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2-DM-Stück "Max Planck"
1957
Foto:
R. Freyer
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Der Tag
X (6.
Juli 1959)
"Wirtschaftlicher
Anschluss" des Saarlandes
an die Bundesrepublik:
der Tag, an dem die
D-Mark in unser Land kam
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"Morgen ab 10 Uhr"
Foto:
L.A.Sbr., Bildersammlung
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Wichtige
Info vorweg: Der Politische Anschluss, mit dem die Saar zum deutschen Bundesland wurde, war bereits am 1.Januar 1957 erfolgt. Am Tag
X war der Wirtschaftliche Anschluss: Die Saarländer erhielten für 100 Francs 0,8507 DM;
oder: für je 1 DM bezahlten sie ca.117 Frs.
Im
Artikel 1 des Vertrages
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Französischen Republik zur Regelung der
Saarfrage vom 27. Oktober 1956 (Luxemburger
Saarvertrag) hatte sich Frankreich damit
einverstanden erklärt, dass sich der
Anwendungsbereich des Grundgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland vom 1. Januar 1957 an auch auf das Saarland erstrecken
sollte. So war an diesem Tag der politische Beitritt erfolgt:
Das Saarland wurde zum zehnten Land der
Bundesrepublik Deutschland (oder zum
elften, wenn man West-Berlin als eigenes
Bundesland mitzählt: Erläuterung dazu siehe
hier.)
- Einzelheiten zur politischen Angliederung
lesen Sie auf unserer Seite Ergebnisse und
Folgen. Den vollständigen Wortlaut des
Saarvertrages finden Sie unter http://www.verfassungen.de/de/saar/vertrag56.htm.
Der wirtschaftliche
Anschluss an die Bundesrepublik
erfolgte erst gut zweieinhalb Jahre nach der
politischen Eingliederung. An dem so genannten
"Tag X" wurde am 6. Juli 1959 die Grenze zwischen dem Saarland
und Rheinland-Pfalz wieder geöffnet, und die D-Mark wurde im Saarland als Währung eingeführt.
a)
Die Übergangszeit zwischen politischer und wirtschaftlicher
Angliederung (1957 - 1959)
In dem
oben genannten Saarvertrag war die Einrichtung
einer Übergangszeit vorgesehen,
innerhalb derer das Saarland und Frankreich
weiterhin ein einheitliches Wirtschafts-,
Währungs- und Zollgebiet bildeten. Sie
sollte der Vorbereitung des wirtschaftlichen
Anschlusses der Saar an die
Bundesrepublik dienen und höchstens drei Jahre
andauern, also spätestens am 31. Dezember 1959
enden. Das Kuriosum dieses
Zeitabschnitts war, dass die Menschen im Saarland
zwar jetzt schon (wieder) deutsche
Staatsbürger waren und deshalb auch
bundesdeutsche Personalausweise und Pässe
besaßen, dass sie aber die Waren in den
Geschäften und Kaufhäusern sowie Rechnungen
und Dienstleistungen nach wie vor mit
französischen Franken bezahlten. So kam es
also tatsächlich dazu, dass in einem
kleinen Teil der Bundesrepublik Deutschland
französisches Geld die gültige Währung
darstellte.
Außerdem
mussten
im Saarland für viele bundesdeutsche
Erzeugnisse immer noch Einfuhrzölle entrichtet
werden - obwohl es ja eigentlich schon
deutsches "Inland" war -, während alle
Produkte aus Frankreich weiterhin zollfrei
eingeführt werden konnten. Auch die
französischen Wirtschaftsgesetze behielten
weiter Gültigkeit an der Saar, allerdings
begann man allmählich schon damit, den
wirtschaftlichen Austausch zwischen dem
Saarland und der restlichen BRD zu
erleichtern.
