wieder Anspruch auf das Gebiet an der Saar. Präsident Clemenceau forderte die Wiedereingliederung der 1815 vom französischen Staat abgetrennten Gebiete. Aber er konnte sich in den langwierigen Verhandlungen nicht durchsetzen. Stattdessen definierte der Versailler Vertrag von 1919 in seinen Artikeln 45 bis 50 (und Anlagen) die Saargegend als ein eigenes, abgeschlossenes Land. In dem Vertrag wurde es als Saarbeckengebiet, an manchen Stellen auch als Saargebiet bezeichnet, und es wurden zum ersten Mal in der Geschichte politische Grenzen für unser Land festgelegt. Sie entsprachen etwa denjenigen des heutigen Saarlandes (aber ohne Schwarzwälder Hochwald und nördlichen Saargau; diese Gebiete wurden erst um 1946/47 dem Saarland zugeschlagen; Einzelheiten dazu siehe hier).

 

Das Bild zeigt eine Gebührenmarke zu 50 cts der Regierungskommission des Saargebiets. Foto: Ernst Becker

 

Der Versailler Vertrag verfügte außerdem, dass unser Land für fünfzehn Jahre Bestandteil des Deutschen Reiches bleiben sollte. Es stand also weiterhin offiziell unter deutscher Staatsgewalt, die während dieser Zeit aber nicht ausgeübt wurde. Die Regierung des Landes wurde einer fünfköpfigen internationalen Kommission anvertraut, die vom Völkerbund ernannt wurde und diesem gegenüber verantwortlich war. Sie nahm am 26.2.1920 unter dem offiziellen Namen "Regierungskommission des Saargebiets" ihre Arbeit auf, stand aber unter starkem französischem Einfluss. Ihr Vorsitzender war bis 1926 der Franzose Victor Rault, danach vertrat Jean Morize die französischen Interessen in der Kommission. Über sie bestimmte Frankreich praktisch die Politik an der Saar. [1] 

 

Auch wirtschaftlich war das Saargebiet in dieser Zeit eng mit Frankreich verbunden. Es war dem französischen Zollsystem unterworfen; nur für die Ein- und Ausfuhr von Erzen und Kohlen von und nach Deutschland durften keine Zölle erhoben werden [2]. Aber es galt weiterhin deutsches Recht im Saargebiet: Alle Gesetze und Verordnungen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg blieben in Kraft [3]. Da demnach auch das deutsche Steuerrecht weiterhin gültig war, galten im Saargebiet für dieselben Waren oft andere Preise als in Frankreich. Das Saargebiet war also nicht, wie später das teilselbstständige Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg, voll in den französischenWirtschaftsraum integriert.

 

Als Währung galten zunächst Reichsmark und französischer Franken nebeneinander, ab Juni 1923 aber nur noch letzterer. Dadurch blieben der Bevölkerung des Saargebiets die katastrophalen Auswirkungen der Hyperinflation im Deutschen Reich erspart.

 

Die Steinkohlenbergwerke an der Saar wurden Frankreich übereignet. Dies sollte als Wiedergutmachung für seine im Weltkrieg erlittenen Schäden gelten, zu denen insbesondere die Zerstörung der Kohlenbergwerke in Nordfrankreich zählte. Die Franzosen erhielten das Recht, die Kohle im bisher unerschlossenen Südzipfel des Saargebiets (Warndt) von den unmittelbar an den Grenzen liegenden lothringischen Gruben aus abzubauen.

________________________

 

[1] Siehe auch: http://www.fell-dudweiler.de/die_geschichte_des_saarlandes.htm unter "Das Saargebiet unter der Herrschaft des Völker-

     bundes"

[2] Verfassung des Saarbeckens gemäß dem Versailler Vertrag vom 28. Juli 1919. § 31.

[3] A.a.O., § 23. - Die Texte sind nachzulesen unter: http://www.verfassungen.de/de/saar/index.html

 

 

13. Januar 1935:

 

Nach dem Ablauf der im Versailler Vertrag vorgesehenen Frist von 15 Jahren hatte die Saar-Bevölkerung in einer Volksabstimmung zu entscheiden, ob ihr Land in Zukunft zu Frankreich oder zu Deutschland gehören oder ob der derzeitige Zustand, also der "Status Quo", beibehalten werden sollte.

