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Schule im Saarstaat
(Das
Foto zeigt den 6-jährigen Rainer Freyer am
Tag seiner Einschulung 1948)
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Inhalt: A) Übersicht B)
Neubeginn nach dem Krieg C)
Französisch-Unterricht D)
Religionsunterricht E) Schularten F) Fazit
A)
Übersicht
Viele unserer
älteren Leserinnen und Leser haben sicher noch
lebhafte Erinnerungen an ihre Schulzeit in den
Nachkriegsjahrzehnten. Seitdem hat sich vieles
verändert. Zum Beispiel achteten die Eltern damals
noch darauf, dass ihre Kinder nur in ordentlichen
Kleidern zur Schule gingen, und für die Lehrerinnen
und Lehrer bestand die übliche Dienstkleidung aus
Bluse und Kostüm bzw. Anzug und Krawatte.
Die Verteilung
der Schüler(innen) auf die einzelnen Schularten
war in den 50er-Jahren deutlich anders als heute. Im
Alter von 14 Jahren besuchten z.B. im Jahr 1955 etwa
74 % der saarländischen Jugendlichen die Volksschule,
lediglich 9% die Mittelschule und nur 16 % das
Gymnasium. Von den letzteren schaffte fast die Hälfte
das Abitur schließlich aber nicht - siehe auch weiter unten, im Abschnitt D,
3) Höhere Schulen.
In allen
Schulformen gab es getrennte Schulen für
Mädchen und Jungen. Nur in den untersten Klassen der
Volksschule durften bei Raummangel Kinder beiderlei
Geschlechts gemeinsam unterrichtet werden.
Die Koedukation
für ältere Schülerinnen und Schüler in allen Schulen
begann sich erst in den 60er-Jahren durchzusetzen.
Zu dem Bild
rechts: Im teilautonomen Saarstaat musste in jedem
Klassenzimmer und Schulsaal ein Bild mit dem
Saarland-Wappen an der Wand hängen und außerdem ein
Kruzifix (zum Thema Religion siehe auch
unten im Abschnitt C). Erst am 1. Juni 1956 wurden
in allen Schulen die Wappen entfernt. (Abb. mit freundlicher
Genehmigung des Historischen Museums Saarbrücken):
Das
Amt des Kultusministers übten in der Zeit des
teilautonomen Saarland nacheinander aus:
Emil Straus (1947 bis 1951), Erwin
Müller (1951 und 1952), Franz Singer
(1952 bis 1954) und Johannes
Hoffmann (1954
bis 1955);
sie gehörten
alle der CVP an (siehe
auch am Ende unserer Seite Geschichtliche Zeittafel!).
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Die Schuljahre
waren erst ab 1959 in je zwei Halbjahre eingeteilt,
bis dahin aber wie in Frankreich in drei Tertiale
(Jahresdrittel), die jeweils drei bis vier Monate
dauerten. Zum Ende jedes Tertials gab es ein Zeugnis,
nämlich vor Weihnachten, vor Ostern und zum
Schuljahresende. In einigen Schulen wurde den Kindern
jedes Mal ein gesondertes Zeugnisformular
ausgehändigt. In anderen Schulen erhielten sie zu
ihrem ersten Zeugnistermin ein Heft, in das der
Klassenlehrer danach dreimal jährlich die Noten
eintrug. Nach den Ferien sammelte er die Zeugnishefte
mit der Unterschrift von mindestens einem Elternteil
wieder ein. Ab
1960 wurden auch an diesen Schulen Zeugnisformulare
ausgegeben.
Die
Schulnoten
waren im Saarland nicht nach dem 1938 eingeführten
deutschen Sechsstufen-System eingeteilt, sondern nach
dem französischen 20-Punkte-Schema: 20 Punkte: sehr
gut, 0 Punkte: ungenügend. Erst
ab
20.12.1956 übernahm man auch bei uns wieder das
deutsche Notensystem; dabei mussten in
den Zeugnissen die
Noten
von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) in
Worten ausgeschrieben werden.
Nicht
nur Lehrer- und/oder Raummangel waren manchmal
Anlass für Schulausfall:
1951
ordnete
das Kultusministerium an, dass der
Unterrichtsbeginn nach den Sommer- Ferien im
gesamten Saarland wegen der auch bei uns
ausgebrochenen Spinalen
Kinderlähmung um sechs Wochen vom 20.
August auf den 1. Oktober 1951 hinausgeschoben
wurde. Und in den Jahren
1957/58 griff auch hier im Saarland die Asiatische
Grippe um sich und führte
ebenfalls zu Schulausfällen.
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Körperliche Züchtigung war damals durchaus noch ein
Element der Pädagogik. Sie wurde bis zum Ende der
Mittelstufe angewandt, sogar an den Gymnasien. Mädchen
wie Buben wurden an den Ohren gezogen, bekamen
Ohrfeigen oder Schläge mit dem Lineal auf die Finger,
oder wurden, meist in der Volksschule, "über die Bank
gelegt" und mit Stockhieben auf das Hinterteil
bestraft. Eigentlich war die körperliche Strafe seit
einer Regierungsverfügung von 1948 im Saarland
"grundsätzlich verboten". Im März 1954 erläuterte
Schulrat W. Hard in der 'Elternpost' (Beilage zur
monatlichen 'Schulpost') ausführlich, dies bedeute,
dass das Verbot "im allgemeinen" gelte, dass es aber
auch besondere Ausnahmefälle geben könne, die eine
solche Strafe trotzdem rechtfertigten.
Anfänglich
dauerten die Schuljahre im Saarland jeweils
(wie
heute) vom 1. September bis zum 31. August des
folgenden Jahres. 1956/57 gab es ein sogenanntes
Kurzschuljahr; es endete bereits am 31. März 1957 und
umfasste somit nur sieben Monate. Von da an gingen die
Schuljahre vom 1.
April bis Ende März. Im Jahr 1966 erfolgte eine
erneute Umstellung dieser Regelung auf die frühere
Methode (1. September bis 31. August).
Abb. links: ein
Zeugnis der Evangelischen Volksschule Heinitz anlässlich des Übergangs
der Schülerin auf die Höhere Schule im Jahr 1947 (das Bild hat uns Dietrich
Arbenz
zur Verfügung gestellt). Man beachte, dass in
jenem Jahr die Noten darin noch in der alten Weise
(von sehr gut“ bis „ungenügend“) ausgedrückt wurden.
_______________
Die meisten Schüler brachten
ihre Schulbrote damals noch von zu Hause mit, ein
Verkauf durch den Hausmeister kam erst später in
Gang. Anfang Juli 1955 wurde eine so genannte
"Schulmilchspeisung" eingeführt. Die
örtlichen Molkereien lieferten die Milch in
1/4-Liter-Fläschchen bei den Schulen an, und der Hausmeister und/oder seine
Helfer verteilten
sie kostenlos samt Trinkhalm an die Schüler. Ab
Anfang 1956 wurde
jeder
Schule sogar ein Milchwärme- Schrank zur Verfügung
gestellt, damit die Kinder die angelieferte Milch
nicht eiskalt trinken mussten. Auch nach der Saar-
Rückgliederung an die Bundesrepublik 1957/59 ist die
Milchspeisung noch einige Jahre lang beibehalten
worden.
