A)
Die Lebensgeschichte
von Gilbert Grandval
Vorbemerkungen zur
Biografie Grandvals:
a) Obwohl diese Website in
der Hauptsache das Saarland in der
Zeit von 1945 bis 1959 beschreibt,
erscheint es uns wichtig, bei
bestimmten Themen auch über die
Vorgänge und Zusammenhänge der
vorangehenden und nachfolgenden
Epochen zu berichten., weil man dadurch die Ereignisse und
Entwicklungen in
der eigentlich betrachteten
Zeitspanne besser verstehen und
einordnen kann. Deshalb beschreiben wir
z.B. die Lebenswege von Johannes
Hoffmann und Gilbert Grandval auch
über die Zeiten des Saarstaates
hinaus, also auch in den Jahren
davor und danach. (Wenn
Sie die Lebensgeschichte Grandvals
in
den Jahren vor
1945 überspringen
möchten,
klicken Sie bitte hier.)
b) Es war anfangs
schwierig, nähere Einzelheiten
über die Person und das Leben
Gilbert Grandvals herauszufinden.
Erst nach und nach konnten durch
intensive Nachforschungen
Informationen in verschiedenen
Quellen gefunden und in diese
Biografie eingearbeitet werden.
Schließlich wurden aus später
neu entdeckten amtlichen
französischen Dokumenten
noch verschiedene wichtige Daten
und Fakten aus dem frühen
Leben Gilbert Grandvals entnommen.
Teile dieser Akten sind im
folgenden Text wiedergegeben.
Wir danken Stefan
Haas, Bodenheim, für seine
Mitarbeit an diesem Text und
für verschiedene Recherchen zum Thema Grandval.
|
"Für
die Saar habe ich einige der schönsten
Jahre meines Lebens hingegeben. Meine
Jugend ist hier zu Ende gegangen.
Der
Saar verdanke ich die Jahre der Reife."
(aus:
Gilbert Grandval. Abschiedsansprache; siehe Literaturangaben am Ende dieser
Seite!)
1)
Gilbert Hirsch-Ollendorff, Abkömmling
einer jüdischen Familie aus dem Elsass
Grandval
wurde am 12. Februar 1904 als Sohn einer
alten jüdischen Familie geboren, die aus dem
Elsass stammte. Er kam in der rue La Boétie
im 8. Pariser Arrondissement zur Welt und
wurde dort unter dem Namen Yves Gilbert
Edmond Hirsch in das Geburtsregister
eingetragen (siehe rechts).
Sein
Vater Edmond Hirsch (geb. 1873) war
der Sohn des Buchhändlers
Henri Hirsch
(geb. 1829) aus Straßburg. Als das
Elsass im Jahr 1871 dem Deutschen
Kaiserreich zugeschlagen wurde, entschied
sich Henri Hirsch für die Option, mit seiner
Familie
nach Frankreich zu übersiedeln, und verlegte
seinen Wohnsitz nach Paris. Die Buchhandlung
übernahm später sein Sohn (und Gilberts
Vater) Edmond, der ihr einen Verlag für
Schulbücher angliederte [1]. Gilberts Mutter
war Jeanne Ollendorff (geb. 1880),
Tochter von Paul Ollendorff (geb.
1852), dem Verleger
des französischen Schriftstellers Guy de
Maupassant
[2] und
Herausgeber der Zeitschrift "Gil Blas".
Übersetzung
des obigen Textes aus dem Geburtsregister
der Stadt Paris: Am 15. Februar 1904,
abends um 02.30 Uhr, Beurkundung der
Geburt von Yves Gilbert Edmond Hirsch, Geschlecht:
männlich, geboren am 12. Februar dieses
Jahres um vier Uhr
morgens
in der Wohnung seines Vaters und seiner
Mutter; Sohn von
Edmond
Hirsch, 31 Jahre alt, Kaufmann, und von
Jeanne Ollendorff, 24 Jahre alt, ohne
Beruf, Eheleute, wohnhaft in der rue la
Boétie ...
|
Gilberts Vater
Edmond Hirsch und sein Großvater
Paul Ollendorff bezeugten
die Geburt mit Ihren Unterschriften auf der
standesamtlichen Eintragung.
|
|
Gilbert
nahm später den aus den Familiennamen seiner
beiden Eltern zusammengesetzten Doppelnamen
Hirsch-Ollendorff an und
behielt ihn bis kurz nach dem Ende des 2.
Weltkrieges bei (siehe unten, am Ende
von Abschnitt 2). Von seinen
drei Vornamen
(Yves
Gilbert Edmond)
gebrauchte
er fast ausschließlich "Gilbert". Warum er
in einem britischen Buch als "Salomon
Hirsch Ollendorf" erwähnt wird [3], ist
nicht bekannt; möglicherweise steht dies im
Zusammenhang mit seiner jüdischen
Abstammung.
(Grandval trat später zum
katholischen Glauben über; siehe unten,
im Abschnitt 6)
|
Seine
Schulausbildung erhielt Gilbert am
renommierten Lycée Condorcet in
Paris. Anschließend begann er
auf Wunsch seiner Familie ein
Medizinstudium, das aber durch den
Militärdienst von 1924 bis 1926
unterbrochen wurde. Er hat es danach
nie wieder aufgenommen. [4]
Durch
die
Vermittlung
guter Freunde konnte er 1927 in das
bedeutende französische Unternehmen
Compagnie de St. Gobain einsteigen,
das Gläser
und chemische Produkte herstellte.
1929 wurde er im Alter von 25
Jahren zum kaufmännischen Leiter
dieser Firma und war in dieser
Funktion für die Bretagne und die
Normandie zuständig.
Am
31. Januar 1927 heiratete Gilbert
Hirsch-Ollendorff in Paris (16e) Simone
Octavie Léa Mapou. 1928 kam
ihr erster Sohn Bertrand zur
Welt (siehe unten im Abschnitt
5). Wann und wie (Scheidung
oder Tod der Gattin?) diese Ehe
endete, ist uns nicht bekannt.
|
Oben:
In dem hier wiedergegebenen Teil
eines Standesamts-Auszugs sind die
beiden Eheschließungen Grandvals
eingetragen. Auch die spätere
Namensänderung von 1946 ist darin
durch Streichung des Namens
Hirsch dokumentiert (siehe unten, am Ende
von Abschnitt 2).
|
1939
arbeitete Grandval als kaufmännischer
Leiter einer Düngemittelfabrik,
deren
Anlage sich in Lyon befand und die
zum Besitz seiner Familie gehörte [5]. Am
10. Juni 1938 schloss Gilbert seine
zweite Ehe, dieses Mal in St. Cloud
(Département Seine-et-Oise). Seine
neue Frau war Yvonne Schwenter.