 

Die meisten Saargebietsbewohner äußerten in der Abstimmung den Wunsch, ihr Land wieder ans Deutsche Reich anzuschließen. Dazu trug unter anderem die Tatsache bei, dass die Franzosen auch Kolonialtruppen im Saargebiet eingesetzt hatten.

 

Zu den Befürwortern des Status Quo gehörten u.a. auch Johannes Hoffmann und der SPD-Vorsitzende Max Braun. Sie riefen dazu auf, vor einem Anschluss an Deutschland zunächst das Ende der Amtszeit Hitlers abzuwarten, der seit 1933 die Macht in Deutschland inne hatte; denn sie hatten schon lange vor der Saarabstimmung erkannnt, dass sich die Gräuel seiner späteren Diktatur abzuzeichnen begannen.

 

 

Abbildung oben:

Mit solchen Messing-Plaketten und unzähligen weiteren Propagandamitteln wurde anlässlich der Volksabstimmung am 13. Januar 1935 zum Wiederanschluss des damaligen Saargebiets an Deutschland aufgerufen.

 

 

Am 13. Januar 1935 fand die Volksabstimmung statt. Die Abstimmungsberechtigten schenkten den eindringlichen Warnungen der Befürworter des Status Quo kein Gehör. Sie folgten zu 90,73 % dem Ruf "Heim ins Reich"; lediglich 8,86 % stimmten für den Status Quo, und für eine Vereinigung mit Frankreich entschieden sich sogar nur 0,4 %.

 

Die Abbildung rechts zeigt einen Stimmzettel der Volksabstimmung von 1935.

 

 

Originale Abstimmungs-Urne der Volksabstimmungskommission des Völkerbundes; im rechten Bild die Aufschrift auf der Vorderseite dieser Urne.

 

 

(Abbildungen: Mario Blaumeiser, Illingen)

 

 

 

 

         

 

Oben: Nach der Volksabstimmung von 1935 verhöhnten die Befürworter des Wiederanschlusses der Saar ans Deutsche Reich in dieser Zeitungsanzeige (Bild oben) die Verfechter des Status Quo. Dabei führten sie einige von ihnen namentlich auf.

(Abbildung zur Verfügung gestellt von Bernd Regenberg)

   

Links: Die Hakenkreuzfahnen wurden jetzt auch an der Saar gehisst.

(hier wahrscheinlich in der Saarbrücker Bahnhofstraße)

 

 

1935: Die Saar wird ein Teil des "Dritten Reichs"

 

Am 1. März 1935 wurde das Saargebiet aufgrund des überwältigenden Abstimmungsergebnisses vom 13. Januar an das Deutsche Reich Hitlers angeschlossen. Es wurde aber nicht wieder in die Länder Preußen und Bayern eingegliedert (zu denen es vor dem Ersten Weltkrieg gehört hatte), sondern blieb zunächst als die selbstständige Verwaltungseinheit Gau Saar erhalten. Am 30. Januar 1935 wurde mit dem "Gesetz über die vorläufige Verwaltung des Saarlandes" erstmals die Bezeichnung Saarland offiziell eingeführt [1]. Viele Menschen blieben in ihrer Umgangssprache aber bei der gewohnten Bezeichnung "Saargebiet" für ihr Land.

 

Im Laufe des Jahres 1935 erfolgte die Vereinigung des Saarlandes mit dem 1926 unter Joseph Bürckel gegründeten Gau Rheinpfalz zum Gau Pfalz-Saar der NSDAP. Dieser wurde Anfang 1936 in Gau Saarpfalz umbenannt [2]. Nach ihrem erfolgreichen Frankreichfeldzug im Frühjahr 1940 besetzten die Deutschen gegen Ende des Jahres auch den deutschsprachigen Teil Lothringens, also das Département Moselle, und schlossen es an den Gau Saarpfalz an. Das neue Gebilde wurde vom 7.12.1940 an Gau Westmark genannt, sein Verwaltungssitz war in Saarbrücken. Bürckel blieb Gauleiter bis 1944.  