B) So verlief der Neubeginn in
den Schulen nach dem Krieg:
Das
Bild rechts zeigt die Trümmer der
Kablé-Schule am Saarbrücker
Theaterplatz1945; im Hintergrund ist
halblinks der Turm der Alten Evangelischen
Kirche zu sehen. (Foto:
Landesarchiv Saarbrücken; Stunde 0, Abb.
Nr. 29)
Schon ab 1943 hatte der
Schulbetrieb im Saarland - wie in den meisten
Teilen Deutschlands - aufgrund der
Kriegshandlungen erhebliche Einschränkungen
erlitten. Im Sommer 1944 musste er vollständig
eingestellt werden. Auch als im März 1945 die
Amerikaner und ab Juli die Franzosen das Land
besetzten, war an seine Wiederaufnahme noch
lange nicht zu denken. Erst nachdem die
meisten Familien aus der Evakuierung
zurückgekehrt waren, wurde der Schulbetrieb
nach einer über fünfzehn-monatigen
Unterbrechung am 1. Oktober 1945 offiziell
wieder eröffnet; in einigen Ortschaften konnte
er erst im Januar 1946 beginnen.
Aber
vieles war nicht mehr so wie vor dem Krieg.
Viele Schulgebäude waren zerstört oder stark
beschädigt und fast sämtliche Lehr- und
Lernmittel unbrauchbar geworden. In
Saarbrücken waren sechzehn Schulhäuser
vollständig vernichtet, vier stark beschädigt
und nur acht erhalten geblieben. Obwohl es
überall an brauchbarem Baumaterial fehlte,
versuchte man, unter der aufopfernden Mithilfe
der Lehrer die Gebäude notdürftig zu reparieren; oder man
schaute sich nach Ersatzräumen um.
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In
Weiskirchen z.B.
funktionierte
man
einen Dachboden zur provisorischen Schule um,
und die Kinder saßen auf Zustellbänken aus der
Kaiserzeit. An anderen Schulen behalf man sich
mit Schichtunterricht: die Jungen kamen
morgens, die Mädchen nachmittags, am nächsten
Tag umgekehrt.
An
einen geregelten Schulbetrieb war lange nicht
zu denken, weil es überall an Kreide und
Schwämmen oder Lappen mangelte, und im Winter
an Heizmaterial: Kinder mussten zum
Holzsammeln mit in die Wälder gehen. Erst in
den nachfolgenden Jahren konnte man einen
Großteil der kriegsbeschädigten Schulhäuser
reparieren oder neu aufbauen, und in
zahlreichen Städten und Gemeinden entstanden
neue Schulgebäude.
Nach
dem Krieg erschienen zunächst nur wenige
Lehrer wieder zum Dienst, weil die meisten
ihrer Kollegen entweder gefallen oder
kriegsversehrt waren, und weil man viele von
ihnen im Rahmen von Entnazifizierungsmaßnahmen
aufgrund ihrer Aktivitäten im Dritten Reich
versetzt bzw. entlassen hatte. Wegen des
Lehrermangels wurden teilweise riesige Klassen
mit 60 bis über 70 Schülern je Lehrkraft
gebildet. Als der Autor dieses Textes 1948 in
die Bachschule Neunkirchen eingeschult wurde,
waren über 70 Buben und Mädchen mit nur einer
Lehrerin in seiner Klasse!
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Zeichnung aus dem
'Dankebuch' der Cecilienschule (Info &
Foto:Tony O'Herlihy, Irland)
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Foto
links oben: Die
Schweizer
Hilfe
führte von September 1946 bis Juli 1947 in
Saarbrücken und anderen Gemeinden eine Schul-
speise-Aktion für die 'Ruinenkinder'
verschiedener Schulen durch.
Aus Irland
erreichte eine ähnliche Hilfe die
Saarbrücker Cecilien-Schule. Deren
Schülerinnen schrieben und zeichneten später
ein "Dankebuch", das sie nach Irland
schickten.
Ein Beispiel aus dem
Inhalt:
"Von
seiner Insel überm Meer / schickt Irland
viele Speisen her. / Zucker, Schinken, Fett
und Speck, / zu einem ganz besondern Zweck.
/ Damit die Kinder unsrer Stadt wieder alle
werden satt / Wieder alle werden satt. / An
den guten Liebesgaben / können sie sich
alle laben. / Wir danken diesen hilfreichen
Händen / für die guten vielen Spenden!"
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Die
innere Verfassung der Kinder, Eltern und
Lehrer nach dem schrecklichen Krieg behinderte
anfangs eine nutzbringende Gestaltung des
Schullebens. An einen erfolgversprechenden
Unterricht war lange nicht zu denken.
Traumatisierte und hungernde Jungen und
Mädchen waren nur schwer für ein erfolgreiches
Lernen zu gewinnen.
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Wenn
eine Schule im Dritten Reich einen neuen,
nationalsozialistisch angehauchten Namen
bekommen hatte, wurde sie jetzt wieder
umbenannt. So erhielt zum Beispiel in
Völklingen die Schlageterschule ihre frühere
Bezeichnung zurück, und sie hieß jetzt wieder
"Realgymnasium Völklingen".
Außer
den Schulnamen wurden nun auch die Lehrpläne
und Lehrmittel "entnazifiziert". In Bezug auf
die Unterrichtsinhalte musste nach dem
Niedergang des Nationalsozialismus eine totale
Wende im Bildungswesen eingeleitet werden.
Dazu war es nötig, ein vollkommen neues
Erziehungssystem mit diametral
entgegengesetzten Idealen auf die Beine zu
stellen.
Etliche Lehrer sollen aber
trotz Entnazifizierung nach dem Krieg und
sogar noch bis in die 50er-Jahre hinein in
ihrem Unterricht keinen Hehl daraus gemacht
haben, dass sie bis zum Kriegsende
fanatische Nazis waren. Es wird berichtet,
dass einige sogar im Unterricht stolz von
ihrer SA-Mitgliedschaft erzählten und Hitler
verherrlichten.
Um
Schulbücher stand es sehr schlecht. Wenn
überhaupt noch alte Bücher vorhanden waren,
konnten sie wegen ihres Inhalts oft nicht mehr
verwendet werden. Für fast alle Schulfächer
mussten neue Lehrpläne und darauf aufbauend
neue Schulbücher erstellt werden. Einige
Schüler behalfen sich mit dem Abschreiben
vorhandener Bücher von Klassenkameraden und
kamen so z.B. wieder zu einem "eigenen"
Exemplar von Caesars 'De Bello Gallico' -
falls sich genügend leeres Papier dafür
auftreiben ließ, denn es herrschte auch ein
großer Mangel an Schreibpapier, Heften und
sonstigem Material.
