Walter Barbian (1919 - 2005)
Ein
Bericht nach Notizen seines Sohnes Frank Barbian, Paris
mit Fotos von Walter Barbian
(siehe Bild rechts) als Beispiele für sein Werk.
Walter
Barbian wurde 1919 geboren. Die Fotografie war sein
Leben, seine Berufung und sein Beruf. Schon in den ersten
Tagen des 2. Weltkrieges gelingt es ihm, seine
Leidenschaft zu verfolgen, die in seiner Jugendzeit
mit selbst gebauten Lochkameras
und Kontaktabzügen unter Sonnenlicht begonnen hatte,
wie in den ersten Tagen der Fotografie.
Als Luftaufklärer über der Nordsee fotografiert
er britische Kriegsschiffe. Nach einem Abschuss treibt
er zwölf Stunden im eisigen Wasser, bevor man ihn
auffischt - die Negative hat er gerettet... Eines
der ältesten Fotos im Archiv Walter Barbians zeigt Adolf Hitler 1936 in den
Straßen von Saarbrücken.
Dreimal
in Kriegsgefangenschaft, dreimal ausgebrochen kehrt
Walter Barbian 1945 in seine zu 70% in Trümmern
liegende Heimatstadt Saarbrücken zurück und
dokumentiert hier die Zerstörungen und
bald danach den beginnenden Wiederaufbau.
Wie
kaum ein anderer verfolgte Walter Barbian in dieser
für das junge Saarland so turbulenten Zeit das
politische wie gesellschaftliche Geschehen. Er war mit
seinen Kameras das Auge der kurzen saarländischen
Autonomie nach 1947, und sein Fotoarchiv stellt das
wichtigste visuelle Gedächtnis der Ereignisse dar,
die später dazu führten, dass die Saarländer
in einem Referendum
über sich selbst bestimmen
konnten. Seine Bilder erzählen diese
Geschichte ...
Sie
zeigen, wie nach dem Kriegsende Blindgänger entschärft
und Trümmer geräumt wurden, wie Kohle wieder
gefördert, Hochöfen
wieder entfacht und Eisen wieder gegossen wurde. Auf
dem Foto links sieht man Gilbert Grandval bei der Grundsteinlegung
zu dem neuen Rathaus in Saarlouis am
11.10.1951.
Als Ende 1946 die Zollgrenzen
zwischen dem Saarland und dem übrigen Deutschland
errichtet worden waren, zeigen Barbians Bilder saarländische Grenzschilder und französische
und saarländische Zöllner, die gemeinsam die
Grenzgänger kontrollierten. Als am 18. Dezember 1947 der Hitlergegner Johannes Hoffmann aus der Emigration ins Saarland zurückkehrte, begann Walter Barbian, ihn auf seinem Weg bis zur Volksbefragung am 23. Oktober 1955 mit seiner Kamera zu begleiten.
Bild rechts:
Bei den regen diplomatischen Aktivitäten dieser Zeit war Walter Barbian immer hautnah mit seiner Kamera dabei. So war
er auch mit von der Partie, als am 6. Februar 1950 eine Delegation unter
der Leitung von Johannes Hoffmann zu Staatsvertrags-Verhandlungen mit
dem Schnellzug nach Paris aufgebrochen ist.
Zu dem Bild unten erzählt
Frank Barbian:
"Eines der Fotos hatte für
meinen Vater eine besondere Bedeutung. Es ist das Bild
von Johannes Hoffmann vor den Särgen der Rohrbacher
Fußballer [siehe hier unseren Bericht über dieses schwere Unglück!]. Der Ministerpräsident wollte eine Rede halten und brach
irgendwann haltlos in Tränen aus. Mein Vater war
von diesem Moment so beeindruckt, dass er mir Jahrzehnte
später sagte, dass er damals begriffen habe, welch
grundlegend aufrichtiger Mensch Hoffmann war."
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Neben vielen anderen Ereignissen fotografierte er auch die Semestereröffnung der Universität des Saarlandes, eine von den Franzosen initiierte Neugründung auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne.
Der Weg des Saarlandes zu einem selbstverwalteten, autonomen Land stand vor dem Hintergrund des Gedankens, das Saarland könne eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und Frankreich und darüber hinaus für die europäische Integration übernehmen.
Als Robert Schuman auf der Suche nach einer Lösung des Saarproblems seine
Visionen vom gemeinsamen Europa zuallererst am Beispiel Saarland
Wirklichkeit werden lassen wollte, war Walter Barbian zugegen und
dokumentierte die Ereignisse.