Aus ihrem Vorleben ist
nur bekannt, dass ihr Vater ein
Hotel in Paris geführt hat. Aus
dieser Ehe gingen die Kinder
Christine und Gérard
hervor. (Über die spätere Rolle
seiner Ehefrau im Saarland lesen
Sie weiter unten im Abschnitt C
"Mme Yvonne Grandval"; mehr über
Grandvals Nachkommen siehe unten
im Abschnitt 5.)
|
_________________________
Fußnoten zu Abschnitt 1):
[1] Vgl."Europakonflikt.
Für jeden, der sehen will". In: DER
SPIEGEL 6/1952 vom 6.2.1952, Seite 5. Im
Netz zu finden unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-21317914.html (zuletzt aufgerufen
am 10.8.2020).
[2] Siehe: Gilbert
Grandval et Jean Collin. Libération de l’
Est de la France. Paris 1974.
Vordere Umschlagklappe.
[3] In dem Buch: James
Shields. The extreme right in France:
from Pétain to Le Pen. Routledge, 2007
wird er auf Seite 79 wie folgt erwähnt:
"... people who don't even dare to say
their names: ..., Salomon Hirsch
Ollendorf, otherwise known as Grandval,
..." (Leute,
die nicht
einmal ihren Namen zu sagen wagen:
..., Salomon Hirsch Ollendorf, sonst
bekannt als Grandval, ...)
[4] Vgl. Schneider, Dieter
Marc. Gilbert Grandval. Frankreichs
Prokonsul an der Saar. In: Martens,
Stefan (Hrsg.). Vom "Erbfeind" zum
"Erneuerer".
Aspekte und Motive der französischen
Deutschlandpolitik nach dem Zweiten
Weltkrieg. Sigmaringen 1993. S. 201-243.
[5]
Siehe
auch: Küppers, Heinrich. Johannes Hoffmann
(1890-1967). Biographie eines Deutschen.
Düsseldorf 2008, S. 476, Anm. 554.
2) Im Zweiten Weltkrieg:
Militärpilot und Widerstandskämpfer
Zu
Beginn des Krieges wurde Gilbert Hirsch im
Alter von 35 Jahren zur französischen Luftwaffe
eingezogen, und zwar als Sous-Lieutenant
pilote (Pilot im Range eines
Leutnants). Die dafür notwendigen
Kenntnisse und Fähigkeiten hatte er vorher
in einer großen Anzahl von Flugstunden als Privatpilot
erlangt.
Im Krieg war er als Flieger an alliierten
Flucht- und Rettungseinsätzen beteiligt und
wäre 1940 beinahe in Gefangenschaft geraten.
(Grandval
war später auch im autonomen Saarland
maßgeblich am Wiederaufbau und Betrieb des
Luftverkehrs beteiligt und flog selbst mit
einer eigenen Maschine häufig vom und zum
Saarbrücker Flughafen St. Arnual - siehe
unsere Seite Flugverkehr).
Nach
der militärischen Niederlage Frankreichs im
Juni 1940 trat Gilbert der Résistance bei,
und ab April 1943 beteiligte er sich im
Norden des Landes an Aktionen der
Widerstandsgruppe Ceux
de la Résistance (CDLR). Eine
seiner Aufgaben bestand darin, neue
Mitstreiter anzuwerben,
obwohl er sich selbst nicht vollständig
dieser
Organisation verschrieben hatte.
Am
6. August 1943 wurde er von den
deutschen Besatzern in Paris
verhaftet. Mangels Beweisen
wurde er jedoch nach zwei Tagen
wieder freigelassen. Nach diesem
Vorfall
widmete er seine ganze
Aufmerksamkeit und Arbeit der
Untergrundorganisation CDLR und
war von diesem Zeitpunkt an
vollwertiges Mitglied
der Résistance.
Er benutzte dabei verschiedene
Decknamen: "Chancel", "Pasteur",
"Berger", "Planète" und "Grandval"
[6]. Im Laufe der Zeit
entwickelte er ein gewisses
Führungspotenzial, war sehr
vertraut mit den Strukturen der
Résistance und stand nach einiger
Zeit weit oben in der Hierarchie
dieser Bewegung.
Im
Range eines Colonels (Obersten)
befehligte Gilbert Grandval, wie
er sich nun meist nannte, vom
November 1943 an die französischen
Widerstandskräfte (Forces
françaises combattantes
de
l’intérieur - FFI) in
acht Départements im Osten
Frankreichs (Région C, von den
Ardennen bis zum Elsass).
Auf Weisung
von General Charles de Gaulle
wurde er als Militärbeauftragter
dieser Region eingesetzt. Nach der
Landung der Alliierten in der
Normandie 1944 ernannte man ihn
zum Operationsoffizier der 20.
Militärregion (Nancy). Damit hatte
er drei der wichtigsten und
gefürchtetsten Posten des
Geheimdienstes inne.
Abbildung
rechts: In diesem Buch von 1974
schildern Grandval und A. Jean
Collin ausführlich (in
französischer Sprache) die
Ereignisse während der Befreiung
Ostfrankreichs.
|
|
Man
sagt, dass Grandval im September 1944 in
Nancy die letzten dort noch verbliebenen
Reste der deutschen Wehrmacht auslöschte,
nachdem er in die Stadt eingerückt war - nur
zwei Tage vor den US-Soldaten. Aus den
anschließend aufgetretenen Streitigkeiten
mit amerikanischen Offizieren entstand wohl
seine Abneigung gegen die Amerikaner.
General
de Gaulle war von 1944
bis 1946 provisorischer Staatspräsident. Als
er am 25. September 1944 das befreite Nancy
besuchte, sprach er Grandval seine
Anerkennung für dessen große Verdienste in
der Widerstandsbewegung und bei der
Befreiung Frankreichs aus. Er verlieh
Grandval den Ordre
de la Libération, den er 1940 selbst
gestiftet hatte. Grandval durfte sich fortan
Compagnon
de la Libération nennen und wurde
1946 Chevalier
(oder Grand Officier) de la Légion
d`Honneur (Ritter bzw. Großoffizier der
Ehrenlegion). Am 31. Dezember 1948 (er
war bereits drei Jahre im Saarland) wurde er
zum Commandant
(Major) befördert. Kurz zuvor hatte er die
Medaille Rosette de la Résistance erhalten,
und die amerikanische Armee hatte ihm den
Orden Legion of Merit verliehen.
[7]
Er
erhielt noch einige weitere Auszeichnungen.
Außerdem wurde ihm durch amtliche Verfügung
gestattet, vom 25. Februar 1946 an seinen
bisherigen Résistance-Decknamen Grandval
[8] offiziell als Familiennamen zu
führen. Wie aus dem nachfolgend
wiedergegebenen Erlass hervorgeht, durfte
sich auch sein Vater Edmond Hirsch fortan
Grandval nennen.
|
Übersetzung:
Berichtigt
auf Anordnung des
Präsidenten der Zivilkammer des
Départements Seine am 26.12.1947
in dem Sinne, dass es Yves Gilbert
Edmond Hirsch und seinem Vater
gestattet wird, ihren
Familiennamen durch den Namen
Grandval zu ersetzen und sich in
Zukunft rechtmäßig Grandval
statt Hirsch zu nennen, durch
Verordnung des Präsidenten der
Übergangsregierung der
Französischen Republik am
25.2.1946. Verordnung
transkribiert am 12.3.1948. Mit
gleichem Datum, der Bürgermeister.