 

Aufgrund des Kriegsverlaufs kam es aber nicht mehr zum formellen Zusammenschluss der drei ursprünglichen Verwaltungseinheiten Saarland, Rheinpfalz und Département Moselle.    (Bild oben: Sammlung François Touret)

 

_________________________

 

[1] Das Gesetz wurde im RGBl. I 1935 auf S. 66 veröffentlicht. Es heißt dort u.a.: "An der Spitze der Verwaltung des Saarlandes steht bis zur Eingliederung in einen Reichsgau der Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes mit dem Amtssitz in Saarbrücken." Der vollständige Wortlaut des Gesetzes ist nachzulesen unter:

http://www.documentarchiv.de/ns/1935/saarland_verw_ges.html (zuletzt aufgerufen am 7.5.2014)

[2] Siehe: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/orte/ab1815/Nationalsozialistische%20Gaue/Seiten/Westmark.aspx

 

 

 

1939 - 1945: Zweiter Weltkrieg

 

Im Zuge der Kriegsvorbereitung wurden schon 1938 Pläne für die Evakuierung der in den westlichen Grenzgebieten des Reiches lebenden Bevölkerung aufgestellt, weil sie in dem Gebiet lebte, durch das die Frontlinie verlief. Zu dieser "roten Zone" gehörten im Saarland die Gegend zwischen der Grenze zu Frankreich und dem linken Saarufer, die ganze Stadt Saarbrücken und im Bliesgau das Gelände südlich der Linie Ensheim-Blieskastel.

 

Im September 1939 brach, viereinhalb Jahre nach dem Anschluss der Saar an Hitlerdeutschland, der Zweite Weltkrieg aus. Die erste Evakuierung begann in den Anfangstagen des Krieges: Die betroffenen Saarländer wurden nach Thüringen, Nordhessen, Mecklenburg und Niedersachsen verbracht.

 

Die Abbildung zeigt einen Berechtigungsausweis zum Betreten der freigemachten Zone zwecks Rückführung persönlicher Gegenstände und Papiere während der ersten Evakuierung kurz nach dem Kriegsausbruch.

(Bild: Ernst Becker, Heckendalheim)

 

 

Nach dem Westfeldzug im Mai und Juni 1940, durch den Frankreich besiegt und zu einem großen Teil besetzt wurde, konnte die evakuierte Bevölkerung wieder zurückkehren. In den folgenden vier Jahren blieb das Saarland von Kriegshandlungen mehr oder weniger verschont; diese spielten sich meist an entfernteren Schauplätzen ab.

 

Aber am 4. Oktober 1944 kam der Krieg nach Saarbrücken zurück, und die Bevölkerung musste zum zweiten Mal evakuiert werden. Schwere Bombenangriffe verursachten große Zerstörungen in der Stadt (siehe Bild rechts). Vom November an lag sie häufig unter amerikanischem Artilleriefeuer.

 

Am Burbacher Bahnhof (Foto: Ernst Becker)     

 

Das Jahr 1945

 

Im März 1945 eröffneten die amerikanischen Armeen ihre Schlussoffensive. Truppen der 15. Armee drangen in die Gebiete ihrer späteren Besatzungszone ein. Diese umfasste das linksrheinische Reichsgebiet sowie einige rechtsrheinisch gelegene Teile des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz, außerdem den größten Teil des heutigen Landes Hessen, ganz Baden-Württemberg sowie Bayern.