<
Ausweiskarte 1947 für den Kauf von
Schulheften, Schreibutensilien und Büchern
|
Lesen Sie zum Thema
dieses Abschnitts A) auch den persönlichen
Bericht auf unserer Seite mit den Erinnerungen von Friedrich Fess aus Altenkessel, und
dort unter Punkt "2) Januar 1945 bis etwa
Herbst 1954", sowie in unserem Kapitel Kindheitserinnerungen
und Zeitzeugen-Berichte auf der Seite i) Ursula Meier geb. Weiand im Abschnittt 5) Mühsame
Pennälerzeit nach dem 2. Weltkrieg.
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C) Französischunterricht ab der 2.
Volksschulklasse
Schon
in der Zeit von 1920 bis 1935 hatte die
französische Grubenverwaltung im Saargebiet
französische Volksschulen, die sogenannten
Domanialschulen, eingerichtet. Damit wollte
sie möglichst viele Jugendliche durch das
Erlernen der Sprache an die französische
Kultur heranführen. Das Ziel dabei war, dass
sie sich von Deutschland abwenden und bei der
für 1935 vorgesehenen Volksabstimmung dem
Anschluss der Saar an Frankreich zustimmen
sollten.
Nach
dem 2. Weltkrieg bemühte sich die französische
Besatzungsmacht erneut darum, die Saarländer
mit der Kultur und besonders mit der Sprache
Frankreichs vertraut zu machen. Um dieses Ziel
zu erreichen, führte sie im Sinne der
"pénétration culturelle" zahlreiche Maßnahmen
ein: Die Franzosen sorgten dafür, dass in den
Kinos hauptsächlich französische Filme liefen
und auf den Bühnen im Land zahlreiche
französische Künstler auftraten. Und sie
erfanden verschiedene Maßnahmen, um die
Menschen an der Saar zum Erlernen der
französischen Sprache zu bewegen. So boten sie
z. B. abendliche Sprachkurse für Erwachsene an
und führten eine Art
"Zwangs-Sprach-Unterricht" in Französisch für
alle Kinobesucher vor jeder Vorstellung ein [Einzelheiten darüber
finden Sie in unserem Kapitel Saarländische Kinos im Abschnitt 4) "Wie
die Saarländer beim Kinobesuch Französisch
lernen sollten"].
|
|
Vor
allem aber ordneten sie an, dass die
saarländischen Kinder in der Volksschule
einen intensiven Französischunterricht
erhielten, und zwar als obligatorisches
Hauptfach, und bereits vom 2.
Schuljahr an. Jeder Lehrer musste ihn in
seiner eigenen Klasse selbst erteilen.
Ältere Kollegen wurden in besonderen Kursen
ausgebildet, und für Lehramtsanwärter aller
Fächer war Französisch ein zusätzliches
Pflicht- und Prüfungsfach.
|
|
"Die
Regierung
des Saarlandes verpflichtet
sich, in ihren Unterrichtsplänen
aller Grade dem Studium der
französischen Sprache im
Verhältnis zu dem der anderen
lebenden Sprachen einen
bevorzugten Platz einzuräumen
und das Studium der
französischen Sprache vom 2.
Volksschuljahr an obligatorisch
durchzuführen." (Auszug aus dem
saarländisch-französischen
Kulturabkommen vom 15. Dezember
1948)
|
|
So durften
schon die Zweitklässler durch Anschauungsunterricht im
Klassenzimmer lernen, was "la fenêtre" oder "le
garçon" bedeuten. Später mussten sie ein extra für die
saarländischen Volksschüler verfasstes Lehrbuch mit
dem Namen "J'apprends le français" benutzen. Vielen
von ihnen hat das Französischlernen sicher auch
kindlichen Spaß gemacht. Dabei war den Schülern aber
nicht bewusst, dass ihnen hierfür jede Woche zwei (in
der 2. Klasse), vier (in Klasse 3 und 4) und sogar
fünf Stunden (5. bis 8. Klasse) vom übrigen Unterricht
abgezwackt wurden. Diese fehlten ihnen in den anderen
Fächern, denn die Gesamtstundenzahl wurde deswegen
nicht erhöht. Ein Kritiker meinte später: "Hier tat
man dem Kinde Gewalt an, man opferte es den
politischen Plänen kalt und herzlos." [1]
Auch
in
den Mittelschulen
und an den Höheren
Schulen wurde ein intensiver
Französischunterricht erteilt: In allen Klassen war
an jedem der sechs Wochentage eine Stunde "Franz"
vorgeschrieben. Den
Zwang zum Erlernen ihrer Sprache im Schulunterricht
hatten die Franzosen sogar in der saarländischen Landesverfassung
festschreiben lassen:
"Geschichte und
politische Entwicklung des Saarlandes verpflichten
alle Schulen zur Pflege des Geistes der
Völkerversöhnung. Sie pflegen im Rahmen der
christlichen und europäischen Kultur die deutsche
Kultur und die deutsche Sprache und tragen durch die
Lehre der französischen Sprache zur
Entwicklung der kulturellen Beziehungen zwischen
Frankreich und dem Saarland bei." (Art. 30).
Die
Durchführung des französischen Sprachunterrichts wurde
sorgfältig beaufsichtigt. Ab 1948 erhielt der
Vertreter des Hohen Kommissars Gilbert Grandval das Recht, zusammen
mit dem zuständigen Schulrat beliebig oft
Französischstunden an allen Schulen zu besuchen.
Allgemein
gesehen wurde die umfassende Bildung der Schüler in
der Saarstaatzeit auch dadurch beeinträchtigt, dass
der deutsche Sprach- und Kulturraum in den Lehrplänen
stark vernachlässigt wurde. Ziel war - wie schon
während der Saargebietszeit vor 1935 - die endgültige
Abkehr des Saarlandes von Deutschland. Vergebens
versuchte die Lehrerschaft, sich dagegen zu wehren,
dass man sie zum Mittel für dieses Vorhaben machte.
Das Kultusministerium blieb in dieser Frage
unerbittlich, jedenfalls bis nach 1955. Nach der
politischen Angliederung der Saar an die
Bundesrepublik wurde Französisch
ab 11.
März
1957 in den Volksschulen zu einem Wahlfach mit je
vier Wochenstunden, und zwar erst vom 5. Schuljahr
an.
-----------------------------------
[1] Otto Früh.
Der französische Sprachunterricht in den Volkschulen
des Saarlandes. In: Altmeyer, Klaus (Hrsg.). Das
Saarland. Ein Beitrag zur Entwicklung des jüngsten
Bundeslandes in Politik, Kultur und Wirtschaft.
Saarbrücken, 1958. Seite 283.
D)
Religionsunterricht
Nachdem
der Religionsunterricht
zwölf Jahre lang aus den Gemeinschaftsschulen
des nationalsozialistischen
Staates verbannt
worden
war,
wurde
er
zum 1. Oktober 1945 im Saarland wieder
eingeführt.
Artikel 29 der neuen saarländischen Verfassung
bestimmte, dass er an allen Volks- und Berufsschulen,
an den mittleren und höheren Schulen sowie in den
Lehrerbildungsanstalten wieder ordentliches Lehrfach
war.