(Übersetzg.:
R.Freyer)
|
Fußnoten zu Abschnitt 2):
[6] Siehe: Grandval et Collin. Libération de l’ Est de
la France. Paris
1974, S. 14.
[7] Siehe: Grandval,
Gilbert. Ma mission au Maroc. Librairie
Plon. Paris 1956, im Lebenslauf auf dem
Rückdeckel des Buchs.
[8]
Dass dem Franzosen Gilbert sein
Nachname "Hirsch" nicht besonders gefiel,
ist leicht nachzuvollziehen. Warum er aber
gerade "Grandval" als Familiennamen wählte,
ist nicht überliefert. Er hatte in der
Résistance ja mehrere Decknamen geführt
(siehe oben, Abschnitt 2, dritter Absatz). Grandval ist (noch heute) auch der Name
eines Stausees und einer Gemeinde in der
Schweiz; vielleicht erschien er ihm deshalb
als der "schönste" seiner früheren Decknamen?
3)
1945 bis 1955: Vertreter
Frankreichs im Saarland
a)
Délégué Supérieur
(Militärgouverneur), 1945 -1947
Schon
kurz nach Ende des 2. Weltkriegs
begann Grandval seine politischen
Aktivitäten im Saarland. Nachdem im
Juli 1945 das amerikanische Militär
aus dem Land abgezogen und
französische Besatzungstruppen dort
eingerückt waren (siehe Seite Geschichtlicher
Überblick), kam der
41-Jährige am 30. August 1945 ins Saarland.
Der französische Regierungschef,
General de Gaulle, hatte ihm die
Aufgabe übertragen, innerhalb der
französischen Zone eine
Sonderregelung für die Saar zu
erlangen, und zwar möglichst im
Einvernehmen mit der Bevölkerung
[9]. Er ernannte ihn zum Militärgouverneur
(Délégué Supérieur) des Saarlandes. Am 7. September 1945 trat
Grandval sein Amt an und stand
damit an der
Spitze der französischen
Militärregierung im Saarland
("Gouvernement
Militaire" oder "Délégation
Supérieure de la Sarre").
Sein
Sohn Bertrand Grandval beschrieb
später in einem Zeitzeugenbeitrag
die damaligen Vorgänge. Er
berichtete, dass General Pierre
Marie Koenig, der im Juli 1945 von
General de Gaulle zum
Oberbefehlshaber der Französischen
Zone ernannt worden war,
ursprünglich andere Pläne mit
Grandval hatte: Da er ihn aus den
letzten
anderthalb Kriegsjahren als
erfolgreichen
Résistance-Kämpfer
kannte, schlug er ihm vor, seine
rechte Hand in Baden-Baden zu
werden. Aber Grandval, der ja vor
dem Krieg
bereits
in einem Industriebetrieb gearbeitet
hatte (siehe weiter oben),
war an einem solchen rein
politischen und diplomatischen
Einsatz nicht interessiert.
|
|
Grandval
spricht im Saar-Landtag.
Fotos:
Sammlung Jan Müller
|
Ihn
reizten vielmehr konkretere Dinge
wie Kohle, Stahl und Wiederaufbau.
Schon im Mai 1945 hatte er bei einem
kurzen Besuch an der Saar erkannt,
dass dort große und vordringliche
Aufgaben zu erfüllen waren. Vor
allem musste die Industrie wieder in
Gang gesetzt werden, um die
darniederliegende Wirtschaft
anzukurbeln und den Menschen ihre
Lebensgrundlage zurückzugeben, aber
auch, um die deutschen
Reparationsleistungen an
Frankreich (hauptsächlich
in Form von Steinkohle) sicherzustellen. Aus diesem
Grund bemühte er sich darum, dass
man ihm "die Saar anvertraute". Sein
Wunsch wurde erfüllt. [10]
|
b) Haut
Commissaire - Hoher Kommissar
von 1948 bis Januar 1952 [11]
Grandval
sollte eigentlich nur einige Monate,
höchstens für ein halbes Jahr, im
Saarland bleiben, aber seine Mission
wurde schließlich auf knapp zehn
Jahre ausgedehnt. Nachdem im
Dezember 1947 die saarländische
Verfassung verabschiedet worden war,
beendete die französische
Militärregierung Anfang
Januar 1948 ihre Arbeit im Saarland.
Sie wurde von einem Hochkommissariat abgelöst,
dessen Leitung Gilbert Grandval
übertragen wurde. Als Hoher
Kommissar Frankreichs war
er dem Pariser Außenministerium
unterstellt. Seine Hauptaufgabe
bestand darin, darauf zu achten,
dass die saarländische Regierung
keine Beschlüsse fasste oder
Gesetze erließ, welche die Autonomie des
Landes und die Wirtschafts- und
Zollunion mit Frankreich gefährden
könnten. [12]
Das
Foto zeigt Grandval mit dem damals
etwa fünfjährigen Jan Müller, Sohn
des Ministers Erwin Müller. (Sammlung
Jan Müller)
Grandval
verstand es, die ihm gestellte
Aufgabe konsequent und erfolgreich
zu erfüllen. Johannes Hoffmann
charakterisierte später seine
Vorgehensweise mit folgenden Worten:
"Grandval hatte seine eigene
Vorstellung von der Saarlösung. Mit
geschickter Überredungskunst und mit
dem ihm eigenen Charme verband er
den
Willen, sich notfalls der
politischen und wirtschaftlichen
Macht zu bedienen. Wenn er Gefahren
für seine Konzeption sah, versuchte
er sein Gegenüber durch Diskutieren
zu überzeugen oder in Paris
vorsorglich Barrieren zu errichten,
um eine starke Abweichung von seinem
Kurs zu verhindern." [13]
Über
Grandvals praktische Arbeitsweise
haben wir noch nicht viel erfahren.
Seine "rechte Hand", also wohl seine
Sekretärin, soll eine gewisse "
Madame Müller" gewesen sein. - Wer
weiß mehr zu diesem Thema? (>
Kontakt)
Am
1. Oktober 1950 verlieh der
Saarlouiser Bürgermeister Anton
Merziger Grandval die
Ehrenbürgerschaft der Stadt
Saarlouis (gleichzeitig mit Johannes
Hoffman, Dr. Kurt Neugebauer, und
Dr. Jacob Hector; ein Bild von
der Verleihung sehen Sie hier
auf der Seite Johannes Hoffmann im
Kapitel
D).
Grandvals
Wohnungen und Amtssitze.
1945 wohnte er
mit seiner Familie in
Saarbrücken unweit der
Christ-König-Kirche, und
zwar zuallererst für kurze
Zeit in der Yorckstraße
und danach in dem
alleinstehenden
herrschaftlichen Haus in
der Puccinistraße 9 [14].
