Bereits
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren auf dem Gebiet des
späteren Saarlandes lokale Konsumvereine entstanden. So zum Beispiel
1868 in Von der Heydt, 1880 inSaarbrücken und 1890 in St.Ingbert. 1921
wurde der Saarbrücker Eisenbahn-Consum-Vereinumbenannt in „Allgemeine Saarkonsum GmbH“ kurz „ASKO“.
Nach 1933 wurden alle Konsumvereine und Konsumgenossenschaften
einschließlich ihrer Zentralorganisationen der „Deutschen Arbeitsfront“
(DAF)
unterstellt. 1941 wurden ihre Vermögen eingezogen und alle
Organisationen
aufgelöst. Der wesentliche Unterschied für die Mitglieder von Vereinen
und
Genossenschaften bestand darin, dass sie als Genossenschaftler nicht
nur mitentscheiden konnten, sondern auch mithafteten, während
Vereinsmitglieder keine Mithaftung übernahmen.
Die
Haftung der Mitglieder einer Genossenschaft ist üblicherweise per
Satzung auf ihr jeweiliges Geschäftsguthaben begrenzt. Da mit wirksamer
Gründung einer Genossenschaft deren Satzung vorgelegt und ein Eintrag
ins Genossenschaftsregister erfolgen muss, lautet die korrekte
Bezeichnung eines solchen Unternehmens "eingetragene Genossenschaft mit
beschränkter
Haftung", abgekürzt e.G.m.b.H. Die Genossen werden ebenfalls per
Registereintrag erfasst, wie die nachstehend abgebildeten Dokumente
zeigen.
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Das Zentrallager des ASKO in Neunkirchen-Heinitz
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Nach
Kriegsende konnte man die genossenschaftliche Idee wieder aufgreifen
und begann mit Neugründungen. Zwei der neuen Unternehmen übernahmen den
altbekannten Namen
ASKO: die Konsumgenossenschaften Saarbrücken und Neunkirchen-Heinitz. Sie blieben zunächst voneinander unabhängig. Der folgende Beitrag bezieht sich auf die weitaus größere ASKO Saarbrücken. Sie war im ganzen westlichen
Saarland aktiv. Ihre Neugründung erfolgte
am 8. August 1946. Bereits ab 1. Mai 1945 waren jedoch 37 ehemalige Läden unter
Zwangsverwaltung von ehemaligen und neuen Mitarbeitern bewirtschaftet worden.
Das
vorhandene Restvermögen war juristisch noch Eigentum deruntergegangenen
nationalsozialistischen DAF (Deutsche Arbeitsfront). Bereits
1945 gelang es, mit einer Bäckerei und einer Teigwarenfabrik die
Produktion
aufzunehmen. Nach 1946 wurden weitere ehemalige kleinere
Konsumgenossenschaften
aufgenommen. 1947 zählte man bereits 120 Verkaufsstellen, die
Mitgliederzahl
war auf 17.700 angestiegen.
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Das Bild entstand etwa 1955 im ASKO Herchenbacher Straße, Walpershofen. (Riegelsberger Ortschronik, 1993. Selbstverlag Gemeinde Riegelsberg. S.119)
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Ziele der Genossenschaft
waren:
1) Die gemeinschaftliche
Beschaffung von Verbrauchsgütern im Großen und Abgabe im Kleinen gegen
Barzahlung.
2) Die Errichtung und der Betrieb von Produktionsstätten zur Herstellung von Artikeln für den täglichen
Bedarf der Bevölkerung.
3) Die Durchführung sonstiger Maßnahmen, die im Interesse der Genossenschaft und ihrer Mitglieder lagen.
Diese Ziele deckten sich mit elementaren Bedürfnissen der Bevölkerung und entsprachen dem Geist der
Zeit: Die Förderung des Genossenschaftswesens war ausdrücklich in die saarländische
Verfassung von 1947 (Artikel 54) aufgenommen worden.
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Als
1952 die Zwangsverwaltung der Genossenschaften im Saarland aufgehoben
wurde, ging vorhandenes Vermögen an diese über. Die genossenschaftliche
Denkweise war in den Köpfen des Vorstands des Saarbrücker ASKO so tief
verwurzelt, dass man basisdemokratischen Forderungen gerne nachgab.
Dazu
gehörte ein möglichst enges Verkaufsstellennetz, unabhängig von
wirtschaftlichen Erwägungen. Alleine im Stadtgebiet von Völklingen
zählte man z.B. 1955 nicht weniger als elf Läden. Die Verkaufsstellen
sollten sich jedoch grundsätzlich selbst tragen. Diese Struktur war
logistisch aufwändig, musste doch zu ihrer
Versorgung ein umfangreicher Fuhrpark vorgehalten werden (siehe Foto weiter unten).