 

In der dritten Märzwoche besetzten Truppen der 3. und der 5. US-Armee auch das Saarland. Um dem Westwall und den seit der Invasion der Alliierten am 6. Juli 1944 im lothringischen Grenzgebiet erstellten Panzergräben auszuweichen, rückten sie von der Mosel kommend nach Osten vor. Während z.B. die Stadt Saarlouis, die damals noch Saarlautern genannt wurde, tagelang unter Artilleriebeschuss lag, zogen die Amerikaner praktisch kampflos am 16. und 17. März 1945 in Merzig ein und am 21. März (Frühlingsanfang!) in Neunkirchen und in Saarbrücken. In St. Ingbert kamen sie an diesem Tag gegen halb drei die Ensheimer Straße heruntermarschiert (Bericht eines Zeitzeugen). Über dem Rathauseingang der Hauptstadt und auf den Rathäusern der anderen Städte wurde das amerikanische Sternenbanner gehisst. Damit war der Zweite Weltkrieg für das Saarland endgültig beendet.

 

Bild oben: Amerikanische Soldaten beim Einmarsch in der Saarbrücker Dudweilerstraße (Foto: Archiv SZ)  

  

Das Land hatte durch Luftangriffe und Artilleriefeuer der Alliierten sowie Sprengungen durch eigene deutsche Truppen starke Zerstörungen erlitten und war fast menschenleer. Hatten in Saarbrücken vor dem Krieg noch über 130.000 Einwohner gelebt, so zählte man jetzt nur noch etwa 7.000. Die meisten waren mit der zweiten Evakuierungswelle im Oktober 1944 ins Innere Deutschlands gebracht worden, und von den im Land verbliebenen hatten viele bei den verheerenden Bombardierungen durch die Alliierten ihr Leben verloren.

 

Zum Bild rechts: Der Zeichner Jean Morette hat einen Blick aus der Vorstadtstraße auf die Ludwigskirche, St. Jakob und die Friedenskirche festgehalten. Vorne sieht man Gleise der Trümmerbahn, die die Überreste der zerstörten Häuser zu eigens dafür eingerichteten Plätzen außerhalb der Stadt transportierte (siehe auch nächstes Bild!)

 

Schon wenige Tage nach dem 21. März kehrten die ersten Zivilisten aus der 2. Evakuierung zurück. (Lesen Sie hierzu die Erinnerungen unserer Ald Schwaduddel an die Flucht ihrer Familie und deren Rückkehr nach Saarbrücken!)

 

Das Ende des Krieges bedeutete für das Land die "Stunde Null". Aufgrund der chaotischen Verhältnisse begannen die US-Militärbehörden so schnell wie möglich damit, wieder eine funktionierende Zivilverwaltung aufzubauen. Der Befehlshaber der US-Truppen, Colonel Louis G. Kelly, richtete seinen Sitz im stark beschädigten Saarbrücker Rathaus ein und ernannte Heinrich Wahlster (Nudelfabrikant aus alteingesessener Familie) zum Oberbürgermeister der Stadt. Schon vier Tage vor der offiziellen bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte (sie erfolgte am 8. Mai 1945) beauftragte Oberst Kelly den Saarbrücker Rechtsanwalt Dr. Hans Neureuter mit der Bildung einer saarländischen Zivilverwaltung im neu geschaffenen Regierungspräsidium Saarbrücken. Dieses wurde kurz danach dem ebenfalls neu errichteten Oberregierungspräsidium Mittelrhein-Saar in Neustadt (Weinstraße) unterstellt. Neureuter wurde zum Regierungspräsidenten des Saarlandes ernannt.

 

Die Trümmerbahn, im Bild oben an der Johanniskirche in der damaligen Max-Braun-Straße; Bild unten: Am Trillerweg   

 

Nachdem die Franzosen am 10. Juli 1945 als vierte Besatzungsmacht einen Teil der amerikanischen Zone, darunter auch das Saarland, als Besatzungsgebiet übernommen hatten, errichteten sie ihren Sitz in Baden-Baden und ernannten am 23. Juli 1945 General Marie-Pierre Koenig zum Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der Französischen Zone (Commandant en Chef Français en Allemagne). Bis Ende Juli waren die Amerikaner aus der neuen französischen Zone abgezogen. Als Militärgouverneur für den Bereich des Saarlandes setzten die Franzosen zunächst General Morlière ein, und für die Verwaltung der saarländischen Steinkohlengruben schufen sie am 10. Juli 1945 die Mission Française des Mines de la Sarre (Näheres darüber im Kapitel Bergbau).