Von dort aus war es nur
ein kurzer Weg bis zu
seiner Arbeitsstätte, die
er in dem wuchtigen
Gebäude am Ende der
damaligen Alleestraße,
heute
Franz-Josef-Röder-Straße,
Hausnummer 21 - 23,
eingerichtet hatte (siehe
Bild unten). Dieses
war 1937 als
Reichsfinanzamt erbaut
worden und daher in den
40er-Jahren unter dem
Namen "Neues Finanzamt"
bekannt. Als die Franzosen
im Juli 1945 ins Saarland
einzogen, machten sie es
zunächst zum Sitz ihrer
Militäregierung. 1948
richteten sie dann
ihr Hochkommissariat
dort ein. Grandval
war
Chef beider Institutionen;
er hat das Anwesen und
seine Umgebung stets
sorgfältig überwachen
lassen. Ab
1957 hatte der
Vorsitzende der
DPS-Fraktion Paul
Simonis
dort
sein Büro.
|
|
Der Amtssitz
Grandvals befand sich
von 1945 bis 1954 in
diesem Gebäude,
Alleestr. 21.
Die Inschrift
oben am
Dach lautete
zunächst
"Gouvernement
Militaire de la Sarre"
und ab 1948:
"Haut
Commissariat de la
République Française en
Sarre".
|
Seit dem Auszug
Grandvals (1954) sind in
dem Gebäude das
saarländische Innen- und
das Arbeits-Ministerium
untergebracht.
Einen
Bildervergleich des Gebäudes
von damals und heute
finden Sie auf unserer
Seite "Orte
und Gebäude"
unter Nr. 8.
(Foto oben: von
einer Postkarte der
50er-Jahre)
|
|
Etwa 1946 richtete
Grandval den Wohnsitz
für sich und seine Familie
im Schloss Halberg ein.
Angehörige des Saarbataillons
(siehe Foto) sorgten
für ihre Sicherheit. Es gab
dort einen großen Garten,
einen Teich, zwei
Schwimmbäder, einen
Pferdestall
und eine Reithalle. Grandval
ließ den Pfarrer ein paar
gleichaltrige Kinder aus der
Volksschule als
Spielkameraden für seine
Kinder aussuchen, die dann
zum Schloss kamen. Zur
Belohnung erhielten sie
immer ein Stück Flûte, wenn
sie wieder nach Hause
gingen. [15] Foto:
Werner Resch, Saarlouis
Das Schloss
Halberg wurde im September
1961 zum Sitz des
Saarländischen Rundfunks
(siehe
unsere Seite Wartburg).
Mehr Informationen über
die Zeit, als Grandval auf
Schloss Halberg
residierte, finden Sie in
dem SR-Fundstück "Der
Saarbrücker Halberg bevor
der SR kam" auf sr-de
(Autor: Axel
Buchholz).
------------------------------------------
|
c)
Ambassadeur
(Botschafter; 1952 -
1955)
Am 25. Januar
1952 änderte sich
Grandvals
Stellung erneut. Die
französische Regierung
ernannte ihn zu ihrem Botschafter
und Leiter der diplomatischen
Vertretung
Frankreichs im
Saarland. In dieser neuen
Position übte er nun
diejenigen Befugnisse aus,
die ihm im Rahmen der
französisch-saarländischen
Konventionen als Botschafter
übertragen wurden.
Auch in dieser
Funktion hatte er nach wie
vor die Aufgabe und das
Recht, Einspruch zu erheben
gegen eventuelle
Gesetzesvorschläge der
Saarregierung, die dazu
geeignet sein könnten, die
Autonomie des Saarlandes
oder dessen Wirtschafts- und
Zollunion mit Frankreich in
Frage zu stellen. (Siehe
hierzu auch unten im
Abschnitt B1.)
1954 verlagerte
Grandval seinen Amtssitz in
das neue, von dem
Architekten Pingusson
erbaute Botschaftsgebäude am
Saarufer (siehe Bild
rechts; später
Kultusministerium). Seinen
privaten Wohnsitz im Schloss
Halberg behielt er vorläufig
bei. Ob er 1955 noch für
kurze Zeit (er verließ
die Saar 1955,
siehe unten) mit
seiner Familie in die dafür
vorgesehene Wohnung im neuen
Botschaftsgebäude einzog,
ist ungewiss.
Rechts: Die
"Mission Diplomatique
Française en Sarre", von
1954 an Amtssitz Grandvals
in Saarbrücken, Hohenzollernstr.
60 (danach war darin
bis 2014 das Kultus-
ministerium untergebracht).
Foto:
Historisches Museum Saar.
Copyright:
Manfred Bauer, Sittensen;
das Foto
entstand um 1956.
Links: Grandval
und Johannes Hoffmann
(Landesarchiv Saarbrücken,
B 1121)
|
|
|
Am 25. Januar 1955
vereinbarten Herbert
Blankenhorn, deutscher
Botschafter in Paris und
enger Mitarbeiter Konrad
Adenauers, sowie Georges
Henri Soutou,
stellvertretender
französischer Kabinettschef,
Gilbert Grandval noch vor
Beginn der Drei-Monatsfrist vor
der Volksabstimmung aus dem
Saarland
abzuberufen. [16]
|
d)
Adieu à la Sarre - Abschied vom
Saarland (30.6.1955)
|
Und so wurde der
30. Juni 1955 zu Grandvals
Abschieds- tag von der Saar.
Bei einem Empfang, den die
Regierung des
Saarlandes ihm
zu Ehren gab, hielt er eine
bewegende Abschiedsansprache.
Darin bezeichnete er den
Auftrag, mit dem ihn die
französische Regierung im
Saarland betraut hatte, als
"eine der erhebendsten
Aufgaben, die heute einem
Franzosen gestellt werden
können." [17]
Er sagte, dass er
seiner "zehnjährigen
Mission" im Saarland auch
für sich persönlich eine
große Bedeutung beimesse. Er
nannte sie einen seiner
wichtigsten Lebensabschnitte
und versicherte, dass "...die
Erinnerung
an die Saar in meinem
Herzen niemals verblassen
oder untergehen wird."
[18]. Da er das Saarland
schon knapp vier Monate vor
der Volks- befragung verließ,
ging er bei seinem Abschied
noch davon aus, dass das
Saarstatut angenommen werde.
|
Oben: Dieses
Foto veröffentlichte die
Saarbrücker Zeitung am 25.
Juni 1955 zusammen mit dem
folgenden Bericht über den
vorletzten Besuch Gilbert
Grandvals im Saarland vor
seinem Aufbruch nach
Marokko.
|
e)
Grandvals Nachfolger im Saarland
(ab 2. 7. 1955)
Eric
(Charles Marie) de Carbonnel (1910 bis
1965) wurde am 5. Juli 1955 zu
Grandvals Nachfolger als Botschafter
Frankreichs im Saarland ernannt; am
20. Juli trat er dieses Amt an. Er
hatte schon von 1948 bis 1950 dem
französischen Hohen Kommissariat in
Saarbrücken
in leitender Stellung angehört. Karl
August Schleiden nannte ihn später
einen "Karrierediplomaten" [19]. De
Carbonnel hatte das Amt des
Botschafters bis zum 27. Oktober
1956 inne, gut zwei Monate vor der
politischen Angliederung der Saar an
die Bundesrepublik.