Er
sollte
"im Auftrag und im Einvernehmen mit den Lehren und
Satzungen der betreffenden Kirchen und
Religionsgemeinschaften" erteilt werden. Letztere
waren dazu berechtigt, die Durchführung des
Religionsunterrichts im Benehmen mit der zuständigen
staatlichen Behörde zu beaufsichtigen. Letztere musste
auch den Lehrplan und die Lehrbücher genehmigen.
Foto:
Kinderchor
mit Chorleiter Fritz Kunkel (oben rechts) in
Dreisbach 1948 (Foto:
Sammlung R. Freyer)
Die Schüler der
Volksschulen erhielten in den Klassenstufen 3 bis 8
jeweils vier Stunden "Reli" in der Woche - natürlich
nach Konfessionen getrennt. Sie wurden zumeist von
einem Pfarrer bzw. Pastor erteilt, der viele Kinder
und ihre Eltern bereits aus seiner Pfarrei kannte. Aus
diesem Grund, und weil sie meist keine pädagogische
Ausbildung genossen hatten, waren die Geistlichen bei
den Schülern oft mehr gefürchtet als die Lehrer.
Einmal in der
Woche, am Neunkircher Gymnasium z.B. immer mittwochs,
fand während der ersten Schulstunde eine Schulmesse
bzw. ein Schulgottesdienst in den Kirchen der beiden
Konfessionen statt; der Unterricht begann dann erst in
der 2. Stunde. Die Teilnahme war für die Schüler
verpflichtend. Manchmal spürten die Religionslehrer,
besonders die katholischen, in der Stadt mögliche
"Schwänzer" auf, was dann zumindest eine Mitteilung an
die Eltern zur Folge hatte.
Wenn Eltern es
für nötig oder wünschenswert hielten, konnten sie ihre
Kinder an Schulen aller Schularten vom
Religionsunterricht abmelden; in höheren Schulen
durften Jugendliche ab 18 Jahren dies selbst tun.
Schüler, die nicht am Fach Religion teilnahmen,
sollten stattdessen gemäß Artikel 29 der
Saar-Verfassung eine Art Ethikunterricht erhalten, der
als "Unterricht in den allgemein anerkannten
Wahrheiten des natürlichen Sittengesetzes" definiert
war. Ein solcher fand aber selten wirklich statt; die
Schüler nahmen stattdessen meist am allgemeinen
Unterricht in anderen Klassen teil oder erhielten eine
sogenannte "Stillbeschäftigung".
|
An drei der
saarländischen höheren Schulen konnte man sich jedoch
nicht vom Religionsunterricht abmelden, denn dort war
Religion Pflichtfach. In Saarbrücken hatten z.B. 1950
die Speyrer Dominikanerinnen ("Arme Schulschwestern"),
angeblich auf Betreiben von Johannes Hoffmann, die Marienschule
mit
Internat
als private höhere Lehranstalt für
katholische Mädchen gegründetet. Damit führten sie die
Tradition der früheren Ursulinenschule weiter, die
1938 unter Hitler geschlossen worden war. Auch in St.
Ingbert und in St. Wendel gab es während der
Saarstaatzeit religiös geführte private Schulen, und
auch nach 1960 wurden im Saarland noch weitere Schulen
unter kirchlicher Leitung gegründet.
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Kleine
Anekdote
aus der Marienschule: Hier herrschte in den
fünfziger Jahren eine strenge Kleiderordnung. Die
Mädchen durften die Schule nie in langen Hosen
betreten, sondern nur im Kleid oder Rock. Doch was
taten die frierenden "externen" Schülerinnen
im Winter? Sie kamen in warmen langen Hosen zur
Schule und streiften beim Betreten des Gebäudes
einen züchtigen Rock darüber. Nach dem Unterricht
versteckten sie die Röcke irgendwo im Klassensaal
und gingen oder fuhren in ihren langen Hosen wieder
nach Hause.
(Mündlicher
Bericht
einer damaligen Marienschülerin, geb. 1944)
|
E)
Die einzelnen Schularten
1) Volksschulen
[2]
a) Die
saarländischen Volksschulen waren damals
Bekenntnisschulen (oder
"Konfessionsschulen")
Schon während
der Saargebietszeit (1920 bis 1935) waren die Schulen
Bekenntnisschulen gewesen, das heißt,
evangelische Kinder besuchten andere Schulen als die
katholischen. Im Jahr 1937, also kurz nach der
Eingliederung der Saar ins "Dritte Reich", wandelte
die nationalsozialistische Reichsregierung per Gesetz
die Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen
um.
Als nach dem 2.
Weltkrieg der saarländische Schulbetrieb im Oktober
1945 wieder eröffnet wurde, verfügte der damalige
Militärgouverneur Grandval jedoch, dass die Schulen
wieder Konfessionsschulen zu sein hatten. Bei den
Vorbereitungen zur Gründung des "Saarstaats" wurden im
Jahr 1947 in dessen Verfassung die Kirchen und
Religionsgemeinschaften als Bildungsträger anerkannt
(Art. 26) und die Wiedereinführung der Bekenntnisschule
im Volksschulbereich festgeschrieben (Art. 27). In der
vorausgehenden Debatte der Verfassungskommission hatte
Rolf Braun (SPS) keine Chance mit seinem Einwand, dass
damit das ebenfalls in der Verfassung verankerte
Elternrecht verletzt werde. Die Mittelschulen,
Berufsschulen und höheren Schulen wurden allerdings
weiterhin als "christliche Gemeinschaftsschulen"
geführt.
Das Bild
oben zeigt katholische Mädchen mit Lehrerin in der
so genannten "Roten Schule" in Völklingen, etwa
1953. Foto:
Sammlung K. Presser
--------------------------------------
[2] Der Begriff
"Volksschule" existierte in der Bundesrepublik noch
bis 1964; erst seitdem spricht man von Grund- und
Hauptschule. Eine "Hauptschule" hatte es aber auch
schon früher im "Dritten Reich" gegeben (ab 1941).
|
|
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Die
Aufteilung der Schüler nach ihrer Konfession führte
in kleinen Schulen zu schwierigen Konstellationen. Dietrich
Arbenz (Jahrgang 1941) berichtet, dass er die
Volksschule in Heinitz (damals ein Grubendorf,
später Ortsteil von Neunkirchen) besuchte. Das
Schulgebäude für die 1. bis 4. Klasse war Ende der
40er-Jahre eine - wohl von der Grube "spendierte" -
Baracke mit nur zwei Räumen gewesen. In dem einen
waren die erste bis vierte Klasse der evangelischen
Volksschüler, im anderen dieselben Klassen der
katholischen Schüler untergebracht. Heute kann man
sich kaum noch vorstellen, wie eine Lehrerin in
einem Raum gleichzeitig die Schüler der 1., 2., 3.
und 4. Klasse unterrichten konnte.