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Während
dieser Übergangszeit wurde die Anpassung der
bisher französisch ausgerichteten
Saarwirtschaft an die soziale Marktwirtschaft der
Bundesrepublik vorbereitet. Die dafür
notwendigen gesetzlichen Maßnahmen mussten
eingeleitet werden. Das Bundeskabinett
verabschiedete einige wichtige Saargesetze,
welche
Bundestag und Bundesrat billigten, und in
Frankreich und im Saarland traf man ebenfalls
rechtliche Vorkehrungen. Auch die Lohnkosten
und das Sozialgefüge mussten an die
bundesdeutschen Gegebenheiten angepasst
werden.
Im
Saarvertrag war festgeschrieben, dass das genaue Datum der Beendigung dieses
Interimszeitraums von den Regierungen
Frankreichs und der BRD im gegenseitigen
Einvernehmen festgelegt und bekanntgegeben
werden sollte. Es wurde allgemein erwartet,
dass dieser Tag auf einen Termin vor dem 31.12.1959 festgesetzt werden
würde; das genaue Datum lag aber vollkommen im
Dunkeln. Aus diesem Grund wurde der mit
Spannung erwartete Tag in der Bevölkerung als "Tag X" bezeichnet.
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b)
Wann kommt endlich die lang ersehnte D-Mark?
Je
länger die Übergangszeit dauerte,
desto ungeduldiger wurden die Saarländer.
Sie wollten endlich auch in ihrem Land
zollfrei deutsche Waren in deutscher
Währung kaufen, und sie warteten sehnsüchtig
darauf, die "Früchte" des deutschen
Wirtschaftswunders auch an der Saar genießen
zu können. Deutsche Produkte versprachen gute
Qualität, manche französischen Waren hielt man
dagegen eher für minderwertig. Außerdem verlor
der Franc durch seine fortschreitende
Inflation immer mehr an Wert, und deshalb
wünschte man sich an der Saar eine baldige
Loslösung aus seinem Wirtschaftsbereich.
Um
besser disponieren zu können, forderte die
Saarwirtschaft, dass der "Tag X" rechtzeitig
bekanntgegeben werde. Vieles deutete aber
darauf hin, dass die Franzosen diesem Wunsche
nicht entsprechen würden. Und tatsächlich
erfolgte die Bekanntgabe erst ganz kurz vor
dem Termin, wohl um Spekulanten keine Chance
auf einen Vorsprung zu geben. Allerdings kann
man vermuten, dass in manchen Kreisen das
Datum "inoffiziell" doch schon einige Zeit
vorher bekannt war. Mit Kurierpost war am
Donnerstag (2. Juli) in der Saarbrücker
Staatskanzlei ein als geheim gekennzeichnetes
Schreiben des französischen Außenministeriums
eingegangen, in dem Datum und Uhrzeit der
Umstellung mitgeteilt wurden. Die
Veröffentlichung erfolgte aber erst 2 Tage
später. In den Zeitungen häuften sich bis
dahin die Gerüchte um den Termin.
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Am
Samstag, dem 4. Juli 1959, um 10:30 Uhr war es
dann so weit. Radio Saarbrücken sendete eine
kurze Ansprache des Bundeswirtschaftsministers
Ludwig Erhard. Danach verkündete
Ministerpräsident Dr. F. J. Röder in einer
live übertragenen Pressekonferenz offiziell
den Zeitpunkt:
Die
Übergangszeit sollte am Sonntag, dem 5. Juli
1959, um 24:00 Uhr enden;
oder anders gesagt: ab
Montag, dem 6. Juli, 0:00 Uhr galt die DM im
Saarland.
Die
Bekanntgabe erfolgte also weniger als zwei
Tage vor dem eigentlichen Termin. Dies war so
kurzfristig (und zudem an einem Samstag), dass
die meisten Blätter erst am Montag darüber berichten konnten. Die
Saarbrücker Zeitung schrieb in ihrer regulären
Samstagsausgabe nur, es sei "mit einer an
Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit"
anzunehmen, dass der Termin noch im Laufe des
Tages bekanntgegeben werde. In eilig
gedruckten und am Samstag Nachmittag kostenlos
verteilten Sonderblättern einiger Zeitungen konnte
man vorab die wichtige Neuigkeit lesen.