Während
man Grandval in der
Literatur häufig als unversöhnlich
und unnachgiebig
("intransigent") charakterisiert,
wird de Carbonnel als ziemlich
einsichtiger Mensch dargestellt.
|
______________________
Fußnoten zu Abschnitt
3):
Bundesministerien im aussenpolitischen
Ringen um die Saar 1949 bis 1955. Röhrig
Universitätsverlag, 2008. Seite 758, Anm.
74.
Die
Drei-Monatsfrist vor der
Volksabstimmung begann am 27.7.1955;
siehe Seite Volksbefragung
und Abstimmungskampf unter b).
[19] Vgl. Karl-August
Schleiden. Saarbrücken - so wie es war 2.
Düsseldorf, 1980. Seite 101.
4)
Grandval
nach seiner
Mission an der Saar
Weitere
Lebensstationen: Der SPIEGEL
meldete bereits im April 1954, dass
Grandval Generalresident (offizieller
Regierungsvertreter) im Protektorat
Französisch-Marokko werden sollte.
Der Sultan von Marokko habe sich
aber heftig dagegen gewehrt, weil
Grandval mosaischen (jüdischen)
Glaubens war. Daraufhin habe man den
Posten anderweitig besetzt [20].
Aber kurz nach seinem Weggang aus
dem Saarland wurde
Grandval
am 20. Juni 1955 schließlich doch
zum Résident
général au Maroc ernannt. Dieses Amt
gab er jedoch bereits nach 55 Tagen
wieder auf, weil er mit der Politik
der Regierung Edgar Faure nicht
übereinstimmte.
Über
seine Zeit in Marokko reflektierte
er auf 270 Seiten in der Monographie
Ma Mission au Maroc (siehe Bild). Darin beschrieb er die Regierungsentscheidungen (décisions
gouvernementales), mit denen
er sich dort konfrontiert sah [21].
Im
September 1958 wurde er zum Generalsekretär
der französischen Handelsmarine berufen. Als
Linksgaullist gehörte er 1959 zu den
Mitbegründern der Union
démocratique
du
Travail (UDT). Im April 1962
übernahm er das Amt eines Staatssekretärs
im
Außenhandelswesen, bevor er
kurz danach, nämlich im Mai 1962, in
der fünften französischen Republik
unter Präsident Charles de Gaulle
und Premierminister Georges Pompidou
französischer Arbeitsminister
wurde. Dieses Amt hatte er bis
Januar 1966 inne.
Ab
Juli 1966 übte er das
Amt des Präsidenten der Reederei Messageries
Maritimes aus, deren
Geschicke er
bis zum Beginn seines Ruhestands
im Jahre 1972 leitete.
Da
er auch danach nicht ohne politische
Betätigung sein wollte, ließ er sich
1971 zum Präsidenten der links-
gaullistischen
Partei "Union
travailliste" (UT) wählen.
Foto:
Grandval als französischer
Arbeitsminister 1965 (Landesarchiv
Saarbrücken)
_____________________________________
Fußnoten
zu Abschnitt 4):
[21] Vgl.
Grandval, Gilbert. Ma mission au
Maroc. Librairie Plon. Paris 1956.
|
5)
Tod, Vermächtnis,
Nachkommen
|
Gilbert
Grandval starb am 29.
November 1981 in Saint-Cloud (dép.
92 Hauts-de-Seine).
Eintrag
des Standesbeamten von St. Cloud am
1.12.1981:
Grandvals
Leichnam wurde auf dem Friedhof von
Saint-Cloud beigesetzt. Die Grabinschriften
lauten: "Famille Grandval" (vorne)
und "Gilbert Grandval,
Compagnon de la Libération 1904 -
1981" (auf
der Grabplatte). [Fotos unten: www.landrucimetieres.fr
mit freundlicher Genehmigung des
Webmasters Philippe Landru;
rechts: François Touret 2015].
|
|
|
Grandval
verfügte über ein umfangreiches Privatarchiv
(Archives
privées). Seine
Tochter Christine (siehe nächsten Absatz)
hat nach dem Tod ihres Vaters dem
Historischen Institut der Saar-Universität
eine große Anzahl von Kopien daraus
übergeben.
(Siehe
Literaturangaben ganz unten auf dieser
Seite unter Gilbert Grandval).
Hinweis: In Epinal
(Département Vosges, Frankreich) gibt es
eine Rue Gilbert Grandval.
Grandvals
Nachkommen
Wie
bereits erwähnt, hatte Gilbert aus
erster Ehe einen Sohn (Bertrand).
Aus seiner zweiten Ehe gingen zwei
Kinder hervor: Tochter Christine
und ihr etwa ein Jahr jüngerer
Bruder Gérard. Nachdem
Gilbert 1947 den Nachnamen Grandval
angenommen hatte, übernahmen auch
seine Frau und seine drei Kinder ihn
als Familiennamen.
Christine und Gérard besuchten ab
1949/50 das Lycée
Maréchal Ney in
Saarbrücken.
[22]
Bertrand
Grandval (geboren 1928) war
mit einer gewissen Sheila Morrisson
verheiratet. Aufgrund ihres von dem
Couturier Jacques Heim geschaffenen
Brautkleides gelangte das Paar
einmal in die Schlagzeilen der
französischen Presse [23]. Bertrand
starb 1992. Er hat einen
interessanten Zeitzeugenbericht (in
französischer Sprache) über die
Arbeit seines Vaters im Saarland
geschrieben, der 1995 veröffentlicht
wurde. [24]
Christine
Grandval wurde
am 28. Januar 1944 in Neuilly sur
Seine geboren. Sie lebte
zuletzt in Saint-Rémy-l'Honoré (Département
Yvelines), starb am 24.9.2013 und wurde im
Familiengrab in St. Cloud beigesetzt
(siehe Fotos weiter oben).
Grandvals
jüngster Sohn Gérard Grandval (siehe
Bild rechts) kam 1945 zur
Welt. Über sein Leben ist uns außer
seiner Schulzeit im Saarbrücker
Lycée Maréchal Ney bisher nichts
bekannt. (Er ist nicht identisch
mit dem renommierten Architekten
gleichen Namens, der in den 70ern
die "Choux de Créteil" gebaut hat.) Er
starb 1985 und wurde ebenfalls im
Familiengrab in St. Cloud beerdigt.
[25]
Yvonne
Grandval geb. Schwenter
(*1908) starb 1983. Sie liegt
zusammen mit ihrem Ehemann Gilbert,
ihren Eltern und den drei Kindern
Bertrand (sowie dessen Ehefrau
Sheila), Christine und Gérard im
Familiengrab Grandval in St. Cloud.