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Das Bild, aufgenommen im Winter des
Schuljahres 1948/49, zeigt die 37 Schüler und
Schülerinnen der 1. bis 4. evangelischen Volkschul-
klasse Heinitz sowie deren Lehrerin, Fräulein
Kammer. (Foto: Sammlung Dietrich Arbenz)
|
b) Das
Lehrpersonal der Volksschulen und "Lehrerinnenzölibat"
In den ersten Jahren nach dem Krieg gab es an
den Volksschulen sehr selten männliche
Unterrichtskräfte, und auch später blieben diese dort
in der Minderzahl. -
Die Lehrerinnen
wurden alle mit "Fräulein" angesprochen, und man
konnte von Kindern oft Sätze hören wie: "Die (!)
Frollein hat gesaad..." Weibliche Lehrpersonen
durften in der Tat nicht verheiratet sein. Dies ging
auf eine im 19. Jahrhundert eingeführte
Zölibatsklausel zurück, die in Deutschland nach
kurzzeitigen Unterbrechungen bis in die 50er-Jahre des
20. Jahrhunderts hinein weiter beachtet wurde. Im
Dienstrecht des Landes Baden-Württemberg bestand z.B.
bis 1956 die Regelung, dass eine Lehrerin ihren Dienst
quittieren musste, wenn sie heiratete [3].
Die
Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem
Vereidigungsausweis einer Lehrerin in Wadern aus dem
Jahr 1949.
Dieses so
genannte Lehrerinnenzölibat wurde auch im Saarstaat
praktiziert; es sollen gelegentlich aber Ausnahmen
geduldet worden sein. Erst am 10. Mai 1957 hat das
Bundesarbeitsgericht die Zölibatsklausel für
Lehrerinnen schließlich als grundgesetzwidrig erkannt
und damit für nichtig erklärt.
--------------------------------------
[3] Siehe: https://community.beck.de/2011/08/17/rechtsgeschichtliche-fundstuecke-im-familienrecht-das-fraeulein-lehrerin
|
c)
Ausbildung der Volksschullehrer
Schon kurz nach
dem Krieg wurden 1946 drei staatliche Lehrerseminare
errichtet, und zwar in Saarlouis, St.Wendel und
Saarbrücken. Voraussetzung für die Aufnahme in deren
erste Klasse waren ein Volksschulabschluss und das
Höchstalter von 16 Jahren. Nach der sechsjährigen
Ausbildung in einem Lehrerseminar konnten die
Absolvent(-inn)en - sie waren jetzt 20 bis 22 Jahre
alt - als Volksschullehrer angestellt werden.
Diese Regelung
wurde nach der Annahme der Verfassung
des Saarlandes (am 15.12.47) gemäß deren Artikel 31
geändert. Von nun an hatte die Ausbildung der
Volksschullehrer in konfessionell getrennten Lehrerbildungsanstalten
zu erfolgen. Dabei bestand für die Anwärter(-innen),
welche katholischen Glaubens waren, zusätzlich
Geschlechtertrennung.
Die Seminare
zogen um, und von da an fand die Ausbildung zum
Volksschullehrer für katholische Anwärter in Lebach,
für katholische Anwärterinnen in Blieskastel und für
evangelische Anwärter beiderlei Geschlechts in
Ottweiler statt.
- Das Bild zeigt eine Klasse der Volksschule
im Dellengarten 1948. (Foto:
Annemarie Plewa, 2. Bank, rechts außen)
Den jeweiligen
Seminaren waren Internate angegliedert. Die
schulpraktische Ausbildung der Seminarist(-inn)en
erfolgte in Übungsschulen und dauerte insgesamt
zunächst weiterhin sechs, ab 1951 sieben Jahre.
|
Nach der
Volksabstimmung nahm man ab Anfang 1956 die
Akademisierung der Volksschullehrerbildung in Angriff.
Diese sollte nun nach dem Muster der meisten deutschen
Bundesländer erfolgen. Im Mai wurden dazu in
Saarbrücken zwei konfessionelle Pädagogische Akademien
gegründet. Männliche und weibliche Abiturienten
konnten sich an der katholischen Peter-Wust- bzw. an
der evangelischen Comenius-Hochschule einschreiben.
Das Studium umfasste anfangs mindestens vier Semester,
später wurde die Mindeststudiendauer auf sechs
Semester verlängert. Die bisherigen Lehrerseminare
sollten auslaufen.
Kurzer Ausblick
auf die weitere Entwicklung nach der Saarstaatzeit: In
der Mitte der 60er-Jahre wirkte die Regierung des
Saarlandes darauf hin, die beiden konfessionellen
Hochschulen in einer wissenschaftlichen
Hochschule zusammenzufassen. 1969 wurde der Artikel 31
der Landesverfassung gestrichen, der die Vorschrift
der konfessionellen Lehrerbildung enthielt. 1968/69
legte man die evangelische Comenius- und die
katholische Peter-Wust-Hochschule zur Pädagogischen
Hochschule des Saarlandes zusammen. Von
da an orientierte sich die Studienausbildung für das
Lehramt an Grund- und Hauptschulen nicht mehr an
konfessionellen, sondern nur noch an
wissenschaftlichen Kriterien.
Nach
der
Schließung der Pädagogischen Hochschule im Jahr 1978
erfolgte die Ausbildung von Hauptschullehrern an der
Universität des Saarlandes. Die Ausbildung
saarländischer Grundschullehrer fand danach in
Rheinland-Pfalz statt, und zwar an den beiden
Pädagogischen Hochschulen in Koblenz und in Landau;
2011 wurde sie an die Universität
des Saarlandes verlegt
[4].
---------------------------
[4] siehe auch:
http://www.schulmuseum-ottweiler.net/magazin/volksschullehrerbildung-im-saarland
|
|
2)
Mittelschulen
|
Schon
1912
gründete Franz Joseph Niemann in der
St.-Josef-Straße 27 in Saarbücken-Malstatt
eine Städtische Mädchen-Mittelschule
("Cecilienschule"). Im Jahr 1916 wurde
dort auch eine Knaben-Mittelschule
eröffnet. Diese Schulform umfasste sechs
Klassenstufen für 10- bis16-jährige
Schülerinnen und Schüler. Sie war in ihrem
Niveau zwischen Volksschule und Gymnasium
angesiedelt. Ihre Aufgabe bestand darin,
die Schüler darauf vorzubereiten, später
einen der mittleren Berufe zu ergreifen.
Pädagogischer Leitgedanke bei der Wissens-
und Wertevermittlung war die "Ganzheit".
Beide
Schulen
wurden auch nach dem 2. Weltkrieg
weitergeführt. In den ersten Jahren
mussten sich die Mädchen- und die
Knabenschule mittels "Schichtunterricht"
(vor- bzw. nachmittags) das Schulgebäude
teilen. Zudem war die Mittelschule anfangs
durch Machenschaften der
Verwaltungskommission und später des
Kultusministeriums in ihrem Bestand stark
bedroht. Man wollte sie durch eine Schule
für Wirtschaft und Verwaltung oder ein so
genanntes "Lycée moderne" ersetzen. Als
beide Pläne scheiterten, versuchte man
seitens des Ministeriums, sie aussterben
zu lassen, indem man ihnen keine
Volksschullehrer mehr zuwies und die
Ausbildung von neuen Mittelschullehrern
verhinderte. Erst nachdem Prof. Eugen
Meyer 1951 als Direktor ins
Kultusministerium einzog, wendete sich das
Blatt. Die beiden Mittelschulen erhielten
wieder genügend ambitionierte neue Lehrer,
wurden vierzügig ausgebaut, und ihre
Schülerzahl stieg auf insgesamt rund 2.000
Schüler an. Leiter der Knabenschule war
nach 1945 Mittelschulldirektor Dr. Kiefer,
die Mädchenschule wurde bis 1958 von
Direktorin Bauer und danach von Direktor
Haldy geleitet.