Die Tatsache, dass die Verkaufsstellen schon mit einer Kühlanlage
ausgestattet waren, war ASKO manchmal sogar eine Erwähnung in
Zeitungsannoncen wert (wie der Anzeigentext in der Abbildung unten zeigt).
Das
genossenschaftliche
Grundprinzip “ein Genossenschaftler, eine Stimme“ erschwerte bei mehr
als 17.000 Mitgliedern schnelle Entscheidungen. Daher stellte man auf
der Generalversammlung
1950 auf ein Delegiertensystem um. Pro Verkaufsstelle konnte nun ein
Delegierter für drei Jahre gewählt werden. Damit war der
ASKO-Funktionär
geboren, und die Organe der Genossenschaft waren fortan Aufsichtsrat,
Vorstand
und Vertreterversammlung.
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Typisch für ASKO war
gemäß dem oben unter 2) genannten Ziel
ein hoher Anteil von Eigenmarken. Dieser betrug etwa 30%, während sich die
Wettbewerber EDEKA und Gottlieb bei 10% bewegten. Die Verbraucher wurden
allerdings nicht in allen Fällen mit den Eigenmarken glücklich und kauften die
gewünschten Markenprodukte bei den Wettbewerbern.
Die Anzahl der Artikel im
gesamten Sortiment stieg in den 50er Jahren von etwa 600 auf 1000. Ende 1955
waren fast 57 000 Mitglieder bei ASKO eingeschrieben. In über 150 Verkaufsstellen
und in der Saarbrücker Zentrale waren für sie mehr als 1700 Mitarbeiter tätig.
Der Umsatz von 1955 betrug 7.450 Millionen
Francs (ca. 63 Mio. D-Mark zum TAG
X-Kurs [100 Frs = 0,85 DM]).
ASKO schätzte den Anteil der beiden Genossenschaften in
Saarbrücken und Neunkirchen am Gesamtumsatz des saarländischen Lebensmitteleinzelhandels auf mehr als 20%
ein. Dies war, im Vergleich zu bundesrepublikanischen Konsumgenossenschaften, wahrlich ein Traumwert.
Das Foto zeigt einen Citroën-LKW mit OE3-Kennzeichen (dieses ist auf einer anderen Aufnahme desselben Fahrzeugs zu sehen. Foto: Armin Flackus, Ottwlr)
Attraktiv war für die Kunden die jährliche
Rückvergütung bei ASKO. Abhängig vom Geschäftsergebnis
wurde dem Mitglied ein prozentualer Anteil seines Einkaufsvolumens erstattet.
So wurden im Jahr 1952 z.B. 7% der Einkaufssumme zurückgezahlt. Dieses Geld
wurde als “die geheime Sparkasse“ der Hausfrau bezeichnet, die fleißig bei ASKO
kaufte. Mit dieser Formulierung wurde sogar geworben. Die Rückvergütung war
nicht abhängig von der Höhe des
jeweiligen Genossenschaftsanteils. Diesen konnte man mit einem wahlweise nicht ausgezahlten Teil der
Rückvergütung sogar erhöhen. Die Anzahl der von jedem
einzelnen Mitglied maximal erwerbbaren Anteile war jedoch auf zehn
begrenzt. Der Wert eines Anteils betrug 6.000 Francs; diesen Betrag
musste jedes Mitglied mindestens aufbringen.
Ein enormer Kostenvorteil
für ASKO war die Tatsache, dass diese
Genossenschaft wie
ein Großhändler direkt von Herstellern beliefert wurde und auch selbst als Erzeuger aktiv war. Im Adressbuch der Stadt
Saarbrücken firmierte man unter der Rubrik “Großhandel“ als Konsumgenossenschaft mit der
Adresse Cartesiusstr. 5-7.
Die Eröffnung der ersten
Selbstbedienungsläden durch Gottlieb und EDEKA erforderte Reaktionen und
Investitionen bei ASKO. Nicht nur finanzielle, sondern auch ideologische
Barrieren hinderten den Vorstand vorläufig daran, Verkaufsstellen auf Selbstbedienung
umzubauen. Um den befürchteten ansteigenden
Ladendiebstählen aus dem Weg zu gehen, erfand man als Ausweg den
“Tempoladen“. Der Kunde orderte seinen Bedarf wie bisher an der Theke, und ein
Verkäufer legte die Ware in einen Korb. Bezahlt wurde an einer zentralen Kasse.