___________________________________
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Das
Foto zeigt Gérard Grandval mit
seinem Vater am 25. April 1949 beim
Pferderennen auf den Güdinger
Wiesen.
(Bild:
Verlag die Mitte; Historisches
Museum Saarbrücken)
|
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6)
Grandval
und die Religion
Im
Saarstaat herrschte eine innige
Verknüpfung zwischen Politik
und Religion, wie sie im
laizistischen
Frankreich niemals möglich gewesen
wäre.
Man
denke nur an die saarländischen
Konfessionsschulen oder an die
Saar-Flagge, in der die
französischen Farben Blau-Weiß-Rot
nicht einfach als Streifen
eingesetzt sind. Stattdessen werden
hier blaue und rote Felder durch ein
weißes Kreuz voneinander getrennt (siehe
auf unserer Seite Name,
Wappen, Flaggen, Hymnen).
Der
aus einer jüdischen Familie
stammende Gilbert Grandval ist
irgendwann in seinem Leben zum
katholischen Glauben übergetreten. Anne
Gemeinhardt schreibt dazu in ihrem
Beitrag "Der Wiederaufbau jüdischen
Lebens im Saarland 1945-1955":
"Grandval konvertierte,
wahrscheinlich während
des Krieges, zum Katholizismus;
dennoch war er, sei es als
Militärgouverneur, als Hoher
Kommissar oder als Botschafter
Frankreichs für die Mitglieder der
Synagogengemeinde wichtiger
Ansprechpartner in allen offiziellen
Belangen." [1].
Ein eindeutiger
Hinweis für den Glaubensübertritt
Grandvals ist auch die Tatsache,
dass auf seinem Grabstein ein Kreuz
zu sehen ist (siehe Foto oben,
im Abschnitt 5). [2]
|
|
Auch
folgende Begebenheit zeigt, dass er der
katholischen Kirche nahe stand. Er schenkte im
Jahr 1950 dem aus Püttlingen
stammenden Kardinal Josef
Clemens Maurer kurz nach
dessen Weihe zum
Titularbischof
von Cea und Weihbischof von La Paz
(Bolivien) die links abgebildete
prachtvolle Mitra (Bischofsmütze).
Mit der Herstellung hatte Grandval
die Saarbrücker Kunstgewerblerin Ella
Brösch beauftragt.
Die
Mitra trug das bischöfliche Wappen
des Kardinals (siehe Bild
rechts). Mitra, Bischofsstab,
Brustkreuz und Bischofsring überließ
Kardinal Maurer kurz vor seinem Tode
(1990) der Stadt Püttlingen.
Die
Inschrift des Wappens lautet:
Dominus aedifiactio mea - Der
Herr ist meine Erbauung.
Fotos: Stadt Püttlingen
|
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7)
Grandvals
deutsche Sprachkenntnisse
Kurz
nach seinem Amtsantritt im Saarland hatte
Grandval geäußert, dass seine Kenntnisse der
deutschen Sprache "rudimentär" seien. [25]
Franz Schlehofer bestätigte in einem
Interview von 2002, dass Grandval auch im
Saarland fast nur Französisch
gesprochen
habe. Dies empfanden manche
Saarländer als Affront Grandvals, weil sie
dachten, er wolle dadurch seiner Abneigung
gegen alles Deutsche Ausdruck verleihen.
Höchstens
gelegentlich
soll er ein paar deutsche Sätze von sich
gegeben haben [26].
Weil
die Saarländer von der Antipathie Grandvals
gegen den Gebrauch der deutschen Sprache
wussten, stellten sie sich manchmal auch
gerne darauf ein. Hier ein Bericht des
Zeitzeugen Arnold Imig, Jahrgang 1938,
übermittelt von Ulrich Meisser, Dillingen,
im Februar 2011:
Grandval
in Wallerfangen (damals "Vaudrevange") auf einer
Weihnachtsfeier 1946
An
einem späten Nachmittag im Advent des Jahres 1946 wurden die
Schulkinder der Volksschule in Wallerfangen, das damals offiziell
in Vaudrevange umbenannt worden war, zu einer vorweihnachtlichen Feier
ins "Münchner Kind’l" in der Hauptstraße befohlen. Dieses lag schräg
gegenüber der heutigen Filiale der Kreissparkasse. Durch den Hausgang
gelangte man über den Hof und eine Treppe nach oben in den Saal. Der
Saal war unbeheizt. Einer der älteren Schüler, etwa dreizehn Jahre alt,
gab die Parole aus: „Wenn der Grandval kommt, sagen wir 'Bonjour,
Monsieur!'“ Der Militärgouverneur erschien zwar in Begleitung mehrerer
Herren, aber es blieb bei der verabredeten, im Chor geschmetterten
Begrüßung: „Bonjour Monsieur!“, worauf dieser dankte: „Bonjour mes
enfants!“ Die Begrüßung des Repräsentanten Frankreichs durch die
Schüler war keineswegs von oben angeordnet, sondern deren spontaner
Einfall, allerdings ganz im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams, der
die Absichten der Veranstaltung, die ‚pénétration pacifique’, durchaus
richtig interpretierte.
Der
Musiklehrer Alfons Sibille hatte
französisches Liedgut einstudiert.
Zunächst die 'Hymne an die Nacht' nach
Jean-Philippe Rameaus
Melodie, mit einem der verschiedenen
Texte, die dieser Melodie unterlegt
worden
sind. Ich kann noch heute den Text ‚par
cœur’: „O
nuit, qu’il est profond ton silence“.
Später folgte dann, es ging ja auf
Weihnachten zu, „Mon beau sapin, roi des
forêts" (Oh Tannenbaum). An die Reden
erinnere ich mich nicht mehr, zumal diejenige
des Délégué Supérieur, wie immer, auf
Französisch gehalten war. Zum Abschluss
gab es für
jedes Kind ein sofort verzehrbares
kleines Geschenk, damals etwas besonders
Wertvolles.
_____________________________________
Fußnoten
zu Abschnitt 7):
[25]
Siehe: Schneider, Dieter
Marc. Gilbert Grandval. Frankreichs
Prokonsul an der Saar. In: Martens,
Stefan, (Hrsg.). Vom "Erbfeind" zum
"Erneuerer".
Aspekte und Motive der französischen
Deutschlandpolitik nach dem Zweiten
Weltkrieg. Sigmaringen 1993. S. 201-243.
[26]
Vgl. Küppers, Heinrich: Johannes Hoffmann
(1890-1967). Biographie eines Deutschen.
Düsseldorf 2008, S. 476, Anm. 554.
Hinweis:
Sämtliche
auf dieser Seite wiedergegebenen
Urkunden-Auszüge von der Geburt bis zum
Tod Grandvals befinden sich auf einem
Blatt des Geburtsregisters der Stadt
Paris, in welches sie im Zeitraum von
1904 bis 1981 nach und nach eingetragen
wurden.