Foto:
Raumlehreunterricht (Foto: Gerd Kügelgen)
|
Im Juni 1950
führte das Saarland für die Mittelschulen eine
Abschlussprüfung ein, die aus einem schriftlichen
und mündlichen Teil bestand und den Schülern die "Mittlere Reife"
bescheinigte. Die Prüfung stellte in dieser Form ein
Novum für das deutsche Mittelschulenwesen dar und
wurde aus pädagogischen und psychologischen Gründen
von vielen Lehrern abgelehnt - aber ohne Erfolg.
|
1956 zog die
Mädchenmittelschule in das neu erbaute Schulhaus im
Ludwigspark um, und die Jungenschule bezog in den
60-er-Jahren das neue Gebäude Am Hagen auf der
Bellevue. In den späten 50er-Jahren entstanden
weitere Mittelschulen in Neunkirchen, Völklingen und
St. Ingbert. Mitte der 60er-Jahre benannte man die
Mittelschulen in Realschulen um. Danach
wurden zahlreiche neue Schulen dieser Art eröffnet.
Später wurden sie zu Erweiterten Realschulen,
und an deren Stelle traten seit 2012 nach und nach
die Gemeinschaftsschulen.
Für den Besuch ihrer Kinder
an Mittelschulen mussten Eltern wie an Gymnasien
[siehe am Ende von Abschnitt 3) Höhere Schulen] Schulgeld
entrichten, allerdings in wesentlich geringerer
Höhe als dort. 1953 waren an Mittelschulen
jährlich 2.500 Franken fällig, ab1956 3.500 und ab
1957 5.000 Frs. Die Beträge mussten jeweils bis
zum 10. Mai, 10. September und 10. Januar
beglichen werden. [5]
--------------------------------------------
[5] Beträge
und Daten haben wir einigen "Schulgeldzetteln"
entnommen, die uns Ernst Gilcher, Saarbrücken, zur
Verfügung gestellt hat.
--------------------------------------------
Literaturhinweis: Emil Wagner.
Die Mittelschule. Auftrag und Tradition. In:
Altmeyer, Klaus (siehe weiter oben in Fußnote [1]),
S. 275 ff. - Und: Saarbrücken - 50 Jahre Großstadt.
Hg.: Kulturdezernat der Stadt Saarbrücken, 1959. S.
262 f.
Leibeserziehung
für Mädchen
(Foto:
Gerd Kügelgen)
3)
Höhere Schulen
Nach dem Krieg wurden die
höheren Schulen am 1. Oktober 1945 wieder geöffnet.
Die Gebäude von etwa acht solcher Schulen im Land waren total
zerstört, zahlreiche weitere schwer beschädigt.
Deshalb wurden viele von ihnen zunächst in
Notunterkünften untergebracht.
Das
Realgymnasium Neunkirchen musste z.B. mit 23 Klassen
in das ebenfalls stark beschädigte
Volksschul-Gebäude in der Schloßschule und in zwei
Baracken ausweichen und dort bis 1950 auf einen
Neubau warten. An manchen Orten versuchte man, der
katastrophalen Situation mit Schichtunterricht Herr
zu werden: Ein Teil der Klassen kam morgens, der
andere Teil nachmittags zur Schule.
Das Foto
zeigt das Staatliche Realgymnasium für Knaben in
Neunkirchen und dahinter das Mädchenrealgymnasium
(im Volksmund "es Lyzeum" genannt). (Foto: Sammlung R. Freyer)
Unterrichtet
wurde nach den alten Stundenplänen der Oberschule.
In die erste Klasse wurden diejenigen Schüler
aufgenommen, die im Sommer 1944 die
Aufnahmeprüfung bestanden hatten. Die Höheren
Schulen hatten wieder neun Klassen mit ihren alten
Namen Sexta bis Oberprima. Am 18.2.1946 teilte
Regierungsdirektor Dr. Straus mit, dass es drei
Typen von höheren Lehranstalten mit unterschiedlichen
Lehrplänen geben sollte.
Das von
der Naziregierung zurückgedrängte altsprachliche
("humanistische")
Gymnasium wurde wieder
eingeführt und je eines davon in Saarbrücken,
Saarlouis und St. Wendel eröffnet. In unserer
Hauptstadt gab es außerdem eine mathematisch-
naturwissenschaftliche Oberrealschule (ohne
Lateinunterricht). Alle anderen
Höheren Schulen waren nun neusprachliche Realgymnasien;
sie begannen mit Latein und Französisch, und erst
in der Klasse U III (Untertertia) kam Englisch
hinzu.
Am 3.7.1946
wurden einheitliche Aufgaben für die
Aufnahmeprüfungen im ganzen Land gestellt. Das
Abitur legten die Oberprimaner im Wesentlichen
nach den preußischen Bestimmungen von 1927 ab.
Der Neubau des
Ludwigsgymnasiums
auf einer Briefmarke von
1953 und als Foto (unten) kurze Zeit
später
|
Schon
früh wurde mit dem Bau neuer Gebäude für
die Gymnasien begonnen. 1950
weihte
man das Ludwigsgymnasium in der
Stengelstraße ein. Dies war der erste
Neubau einer Schule nach dem 2.
Weltkrieg im Saarland. Da die
schwer heimgesuchten Städte die
Neubau-Kosten kaum tragen konnten,
übernahm das Land die meisten Oberschulen
in seinen Besitz und verpflichtete sich,
mit Hilfe des Wiederaufbauamtes in kurzer
Zeit neue Schulgebäude zu erstellen. So
waren 1957 aufgrund dieser Verstaatlichung
schon acht Höhere Schulen im Land in neuen
Bauten untergebracht. Nur die Hauptstadt
Saarbrücken widersetzte sich, teilweise
erfolgreich, der Übernahme ihrer Gymnasien
durch das Land. So blieben Ludwigsgymnsium
und Mädchenrealgymnasium am Rothenbühl
städtisch. Das 1954 errichtete
Realgymnasium für Jungen auf der Hohen
Wacht ging 1957 in städtischen Besitz über
(1964 zog es in die Talstraße um). In
Völklingen war dagegen das Städtische
Realgymnasium schon 1950 zu einem
staatlichen Realgymnasium geworden. -
Trotz aller Baumaßnahmen mangelte es
vielerorts weiterhin an Schulraum, und es
fehlte auch an Stellen für die dringend
benötigten Lehrkräfte.
|
Im teilautonomen
Saarstaat waren insgesamt 24 Höhere
Schulen in Betrieb, davon 14 für Jungen
und 10 für Mädchen (diese nannte man auch
Lyzeum). 20 Schulen standen unter
staatlicher Aufsicht, drei waren
Ordensschulen [s. oben, am Ende von
Abschnitt C) Religionsunterricht],
und eine war städtisch. Für
die
Kinder der französischen
Besatzungsangehörigen wurden die Marschall-Ney-Schulen (>siehe
unsere Extra-Seite) gegründet,
die
aber auch von saarländischen Schülern
besucht werden konnten.