Die Projekte für die Saar waren in dieser Zeit vielfältig: Sitz der zu gründenden Montanunion sollte Saarbrücken werden, dann sogar Hauptstadt eines vereinten Europas, mit dem Saarland als europäischem Territorium. Walter Barbian fotografierte die kühnen Modelle des französischen Städteplaners Pingusson, ohne zu ahnen, dass er Jahre später in einem der wenigen realisierten Neubauviertel wohnen würde (nämlich in der Bruchwiese).
Als am 1. und 2. Februar 1953 während einer Sturmflut in Holland die Dämme brachen und Schouwen-Duiveland überfluteten, kamen Tausende ums Leben. Spontan hatte die saarländische Gendarmerie einen Hilfskonvoi zusammengestellt, an dem Walter Barbian zufällig vorbeikam. Er griff seine Fotoausrüstung, sprang auf und fuhr kurzerhand mit ins Katastrophengebiet.
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Bild rechts: Dieses meisterliche Foto von Meister Rotte und Meister Conrad, die die
letzten Hufschmiede von Saarbrücken waren, entstand
wahrscheinlich in der Roonstraße.
Walter
Barbian hatte inzwischen die saarländische Autonomie
zu schätzen gelernt und sich den Europagedanken zu eigen
gemacht.
Es
wurde ein europäischer Status des Saarlands angestrebt.
Hier- über sollte die Bevölkerung in einer Volksabstimmung entscheiden. Bei den Kundgebungen, die Walter
Barbian auf beiden Seiten für die Zeitungen begleitete,
kochten die Emotionen hoch: "Der
Dicke muss weg!", das sah man bald massenhaft auf Aufklebern und Plakaten, die auf Wände und Wege gepinselt wurden - siehe auf unserer Seite mit den Aufklebern.
Der Dicke, das war Ministerpräsident Johannes Hoffmann, der für
Angriffe oft unter der Gürtellinie zum beliebtesten
Gegner der Heimatbund-Parteien
wurde, ganz so, als ginge es nicht mehr um ein Statut,
sondern um die Abwahl einer Person.
Eine tiefe Abneigung gegen ihre propagandistischen Exzesse trennten Barbian von
den deutsch-nationalen Parteien, und noch bis kurz vor
seinem Tod beschimpfte er zuweilen deren
damalige Agitatoren auf offener Straße. Walter
Barbian stimmte schließlich für das Statut.
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Am
28.7.1957 stattete Ludwig Erhard dem Saarland einen Blitz- besuch ab,
um sich über die wirtschaftliche Lage zu informieren. Walter Barbian
begleitete ihn auf seiner Tour vom Hauptbahnhof (Bild links; die alten Sandsteintürme am Empfangsgebäude standen damals noch) durch die Bahnhof- straße über den St. Johanner Markt und zurück zum Bahnhof.
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Die Saarländer begannen durchaus, die Geschichte ihrer
Autonomie neu zu bewerten; ein bisschen Nostalgie war mit im Spiel, schließlich hatte man eine eigene
Olympiamannschaft, eine Handballnationalmannschaft
(deren Torhüter Walter Barbian
war!) und eine sagenhafte Fuß- ball-Nationalelf.
Am 28. März
1954 fand im Saarbrücker Ludwigsparkstadion vor
53.000 (!) Zuschauern das erste "innerdeutsche"
WM-Duell statt. Hinter dem Tor saß der saarländische
Pressefotograf Walter Barbian.
Barbian fotografierte für
nahezu alle damals existierenden Zeitungen und Zeitschriften
(und das waren erstaunlich viele: SVZ, Illus, Neue Zeit,
SZ, Volksstimme, Sport-Echo, Sport-Welt, Sport-Express,
Kicker, Der Hausfreund, Tele Bild mit Radio usw. (siehe unsere Seite Zeitungen und Zeitungsartikel). - Walter Barbian starb am 13. Dezember 2005.
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Gilbert
Grandval auf dem Flugfeld St.Arnual. Links von ihm Minister Erwin
Müller und daneben, halb verdeckt, der damalige
Sprecher der Saarländi- schen Regierung und spätere
TV-Auslandsreporter Peter Scholl-Latour.
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Dieses Foto zeigt
den saarländischen Ministerpräsidenten
Hoffmann bei den Landtagswahlen 1952, die
trotz Boykott-
aufruf aus Bonn
eine Rekordwahlbeteiligung erreichten. |
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