Weitere
Literaturangaben und Links zu Grandval
finden Sie ganz unten.
B) Aus
der Arbeit Grandvals
im Saarland
1)
Liste der Befugnisse und Aufgaben Grandvals
als Haut Commissaire
Der Hohe
Kommissar Frankreichs für das
Saarland unterstand dem Pariser
Außenministerium. Seine Hauptaufgabe war es,
auf die strikte Einhaltung der Richtlinien
zu achten, die in der saarländischen Verfassung,
besonders in ihrer Präambel, in Bezug auf
die Zollunion und die wirtschaftliche
Verknüpfung der Saar mit Frankreich
festgelegt waren. So oblagen ihm zum
Beispiel jegliche Anordnung oder Genehmigung
von Angleichungsmaßnahmen bei der
Währungsumstellung im Dezember 1947
(Einführung des französischen Franken).
Im
Einzelnen waren ihm Ende 1947 folgende
Befugnisse übertragen worden: [1]
|
1) Der Hohe Kommissar
gewährleistet die Verkündung und
Anwendung derjenigen französischen
gesetzgeberischen Maßnahmen, die auf
die Saar
anwendbar sind;
2) der Hohe Kommissar
trifft auf dem Verordnungswege die
mit der
französisch-saarländischen Zollunion
und dem wirtschaftlichen Anschluß
zusammenhängenden Maßnahmen;
3) Gesetze und Verordnungen der
saarländischen Regierung können erst
nach Genehmigung durch den Hohen
Kommissar verkündet und in Kraft
gesetzt werden; [2]
4) der Hohe Kommissar ernennt die
höheren saarländischen Beamten und
entscheidet in allen
Einbürgerungsfragen;
5) der Hohe Kommissar hat das Recht,
in den saarländischen Haushaltsplan
diejenigen Summen einsetzen zu
lassen, die für die Durchführung des
wirtschaftlichen Anschlusses und für
die Aufrechterhaltung einer
ordnungsgemäßen Abwicklung der
öffentlichen Dienste erforderlich
sind;
6)
der Hohe Kommissar ist berechtigt,
alle Schritte zu unternehmen, die
geeignet sind, die öffentliche
Ordnung angesichts einer eventuell
eintretenden Bedrohung der in der
Präambel der saarländischen
Verfassung enthaltenen Grundsätze zu
garantieren.
|
Außerdem
verfügte der Hohe Kommissar über folgende
Vollmachten: Ihm unterstanden sämtliche
französischen Zivilbehörden im Saarland. In
Dienstangelegenheiten übte er die
Strafgewalt gegenüber den französischen
Beamten aus, die in der saarländischen
Verwaltung eingesetzt waren. Er verfügte
auch über die im
Saarland stationierten Streitkräfte und
benutzte sie gemäß dem französischen Gesetz.
Im
Februar und März 1950 trat Ministerpräsident
Johannes Hoffmann in Paris in Verhandlungen
mit dem französischen Außenminister Robert
Schuman über die Regelung des Verhältnisses
Frankreich - Saarland ein, die zur
Unterzeichnung der Saarkonventionen
führten. Dabei erreichte er dank seiner
Standhaftigkeit und wohl auch aufgrund
der
Erstarkung der kurz zuvor (am 23.5.1949)
gegründeten Bundesrepublik einige
Verbesserungen für sein Land. So wurde zum
Beispiel das anfangs uneingeschränkte
Vetorecht Grandvals auf diejenigen Bereiche
beschränkt, die den wirtschaftlichen
Anschluss und die militärische Sicherheit
betrafen. Durch die Unterzeichnung neuer
Saarkonventionen am 20. Mai 1953 entfiel das
Vetorecht der Franzosen vollständig. [3]
____________________________
Fußnoten:
[1]
Erlass Nr. 47-2436 vom 31.12.1947 über die
Befugnisse des Hohen Kommissars der
Französischen Republik im Saarland.
Veröffentlicht im Amtsblatt des Saarlandes
Nr. 4 vom 26.1.1948, Seiten 78 und 79. Hier
in einer Kurzfassung wiedergegeben, die bei
Jacques Freymond, Die Saar 1945 - 1955
(Oldenbourg Verlag München 1961) auf S. 374
abgedruckt ist.
Die Originaltexte in Französisch und Deutsch
sind in dem oben genannten Amtsblatterlass
nachzulesen. Im Erlass Nr. 47-2447, der in
dem genannten Amtsblatt auf S. 79 - 81
abgedruckt ist, werden verschiedene
Vollmachten des Hohen Kommissars im Saarland
aufgeführt und Richtlinien zum Aufbau der
französischen Behörden im Saarland
festgelegt.
[2]
Von diesem Recht soll er während seiner
Amtszeit aber nur fünfmal Gebrauch gemacht
haben. Siehe Jacques Freymond. Die Saar 1945
- 1955. Oldenbourg Verlag München 1961, S.
375.
[3]
Siehe Karl August Schleiden. Vom
Waffenstillstand 1945 über Autonomie zum
Bundesland. In: Dieter Staerk, Hg. Das
Saarlandbuch. 5. neu bearbeitete Auflage.
Saarbrücken 1990. S. 236 - 238.
2) Grandval
war immer dabei!
|
Auf
zahlreichen zeitgenössischen Fotos
von offiziellen Veranstaltungen
sieht man Grandval im Beisein
saarländischer Regierungs- Mitglieder.
Auf diesen beiden Bildern
zum Beispiel am Ostausgang des
Saarbrücker Hauptbahnhofs, wo im
Jahr 1949 ein französischer
Staatsgast empfangen wird.
An
den Außenmauern des Bahnhofs-
gebäudes
wehen die Flaggen der beiden Länder.
Angehörige des Saarbataillons stehen
Spalier und präsentieren das Gewehr.
|
|
Zum
offiziellen Begrüßungskomitee
gehören außer Gilbert Grandval
Wirtschaftsminister Franz Maria
Singer, der damals zugleich
auch Bürgermeister von Saarbrücken
war, und der spätere Innenminister Edgar
Hector (hier direkt links
hinter Grandval zu sehen).
Daneben
steht eine Limousine der
saarländischen Polizei; es war ein Citroën
Traction
Avant 11 BL.
|
Hier
schreitet Grandval (Mitte) auf dem
festlich beflaggten Großen Markt in
Saarlouis neben
Ministerpräsident Johannes Hoffmann
und einigen französischen
Militärangehörigen zu einem
festlichen Ereignis (wahrscheinlich
waren es Feierlichkeiten zum 14.
Juli gegen Ende der 40er-Jahre). Im
Hintergrund sieht man die Kirche St.
Ludwig.