Erstaunlicherweise titelte allerdings die in
Homburg erscheinende "Westpfälzische
Rundschau" bereits an diesem 4. Juli in
ihrer regulären Samstagsausgabe:
"Bonn:
Am Sonntag um 24 Uhr. Einzelheiten der Saar-Rückgliederung
werden heute amtlich über den Rundfunk
bekanntgegeben." Wir wissen nicht, wie die
Redaktion so früh schon an diese Information
gekommen war, oder ob sie vielleicht nur
gewagt hatte, eine Vorausahnung als echte
Nachricht zu veröffentlichen..
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In den
meistenTageszeitungen erschien diese
Meldung erst am
Montag, 6. Juni 1959, so wie hier
zum Beispiel in der
"Allgemeinen Zeitung".
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Die
ursprünglich auf maximal drei Jahre
angesetzte Übergangszeit war damit
also - wie allgemein erwartet
- abgekürzt worden, und
zwar ziemlich genau um ein halbes
Jahr. So dauerte sie nur zweieinhalb
Jahre (oder 30 Monate bzw. 916 Tage).
Wenn
auch das exakte Datum vorher nicht
publik gemacht worden war, so hatten
sich doch alle am Geldumtausch
beteiligten Stellen rechtzeitig darauf
vorbereitet, und die notwendigen
Vorkehrungen konnten kurzfristig
getroffen werden. Nun überstürzten
sich die Ereignisse. Am frühen
Sonntagmorgen (5. Juli 1959) wurde in
etwa 100 Fahrzeugen des Bundesgrenzschutzes deutsches Geld
in Höhe von fast 580 Millionen DM
ins Saarland gebracht. Die gesamte
Aktion der
Währungsumstellung wurde von einem
international besetzten "Paritätischen
Währungsausschuss" beaufsichtigt. Die
Deutsche Bundesbank war für die
Belieferung der 659
Umtauschstellen im Land mit dem neuen Geld
verantwortlich. Der Großtransport der
D-Mark lief unter dem Tarnnamen "Mairegen" und wurde vom Bundesgrenzschutz bewacht, der
auf dem Saarbrücker Messegelände mit
500 Mann Quartier bezogen hatte.
Lesen
Sie über Einzelheiten zu den
Aktivitäten des
Bundesgrenzschutzes am Tag X im
Saarland in einem Artikel des Göttinger
Tageblatts vom 7. Juli 2009, den Sie am Ende dieser Seite >ganz unten finden.
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Am
Montag, dem 6. Juli, war auf der
Titelseite der Saaarbrücker Zeitung
zu lesen:
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Als
gestern morgen die Saarländer an den
Zufahrtsstraßen von der Bundesrepublik her
sich den Schlaf aus den Augen rieben,
gewahrten sie, wenn sie Glück hatten, ein
"militärisches" Schauspiel: Gegen halb 7
sind über 20 Fahrzeuge des Bundesgrenz-
schutzes, beladen mit Säcken voll DM über
die Saargrenze bei Homburg gerollt. Schwer
bewaffnete Grenzschutzbeamte, mit
Maschinenpistolen ausgerüstete
Motorradfahrer, Funkstreifenwagen und
Kommandofahrzeuge sicherten die von
saarländischen Polizisten durch das Land
gelotsten Transporte zu den über 500
Umtauschstellen. Vielerorts lautete der
Weckruf gestern morgen nicht wie sonst
"Aufstehen, Kaffee trinken!", sondern "Die
DM ist da!" Auch über die anderen Übergänge
kamen etwa um die gleiche Zeit vom
Grenzschutz gesicherte Geldtransporte, die
rund 580 Millionen DM in das Saarland
brachten. Aus Karlsruhe, Landau, Neustadt
und Pirmasens kamen die Transporte, die bei
Einöd über die Grenze gingen. Alle Straßen
waren polizeilich gesichert, sogar in der
Luft schwebten drei Hubschrauber, deren
Piloten die Konvois ständig im Auge
behielten. (SZ vom 6. Juli 1959)
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Fotos von
den Geldtransporten:
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Über
zwanzig Fahrzeuge des Bundesgrenzschutzes
bringen am 5. Juli 1959 D-Mark-Bargeld ins
Saarland. Bewaffnete Polizei- und
Grenz- schutzbeamte überwachen das Abladen der
Geldsäcke, hier vor der Zweigstelle St.