Foto: Hans Wagner

 

Im Juli wurde das schon am 25. März 1945 von Exilsaarländern in Paris gegründete MLS im Saarland aktiv (Mouvement pour la Libération de la Sarre - Bewegung für die Befreiung der Saar). Etwa Ende 1945 benannte es sich um in MRS (Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France - Bewegung für den Anschluss der Saar an Frankreich). Das MRS trat für die völlige Einverleibung der Saar durch Frankreich ein. Eine solche vollständige Eingliederung stieß aber bei den Alliierten, besonders bei den Russen und den Amerikanern, auf heftigen Widerstand und wurde deshalb nie vollzogen. Dem MRS gehörten viele einflussreiche Persönlichkeiten an, und es blieb auch weiterhin aktiv an der Saar; seine Bestrebungen aber verhallten im Wind.

 

Die französische Militärregierung (französische Bezeichnungen: Gouvernement Militaire de la Sarre oder Délégation Supérieure de la Sarre) übernahm am 29. Juli 1945 die Verwaltung des Saarlandes. Am 30 August 1945 löste Colonel (= Oberst) Gilbert Grandval General Morlière ab und wurde zum neuen Militärgouverneur des Saarlandes ernannt. Damit stand er als Délégué Supérieur an der Spitze der französischen Militärregierung an der Saar. Deren Exekutiv-Institutionen gingen in dieser Zeit mitunter ziemlich unnachgiebig gegen die Bewohner unserer Region vor.

 

Als erster höherer französischer Regierungsvertreter stattete General Charles de Gaulle am 3. Oktober 1945 dem Saarland einen Besuch ab, gut einen Monat vor seiner Ernennung zum Präsidenten der provisorischen Regierung Frankreichs. Er versprach den Saarländern, ihnen beim Wiederaufbau zu helfen, und Dr. Hans Neureuter versicherte ihn der Treue des Saarlandes zu Frankreich. De Gaulle sagte wörtlich:

 

«Nous sommes à vos côtés: Le gouvernement français est prêt à vous aider. En tant qu'Européens de l'ouest, en dépit de ce qui a pu surgir entre nous, nous devons travailler de concert et nous comprendre mutuellement.» [1]

(Übersetzung: Wir stehen an Ihrer Seite. Die französische Regierung ist bereit, Ihnen zu helfen. Als Westeuropäer müssen wir trotz allem, was zwischen uns vorgefallen sein mag, zusammenarbeiten und einander verstehen.)

 

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[1] Aus der Rede de Gaulles am 3.10.1945 in Saarbrücken; in: Renaissance de la Sarre. Saarbrücken 1947. Seite 45.

 

 

Das Jahr 1946

 

Am 16. Februar 1946 wurde das Saarland der Zuständigkeit des alliierten Kontrollrates entzogen. Dies bedeutete, dass Grandval nun unabhängig von General Koenig Entscheidungen für das Saarland treffen konnte. Im Laufe des Jahres wurden Prozesse gegen verantwortliche Nazi-Größen durchgeführt.

 

Die französische Regierung bereitete die Schaffung einer Wirtschafts-, Zoll- und Währungsunion des Saarlandes mit Frankreich vor. Man wollte das Saarland von Deutschland abtrennen und zu einem ansonsten autonomen Land werden lassen, das auf wirtschaftlichem Gebiet mit Frankreich vereint war. Damit sollte die Saar faktisch zu einem französischen Wirtschaftsprotektorat werden.

 

Bereits im Januar 1946 wurden politische Parteien gegründet und zugelassen, wenn sie bereit waren, diese politischen Ziele Frankreichs zu unterstützen. So entstanden CVP, SPS und DPS als bürgerliche Parteien, sowie die KPS. (Mehr dazu im Kapitel Parteien). CVP, SPS und DPS beschlossen im April 1946 förmlich, den Plänen Frankreichs zuzustimmen.