Während die
Anzahl der Schulen im Laufe der Jahre
gleich blieb, stieg die Schülerzahl der
Höheren Schulen von 8.909 (1950) auf
11.600 im Jahr 1957 an. Davon waren ca.
7.200 Jungen und 4.400 Mädchen. Dieser
Anstieg bedeutete überfüllte Klassen und
führte zu starken Belastungen für Lehrer
und Schüler. Einige Schulen hatten mehr
als 1.000 Schüler. Trotzdem blieb die
Gesamtzahl der Gymnasiasten im Verhältnis
zur Bevölkerung im Saarland immer etwas
niedriger als in der Bundesrepublik. 1955 wurde in
Saarbrücken auch ein Abendgymnasium
eröffnet.
Damals
wurden
an den Gymnasien (außer in den
altsprachlichen oder "humanistischen"
Oberschulen) bereits in der Sexta (so hieß
die heutige Klasse 5) zwei Fremdsprachen
unterrichtet, nämlich Latein und
Französisch. Sogar manche Lehrer hielten
die Schüler dadurch für überfordert,
obwohl sie ja schon (allerdings sehr
unterschiedliche) Französisch-Kenntnisse
von der Volksschule mitbrachten. Erst in
der Untertertia (U III, heute Klasse 8)
folgte dann noch Englisch. [6]
Beim Abschluss der
Klasse 10 einer Mittelschule oder eines
Gymnasiums (dort hieß sie U II, also
Untersekunda) erhielten die Schüler das
Zeugnis der "Mittleren Reife". Im
Volksmund hieß es, sie bekamen das
"Einjährige" (dieser uralte Ausdruck
rührte daher, dass man zu Kaisers Zeiten
mit jenem Abschluss nur ein Jahr
Wehrdienst ableisten musste).
Ab
Herbst 1947 wurde das "zentrale Abitur"
eingeführt. Die Abiturienten hatten an
einer fremden Schule landesweit am
selben Tag die gleichen Aufgaben
schriftlich zu bearbeiten. Sowohl in den Haupt-
als auch in den Nebenfächern mussten sie
immer auch mündliche Prüfungen über sich
ergehen lassen, die jeweils bis zu 30
Minuten dauerten. Dabei wurden sie nicht
etwa von den eigenen Fachlehrern geprüft,
sondern von Lehrern anderer Schulen. Eine
Befreiung von der mündlichen Prüfung war
nicht möglich. In
den
ersten Jahren
nach dem Krieg wurden die Abiturienten in
elf (!) Fächern mündlich geprüft.
Sicherlich waren diese harten
Bedingungen mit ein Grund dafür, weshalb
nur etwa die Hälfte der Abiturienten die
Prüfung bestand.
Dieses
Verfahren
bestand bis zum Herbst 1950. Dann wurde
die Prüfungsordnung aufgeweicht, das
zentrale Abitur an einer fremden Schule
praktisch abgeschafft. Die
Prüfungsaufgaben waren weiterhin für
alle Gymnasien dieselben, ihre
Erstkorrektur wurde jetzt aber vom
jeweiligen eigenen Fachlehrer
durchgeführt. Obligatorisch war eine
anonyme Zweitkorrektur durch Fachlehrer
einer fremden Schule. Bei gravierenden
Bewertungsunterschieden konnte sogar
eine Drittkorrektur angeordnet werden.
Alle Urteile im Rahmen des Abiturs
fällte eine Prüfungskommission, deren
Vorsitzender ein vom Kultusministerium
beauftragter Direktor einer fremden
Schule war. Bei der Beschlussfassung
wirkten alle in der Oberprima
unterrichtenden Fachlehrer und der
Direktor der eigenen Schule mit gleichem
Stimmrecht mit. Die Anzahl der
mündlichen Prüfungen wurde auf höchstens
sieben reduziert [7]. Eine Befreiung vom
"Mündlichen" war unter Berücksichtigung
des letzten Vorzeugnisses jetzt möglich.
Für den Besuch
ihrer Kinder auf einer Höheren Schule
mussten Eltern im Saarland, wie in der
Bundesrepublik, Schulgeld
bezahlen. Es betrug 1945 rund 200 RM pro
Jahr [8]. 1948 waren es monatlich 700
frs. (Franken), in den frühen
50er-Jahren 1.400 frs. [9]. Obwohl es
(wegen der Schulferien) nur zehnmal im
Jahr fällig wurde, belief sich die Summe
damit in einem Jahr auf immerhin 14.000
frs. (das entsprach damals etwa 120 DM).
Für Eltern mit mehr als einem Kind auf
dem Gymnasium gab es Ermäßigungen. Vielen Familien fiel es nicht leicht,
diese Summen regelmäßig aufzubringen. Am Ende des
Schuljahrs 1958/59 wurde das Schulgeld
im Saarland
wie
in den meisten übrigen Ländern der
Bundesrepublik abgeschafft. Dort war es
zuletzt höher als bei uns und hatte
zwischen 15 und 20 DM im Monat betragen
[10] - das hätte nach damaligem
Umrechnungskurs etwa 1.760 bis 2.300
frs. entsprochen.
An Höheren Schulen für
Mädchen war schon 1937 neben den bereits
bestehenden sprachlichen und
naturwissenschaftlichen Zweigen
auch
eine hauswirtschaftliche Abteilung unter
dem Namen Frauenoberschule
eingeführt worden. Das dort bestandene
Abitur führte damals zu einer
eingeschränkten Hochschulreife
und wurde deshalb im Volksmund
"Puddingabitur" genannt. Es berechtigte
zum Besuch sozialer
und pädagogischer Lehranstalten; später
war auch das Studium der
Betriebswirtschaft möglich. Die
französische Militärverwaltung schaffte
nach dem Krieg die Frauenoberschulen aber
unverzüglich wieder ab. Erst Anfang der
60er-Jahre wurden sie im Saarland erneut
zugelassen. Im Jahr 1970 fand bei uns die
letzte Abiturprüfung auf einer solchen
Schule statt.
---------------------------------------
[6]
Der Autor dieser Website erinnert sich,
dass er lange Zeit ungeduldig darauf
wartete, in die Untertertia zu kommen, um
endlich in der Schule Englisch lernen zu
dürfen (also erst mit vierzehn Jahren!).
Einer der Gründe dafür war die Tatsache,
dass er so gerne die Texte der damals
immer häufiger im Radio gespielten
englischen Musiktitel verstehen wollte.
[7]
Siehe: Dr.
Klaus Thewes. Die höheren Schulen im
Saarland. In: Altmeyer, Klaus (siehe Fußnote [1]), Seite 272.