Das brachte zwar den Kunden einen kleinen Zeitvorteil, konnte aber zweifellos
nur eine Übergangslösung auf dem Weg zur Selbstbedienung sein.
Das Bild oben wurde Mitte der 50er-Jahre im ASKO Herchenbacher Straße in Walpershofen aufgenommen.
(Aus: Riegelsberger Ortschronik, 1993. Selbstverlag Gemeinde Riegelsberg. S.119)
Zwischenzeitlich
war der übrige Einzelhandel erfolgreich politisch aktiv geworden. Die
Rückvergütungen bei ASKO waren ihm ein Dorn im Auge.
Am 13. Juli 1955 wurde ein saarländisches Rabattgesetz verabschiedet.
Demnach sollte ab Januar 1956 derjenige Betrag der Rückvergütung, der
4% des Warenwertes überstieg, mit der vollen
Ertragssteuer (Steuer auf den Gewinn) belastet werden. Im Gegenzug
wurde das
für Konsumgenossenschaften geltende Verkaufsverbot an Nichtmitglieder
aufgehoben. Verstöße hiergegen waren
allerdings auch bisher schon praktisch kaum verfolgt worden.
Abbildg. rechts: Eintrag in die Liste der ASKO-Genossen
Als Konsequenz war bei ASKO spätestens jetzt ein Umdenken unvermeidlich. Es wurde sofort auf mehr
Werbung und auf attraktivere
Preise gesetzt. Selbstbedienung wurde nicht länger verteufelt. Da die
Mitglieder nach wie vor als Miteigentümer im Falle einer Pleite haftbar
gemacht werden
konnten, ging aufgrund des gesunkenen Anreizes durch die Rückvergütung
die Zahl der Neumitglieder erheblich zurück. Dies wirkte sich natürlich
ungünstig auf das Eigenkapital aus, das für
notwendige Modernisierungen gebraucht wurde.
Ab
1960 begann man flächendeckend mit der Einrichtung von neuen
Selbstbedienungsläden und schlossim Gegenzug kleine Verkaufsstellen.
Betriebswirtschaftliches Denken hatte sich
unumkehrbar durchgesetzt. Außerdem sollte 12 Monate nach dem Tag X
Niederlassungsfreiheit für bundesdeutsche Filialunternehmen herrschen,
wodurch
der Wettbewerb, so fürchtete man zu Recht, weiter verschärft würde.
Mitte der 60er Jahre
hatten die verbliebenen Traditionalisten im Aufsichtsrat endgültig verloren. Es
galten nunmehr bei ASKO in jeder Hinsicht die gleichen betriebswirtschaftlichen
Gesichtspunkte wie bei den Wettbewerbern. Als Konsequenz wandelte man ASKO im Jahr 1972 in eine Aktiengesellschaft um.
Der damit mögliche Zugang
zu den Kapitalmärkten führte zu einem Expansionsschub über die Grenzen des
Saarlandes hinaus, zuerst in Richtung Rheinland-Pfalz. 1982 verließ ASKO nach zehn Jahren den co
op-Verbund und diversifizierte und expandierte zu einem verschachtelten
Konzern. Eine zentrale Rolle spielte die “ASKO Deutsche Kaufhaus AG“. Zum
Konglomerat gehörten u.a. die “Basar“-Warenhäuser, die “Praktiker“-Baumärkte und
die Massa-Gruppe. Aus dem Segment Lebensmittel-Supermärkte hatte man sich
bereits Ende der 70er Jahre zurückgezogen.
1996 ging der
Firmenverbund mit seinen mehr als 350 Niederlassungen durch Verschmelzung auf die
Metro AG über.
Bild oben: Werbeblatt mit durchgestrichenen Franken- und neuen DM-Preisen (Foto: Gerd Schulthess, St. Ingbert)
Das
Dokument der ASKO-Konsumgenossenschaft oben rechts hat uns Ernst
Gilcher, Saarbrücken, zur Verfügung gestellt; die Anzeige hier oben
links ist aus der Volksstimme, Mai 1952: danke an Armin Flackus!
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Literatur:
Reichel, Clemens. Vom Eisenbahner Konsumverein zur AG. Die
Entwicklung des Allgemeinen Saar-Konsums (ASKO) nach dem zweiten Weltkrieg bis
1971. Reihe Denkart Europa Nr.3.
Schriftenreihe der ASKO-EUROPA-STIFTUNG, 2003
Der SPIEGEL, Nr.7 / 1988:
„Ganz ausgebufft“.
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