 

Am 1. August 1946 gliederte das französische Oberkommando zahlreiche Gemeinden aus der Provinz Rhein-Hessen-Nassau aus und fügte sie dem Saarland zu. Einige dieser Orte wurden im Juni 1947 wieder ans Saaralnd zurückgegeben. Ausführliche Einzelheiten darüber finden Sie auf unserer Seite Geografie und Landeskunde unter 'Änderung der Grenzen'.

 

Am 15. September 1946 fanden Kommunalwahlen im Saarland statt. In dieser ersten Wahl im Saarland nach dem Krieg wurden die Gemeinderäte neu gewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von 93,8 % erhielten CVP 52,4 % der Stimmen, SPS 25,5 %, KPS 9,1%, Freie Listen 13%.

 

Die französische Militärregierung wollte nicht länger mit dem am 4. Mai 1945 von den Amerikanern eingesetzten Regierungspräsidenten Neureuter zusammenarbeiten. Deshalb löste General Koenig am 8. Oktober 1946 das Regierungspräsidium auf und setzte stattdessen eine Vorläufige Verwaltungskommission für das Saargebiet ein (Commission Provisoire d’Administration du Territoire de la Sarre). Sie wurde gemäß den Mehrheitsverhältnissen der ersten Gemeinderatswahlen vom 15. September 1946 zusammengesetzt und war praktisch die Vorläuferin der späteren Regierung, stand aber unter der Kontrolle der Militärregierung. Ihr Vorsitzender wurde Erwin Müller. Die sieben Mitglieder waren keine Minister, sondern Direktoren. Drei von ihnen gehörten der CVP an, zwei der SPS und einer der KP (er wurde 1947 durch einen Vertreter der DPS ersetzt); ein weiterer war parteilos.

 

 

Die Mitglieder der Vorläufigen Verwaltungskommission:

 

Vorsitzender und  Direktor der Justiz: Erwin Müller, CVP

                                                           (in der Mitte des Bildes)

Direktor des Inneren: Georg Schulte, SPS

Direktor der Finanzen: Christian Grommes, parteilos (ganz links)

Direktor der Erziehung: Emil Straus, CVP (rechts außen)

Direktor der Arbeit: Richard Kirn, SPS (zweiter von rechts)

Direktor der Wirtschaft: Heinrich Danzebrink, CVP (3. von links)

 

Das Foto zeigt eine Sitzung der Vorläufigen Verwaltungs-kommission Ende 1947. (Foto: Fritz Mittelstaedt)

 

Am 22. Dezember 1946 errichteten die Franzosen auf Anordnung von General Koenig eine Grenze zwischen dem Saarland und dem angrenzenden Rheinland-Pfalz, die von 1200 französischen Zöllnern überwacht wurde.

 

 

Von 1947 bis 49 galt der französische Nationalfeiertag auch im Saarland als Feiertag.  

 

Von 1947 an wurde der französische Nationalfeiertag vom 14. Juli nach einer Verordnung der Verwaltungskommission des Saarlandes auch in unserem Land als gesetzlicher (und damit bezahlter) Feiertag begangen, und zwar zur Erinnerung an die Erstürmung der Bastille und an die Erklärung der Menschenrechte am 14. Juli 1789.

 

Dies wurde in einer Verordnung vom 1.7.1947 festgelegt; siehe Amtsblatt der Verwaltungskommission des Saarlandes Nr. 33 - 1947, S. 225 und Gesetz vom 6.7.1950, Amtsblatt des Saarlandes Nr. 39 - 1950, S. 497.

Diese Feiertags-Regelung wurde nach 1949 aber für das Saarland wieder abgeschafft.

Im Bild oben ist vorne in der Mitte der damalige Militärgouverneur Gilbert Grandval bei den Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag in Saarlouis zu sehen; nobel trägt er eine Frackhose mit Seitenstreifen, den Galons; links von ihm marschiert Johannes Hoffmann.

 

 


 

 

Die Fortsetzung der "Saargeschichte" finden Sie - in Tabellenform - auf unserer Seite

 

Geschichtliche Entwicklung  (Zeittafel von 1945 bis ca. 1960).

 

 


Diese Seite wurde begonnen am 16.3.2013, zuletzt bearbeitet am  12.9.2019

 

 

 

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