[8]
Amtsblatt des Regierungspräsidiums Saar
Nr. 4/1946. Seite 34
[9] Mitteilungen
von Dietrich
Arbenz und Günter Hesler
[10]
nach Angaben in wikipedia unter
"Schulgeld"
-------------------------------
Hinweise:
Die
Geschichte des Otto-Hahn-Gymnasiums Saarbrücken
und seiner Vorgängerschulen finden
Sie auf unserer Seite Orte
und Gebäude - gestern und heute
unter Punkt 3).
Über die Entwicklung der
französischen Marschall-Ney-Schulen
können
Sie sich ausführlich auf unserer Seite Lycée Maréchal
Ney informieren, mit vielen
Bildern, Zeitzeugenberichten usw.
Literatur:
Zum
Thema "Gymnasien im Saarstaat" siehe auch:
Dr. Klaus Thewes. Die höheren Schulen im
Saarland. In: Altmeyer,
Klaus
(Hrsg.). Das Saarland. Ein Beitrag zur
Entwicklung des jüngsten Bundeslandes in
Politik, Kultur und Wirtschaft.
Saarbrücken, 1958. S. 269 ff.
|
F) Fazit zum Thema Schule
im Saarstaat
Ein
kritischer Pädagoge fasste 1957 seine Erfahrungen
während der Saarstaatzeit wie folgt zusammen:
"Zum 1.
Januar 1957 ist unsere Heimat der Bundesrepublik
wieder politisch angeschlossen worden. Damit haben
wir Abstand und Abschied genommen von der Politik
der Jahre 1945 bis 1955, von der Separation und
Autonomie der Saar, Abschied von der Politik, die
auch im Raume der Kultur und der Schulen ihre
seltsamsten Blüten und Früchte trieb, beginnend mit
den anmaßenden Bemühungen des ersten Kultusministers
Dr. Straus, an der Saar eine "germano-romanische
Kultursynthese" zu schaffen, bis zum Abgang des
letzten Dirigenten am 23. Oktober.
Der Geist der
Präambel und der ihr entsprechenden Verfassung
kennzeichneten in diesen Jahren das Verhältnis der
Ministerialinstanzen zu unseren Schulen und Lehrern.
Die politische Tendenz des Beamteneides, die
Verfassung zu bejahen und zu verteidigen, war das
besondere Druckmittel, die Lehrerschaft für die
Separation gefügig zu machen. Wer dem Gesetz der
Treue zu Volk und Vaterland und seinem inneren
Gewissen folgte, war "Staatsfeind" und musste mit
Denunzierung, Bespitzelungen und Benachteiligungen
rechnen. Die Bejahung der Separation wurde zur
Qualifikation für alle Beförderungen des totalitären
Regimes. Neben den Zollschranken versuchte man auch,
seelische Barrieren nach Deutschland hin zu richten
und die Jugend und ihre Lehrer nach Paris
hinzuwenden." [11]
In der Tat
waren nach der Rückgliederung die meisten Lehrer
(und viele Schüler) glücklich darüber, dass die Zeit
der erzwungenen Trennung von Deutschland vorbei war.
Aber das intensive Kennenlernen der französischen
Sprache und Kultur während der Saarstaatzeit hatte
für die jungen Saarländer (und ihre Lehrer) trotz
des Zwangs zweifellos auch zahlreiche positive
Auswirkungen. Viele Schüler pflegten
Brieffreundschaften mit jungen Franzosen, es fanden
auch gegenseitige Besuche in Familien statt, und
welcher Abiturient hätte damals nicht - wie der
Autor dieses Textes - mindestens eine (von der
Regierung bezuschusste!) Klassenfahrt nach Paris
oder in eine andere französische Stadt miterlebt!
Solche und ähnliche Erfahrungen übten später
zweifellos einen positiven Einfluss auf die
Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft
aus.
------------------------------
[11] Dr.
Klaus Thewes in:
Altmeyer, Klaus (siehe
oben in Fußnote [1]). Seite 271
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Statistik: Schulen im Saarland im Schuljahr 1952/53 (Die Zahlen wurden der
"Elternpost" Nr. 1 vom September 1953 entnommen.)
1952/53
|
Schulart
|
Schüler
|
Lehrer
|
durchschn.
Klassenstärke
|
|
573
|
Volksschulen
(406
kathol. und 167 evang.)
|
113.600
|
2.700
|
41
|
2
|
Mittelschulen
|
2.100
|
71
|
45
|
24
|
Höhere
Schulen
|
9.490
|
523
|
18
|
Nach dem Abschluss
der Volksschule konnte man besuchen:
|
|
|
Schüler
|
Klassen
|
|
67
|
Gewerbl.
Berufsschulen
|
31.000
|
543
|
57
|
13
|
Kaufmänn.
Berufsschulen
|
7.200
|
222
|
32
|
8
|
Öffentliche
Handelsschulen
|
1.050
|
32
|
33
|
1
|
Höhere Handelsschule
sowie verschiedene Fachschulen
|
Musikstunde
in der Volksschule (Foto: Gerd
Kügelgen)
|
|
Literaturhinweise zum Thema 'Schule im Saarland':
|
Rolf
Wittenbrock. "...Du heiliges Land am
Saaresstrand". Konfessionsschule und
Identitätssuche. In: Von der `Stunde 0´
zum `Tag X´. Das Saarland 1945-1959. (Katalog zur
Ausstellung des Regional-geschichtlichen
Museums im Saarbrücker Schloss).
Saarbrücken, 1990. S. 257 ff.
Das
Saarland. Ein Beitrag zur Entwicklung des
jüngsten Bundeslandes in Politik, Kultur
und Wirtschaft. Hgg. von Klaus Altmeyer
u.a.; Saarbrücken, 1958.
Heinrich Küppers.
Bildungspolitik im Saarland 1945-1955.
Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische
Landesgeschichte und Volksforschung.
Saarbrücken, 1984.
Eduard Schäfer,
Horst Günther Klitzing (Hg.). Das
Gymnasium im Saarland. 50 Jahre
Saarländischer Philologenverband.
Saarbrücken, 2000.
Theo
Schwinn.
Geschichte des Volksschulwesens in
Neunkirchen. In: Neunkirchen (Saar) Stadt
des Eisens und der Kohle. Hgg. von der
Stadtverwaltung Neunkirchen (Saar), 1955.
S. 209 ff.
Saarbrücken
- 50 Jahre Großstadt. Hg.: Kulturdezernat
der Stadt Saarbrücken, 1959. S. 255 ff.
Paulus, Heinz
(Verantw.). 400 Jahre
Ludwigsgymnasium Saarbrücken.
Kontinuität und Wandel 1604-2004.
Ludwigsgymnasium
Saarbrücken (Hrsg.) Selbstverlag,
2004, Brosch.
Schulpost
für
die oberen Klassen der Volksschulen des
Saarlandes. 1951 - 1954. Saarländische
Verlagsanstalt und Druckerei. Saarbrücken.
Elternpost (Monatliche kostenlose Beilage
ab 1953 zur "Schulpost").
|
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bearbeitet am 18.6.2020
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