Diese
drei Fotos:
Landesarchiv
Saarbrücken
|
|
Anmerkung
von Ulrich Meisser zu diesem
Bild: Grandval trägt hier die
Uniform eines
Départements-Präfekten, obwohl
das Saarland damals rechtlich
nicht etwa ein französisches
Département war (ein solches war
es nur von 1798 bis 1815). Die
Schaffung dieser Uniform war in
Frankreich von de Gaulle in
Auftrag gegeben worden, um am 1.
August 1945 die alte
Präfekten-Uniform mit Zweispitz
und Degen abzulösen. Ihre
wesentlichen Bestandteile, auf
dem Bild alle deutlich
zu erkennen, sind der Zweireiher
mit goldbestickten, abnehmbaren
Epauletten,
goldenen Stickereien von
Lorbeer- und Eichenlaub an den
Ärmelaufschlägen, Hosen
mit Seidenstreifen sowie die
beim französischen Militär (das
bis in die
höchsten Generalsränge das Képi
trägt) unübliche goldbestickte
Schirmmütze. Diese
damals sehr moderne Uniform ist
ob ihrer Eleganz bis heute mit
minimalen
Änderungen die Kleidung der
französischen
Départements-Präfekten
geblieben.
|
|
Grandval
sitzt auf dem rechten Rücksitz eines
offenen Mercedes 230 (er
ist links im Bild zu sehen) am 1.
September 1949, als die Stadtwerdung
von Dillingen gefeiert wurde. Ulrich
Meisser war
als (damals noch sehr junger!) Zeitzeuge dabei; er
berichtet:
Der Wagen
kommt hier aus Richtung Saardom, wo
von 9 bis 10 Uhr der
Haupt-Festgottesdienst stattgefunden
hat. Dabei und bei dem eigentlichen
(weltlichen) Festakt ab 10.45 Uhr im
Saale Zech (Saarlouiser Straße)
waren Johannes Hoffmann und Gilbert
Grandval anwesend.
Das
Fahrzeug gehörte der französischen
Militärverwaltung und war vermutlich
einer von Grandvals Dienstwagen; es
trug eine Kokarde an der
Frontscheibe und natürlich die
Trikolore am linken vorderen
Kotflügel, außerdem zwei
klitzekleine Lothringerkreuze, die
von den beiden Haupt-Scheinwerfern aus auf dünnen
Stielen nach oben ragten.
|
Zu
dem Wagen bemerkt Karl Presser:
Cabrios
waren vormals bevorzugte Fahrzeuge
der Machthaber im Dritten Reich
gewesen. Ein Mercedes Cabrio schien
auch unserem Haut Commissaire zu
gefallen, besonders bei schönem
Wetter. Das Fahrzeug trägt das
Kennzeichen 15543 HCS.
"Beutefahrzeuge" und Wagen, die
von den Amerikanern kamen, wurden
damals von den Franzosen einfach
durchnummeriert. Die Ergänzung "HCS"
im Kennzeichen könnte für "Haut
Commissaire de la Sarre"
gestanden haben (auch französische
Kolonialkennzeichen hatten
zu jener Zeit Ergänzungen mit drei Buchstaben).
(Das
Bild hat uns Ulrich Meisser zur
Verfügung gestellt.)
|
Hinweis: In Epinal
(Département Vosges, Frankreich) gibt es
noch heute eine Rue Gilbert Grandval.
C) Madame
Yvonne
Grandval
(1908 - 1983)
Im Januar 1927 heiratete Gilbert
Hirsch-Ollendorff Yvonne Schwenter
in zweiter Ehe (siehe oben im Abschnitt
A 1). Über ihre Herkunft ist nicht
viel bekannt, außer dass sie die Tochter
eines Pariser Hoteliers war. Ihre Eltern
werden in dem auf Tatsachen beruhenden Buch
von Mrs. Robert Henrey "The Return to the
Farm" (London,
1947) erwähnt. Yvonnes Mutter sagt dort von
sich, dass sie völlig in ihren kleinen
Enkelsohn vernarrt sei (es muss sich dabei
um Sohn Bertrand der Grandvals gehandelt
haben), und verweist auf einen Kinderwagen,
der bei ihr im Flur stehe. Wörtlich fährt
sie fort: "My daughter is married to Colonel
Granval (sic!) who, with Pierre
Brossolette, was one of the most romantic
figures in the maquis." ("Meine
Tochter
ist mit Oberst G. verheiratet, der
zusammen mit P.B. eine der romantischsten
Figuren im Maquis war.") Der "Maquis"
(wörtlich: 'Busch') war in der französischen Résistance ein
Ausdruck für jene Gegend Frankreichs, die
nicht unter der Kontrolle der Nazis oder
ihrer Kollaborateure stand. Pierre Brossolette
alias Lavoisier soll zur Zeit der Résistance
ein guter Bekannter
Grandvals gewesen sein.
Während
ihrer Zeit im Saarland soll Madame Grandval
nach Zeitzeugenberichten in der "Residenz"
ihres Gemahls im Schloss Halberg "das Sagen"
gehabt haben, besonders was die Ausstattung
der Räume anging.
So mussten z. B.
Mitarbeiter vom Textilhaus Weinhold die
Vorhänge und Gardinen genau nach ihren
Anweisungen nähen und anbringen.
Häufig
begleitete Mme Grandval ihren Gemahl zu
offiziellen Anlässen im ganzen Land. Die
nachfolgenden Fotos zeigen einige Beispiele
dafür. - Yvonne
Grandval geb. Schwenter starb 1983.
Am
15. Juli 1950
übernahm
sie die symbolisch wichtige Aufgabe, in
Neunkirchen als Ehefrau des Hohen Kommissars
den ersten Hochofen des Eisenwerks wieder in Betrieb zu
setzen. Im Bild rechts hat sie neben JoHo
Platz genommen, und dessen Frau Frieda sitzt
neben Grandval (sechster von links).
(Fotos:
Landesarchiv Saarbrücken, Presse
Foto-Actuelle; Saarstaat)
|
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Oben:
Madame Grandval beim
Wiederanstich des Neunkircher
Eisenwerks
Rechts:
Mme et M. Grandval auf dem Großen
Markt in Saarlouis anlässlich
der Feiern
zum Französischen Nationalfeiertag
im Saarland am 14.Juli 1954.
|
|
|
Hinweis:
Der 14.Juli
war von 1947 bis 1949 auch im
Saarland gesetzlicher Feiertag.
(Siehe dazu Seite Saargeschichte,
Abschnitt "Das Jahr 1947")
---------------------
Links:
Die Ehepaare Hoffmann und Grandval
beim "Ball der Saar" der
Vereinigung Saarländischer
Studenten im Hotel Continental in
Paris am 30. April 1954.
(Foto:
Heimatverein Düppenweiler,
JoHo-Alben)
Das
Bild unten entstand bei einem
Konzert in den Räumen der
Französischen Botschaft am
Saarufer, später
Kultusministerium.
Neben
und hinter Madame Grandval (in der
ersten Reihe links) sitzen die
Saar-Minister Richard Kirn und Dr.
Singer.
(Fotos:
Landesarchiv Saarbrücken)
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