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1) Ernährung: Die Kleinen,
die Großen und die Genossen
Wie die Saarländer mit
Lebensmitteln versorgt wurden
(Text von Karl Presser)
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Nach der Einführung des
französischen Franken als Zahlungsmittel im November 1947 begann der Handel zu prosperieren. Die Versorgung der Bevölkerung basierte auf einem
mindestens dreistufigen System von Erzeugern, Großhändlern und Einzelhändlern.
Mit dem Ende der Lebensmittelmarken war das Prinzip der staatlichen Verteilung
ebenso vorbei wie zuvor die Direktversorgung beim Erzeuger durch das “Hamstern“.
Es blieben nach wie vor die Wochenmärkte, auf denen nicht nur Landwirte ihre
Erzeugnisse verkauften. Dort waren Händler aller Art mit ihren Ständen aktiv
und boten neben Lebensmitteln auch Kleidung, Haushaltsartikel und sonstigen
Bedarf des täglichen Lebens an.
Das System mit
selbstständigem Groß- und Einzelhandel war für alle Konsumartikel etabliert. Es
stellte die Logistik bereit, die zum Transport der Waren vom Erzeuger zum
Verbraucher erforderlich war.
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Dies galt ebenso für die Eingangsprodukte handwerklicher Versorgung wie Mehl und
Fleisch für Bäcker und Metzger. Saarlandweit aktiv waren z.B. die
Lebensmittel-Großhandlungen Obenauer und Wildberger (s. Bild rechts) aus Saarbrücken. Die geliebte Lyoner (siehe im Bild oben rechts vor der Waage; viele Saarländer sagen "der" Lyoner) wurde nicht nur handwerklich von Metzgern, sondern auch in Fleisch- und Wurstfabriken wie Höll, Schwamm oder Schröder hergestellt und in deren Filialen angeboten.
(Foto: LA Saarbrücken, Presse-PhotoActuelle)
Der Verkauf an
Endverbraucher war überwiegend in der Hand der Einzelhandelskaufleute an der Ecke.
Familienbetriebe führten ihre Geschäfte in Vollzeit, was meist einen
12-stündigen Arbeitstag bedeutete. “Tante Emma“ als Nebenerwerbskaufmann war noch nicht weit verbreitet,
obgleich manche Kriegswitwe ein zuvor zusammen mit ihrem Mann betriebenes
Geschäft weiterzuführen versuchte. |
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Der Markt war zunächst
durch ein Amt für Preiskontrolle in Saarbrücken reglementiert, Gewinnstreben
war dadurch aber auf Dauer nicht auszuschalten. |
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Auf Seiten des Handels gewannen selbstständige Einzelhändler, die der EDEKA-Zentrale angeschlossen waren, sowie Filialbetriebe wie Gottlieb und ASKO zunehmend Marktanteile. Die Läden dieser Filialisten waren rechtlich und wirtschaftlich von ihrer jeweiligen Zentrale abhängig und an
deren Weisungen gebunden. Gottlieb und ASKO waren Einzelhandelsorganisationen,
denn sie verkauften direkt an Endverbraucher. Die EDEKA-Zentrale in Saarbrücken
war im Gegensatz dazu ein Großhandel, der ausschließlich die angeschlossenen
Einzelhändler belieferte.
Einige Konsumvereine oder -genossenschaften waren bereits zu Anfang des letzten Jahrhunderts gegründet worden, um die Arbeitnehmerschaft mit preisgünstigen Lebensmitteln zu versorgen.
Diesem Ziel standen
auch manche Arbeitgeber positiv gegenüber. Die “Konsums“ galten jedoch als
gewerkschafts- und SPD-nah. Nach 1933 wurden ihre Aktivitäten unterbunden. Ein Umdenken erfolgte unmittelbar nach Kriegsende. In Artikel 54 der saarländischen
Verfassung von 1947 wird ausdrücklich die Förderung der Genossenschaften
erwähnt.
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Die “Konsums“ gewährten jährliche Rückvergütungen an die
Mitglieder. Der Umfang der Einkäufe während des Jahres wurde erfasst und zu
einem kleinen Teil wieder ausgeschüttet. Je mehr ein Mitglied bei seiner
Genossenschaft kaufte, um so größer war seine Beteiligung an deren Überschuss. Dieses Prinzip wurde jedoch nicht konsequent durchgehalten. Einige
Konsumvereine waren von vorne herein nicht als Genossenschaften, sondern als
Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) eingetragen.
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Foto: oben: Hüttenkonsum, Schulstraße in Wehrden in den 20ern. (Aus "Völklingen und seine Stadtteile". Merzig 1993.)
Durch das System der Rückvergütung war beim Einkauf für den Verbraucher nicht klar zu erkennen, was
die Ware am Ende tatsächlich kosten würde. Das bundesdeutsche Rabattgesetz von
1957, dessen Einführung im Saarland erst ab 1958 erfolgte, führte letztlich zur Auflösung der Konsumvereine und zur späteren Umwandlung des
ASKO in eine Aktiengesellschaft. Der maximal zulässige Nachlass, einschließ- lich Rückvergütungen, war im Rabattgesetz auf
drei Prozent des Warenwertes begrenzt worden. Anreiz zur Kundentreue war damit statt der Mitgliedschaft im Konsumverein oder einer Genossenschaft jetzt für alle die
jeweilige Rabattmarke des Handels.
Eine weitere Sonderform
der Lebensmittelversorgung stellten im Saarland die “Kaffeeküchen“ der Gruben
dar. Ursprünglich als Kantinen gedacht, versorgten sie mit ihrer oft
ladenähnlichen Ausstattung und Infrastruktur auch die Bergleute und ihre
Familien.
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Letztlich setzte sich die Marktwirtschaft durch. Die Konsumvereine waren zu
klein und schlossen. Die Einkaufsgenossenschaft EDEKA wurde Aktiengesellschaft
und später Nummer Eins auf dem Lebensmittelmarkt. Gewerkschaftsnahe
Unternehmen litten unter latentem Kapitalmangel. Ihr schwindender
Marktanteil lag aber nicht nur an ihrem Vereins- oder Genossenschaftsprinzip
als alleiniger Ursache. ASKO kränkelte ebenfalls, wurde 1972 AG,
expandierte mit neuem Kapital kräftig und schloss sich dem co op-Verbund
ebenso an, wie auch die Frankfurter co op-AG. Diese ging Ende der 80er Jahre
wegen Überschuldung unter. ASKO blieb außen
vor, übernahm Reste der co op-AG und landete als "ASKO deutsche Kaufhaus AG"
später bei der Metro AG.
Ein Citroën-LKW des Konsums. ( Foto: Sammlung Armin Flackus, Ottweiler.)
(ASKO-Werbung oben: Sammlung Detlef Fecht, aus: Quierschieder Heimatbuch von 1953, Herausgeber: Gemeinde Quierschied.)
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Literaturhinweis: Stephan Peter. Neue Wirtschaftsdemokratie im Saarland? Saarbrücken 2011. Seite 13 - 16.
Auf unseren Seiten Gottlieb, EDEKA und ASKO finden Sie ausführliche Beschreibungen dieser drei Handelsorganisationen.
Diese Seite wurde begonnen am 2. Februar 2013, zuletzt bearbeitet am 18.10.2018.
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