Ingbert der Rediskontbank. Fotos: Gerd Schulthess
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Bei
der Zweigstelle Dudweiler der
Kreissparkasse Saarbrücken und bei der
Volksbank Dudweiler werden die D-Mark-Säcke
abgeladen.
Rechts
neben der Volksbank ist das Kino NHT
(Nassauer-Hof-Theater) zu sehen. Mehr dazu
auf unserer Kino-Seite.
(Fotos: Bildarchiv der Bezirksverwaltung
Dudweiler)
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In
der Saarbrücker Mainzer Straße
warten mehrere Geldtransport- Fahrzeuge des
Bundesgrenzschutzes mit Polizei-Begleitung.
Links
steht ein Peugeot 403 Kombi der Saarbrücker
Polizei mit dem Nummern- schild SB 3102. Das
Motorrad eines bundesdeutschen
Grenzschutz- Polizisten trägt das Kennzeichen
BG 10-J63.
In
der Bildmitte ist das Gebäude der
Saarbrücker Herrenbekleidungs-Firma Taylor
Hoff zu sehen, das damals in der Mainzer
Straße 180 ansässig war. Die Aufschrift auf
der Wand des Hauses lautete: "Die
Herrenkleidung Taylor Hoff ...in guten
Fachgeschäften".
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Die
meisten Beschäftigten der Banken und
Sparkassen hätten die- sen Sonntag sicher viel
lieber im Freibad verbracht, denn es war ein
wirklich "heißer" Sonntag mit Temperaturen
über 30 Grad. Aber sie mussten zur Arbeit
gehen, Geldsendungen in Empfang nehmen und
Vorbereitungen zum Geldumtausch treffen.
Auch in
den Geschäften und Kaufhäusern wurde an diesem
Sonntag gearbeitet, denn man musste sämtliche
Preise an den Waren in Regalen und
Schaufenstern auf die neue DM-Währung
umstellen.
Am
Nachmittag konnten manche Saarländer sehen,
wie am Himmel plötzlich Düsenjäger auftauchten und mit ihren
Kondensstreifen ein großes X in die Luft zeichneten. Zwei
Zeitzeugen berichteten uns unabhängig
voneinander davon. Näheres darüber, wie es
dazu kam, ist nicht bekannt. Oder es
sollte doch eher ein Zufall gewesen sein?
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Bild
rechts: Auf den Banken wird der Empfang der
erhaltenen Geldsäcke quittiert. (Foto: Landesarchiv
Saarbrücken, Oettinger)
c)
Sonntag Nacht, 5. Juli 1959, 24 Uhr:
Es ist so weit!
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Am
Grenzübergang Eichelscheid finden sich in dieser Nacht Tausende
von Menschen ein. Radio Saarbrücken berichtet
live. Um 24 Uhr klettert Ministerpräsident Dr. Franz-Josef Röder auf einen Pfosten des
Schlagbaums und hält eine kurze Ansprache:
"Meine
lieben Landsleute! In diesem Augenblick
fällt die letzte Schranke, die uns noch
von dem übrigen Bundesgebiet getrennt hat.
Damit ist auch das Saarland
uneingeschränkt ein deutsches Bundesland
geworden."
Als
Antwort erschallte ein vielstimmiges "Bravo!"
aus der Menge.
Zum
Anhören:
a)
kurz (nur
F.J.Röder) > b)
lang
(mit Reporter) >
In
dieser Nacht wurde nach 12½ Jahren die
Abtrennung des Saarlands vom deutschen
Wirtschaftsraum beendet - zum zweiten Mal in diesem
Jahrhundert...
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Foto rechts: Ein
brüderlicher Handschlag zwischen
saarländischen Grenzpolizisten und
französischen Zollbeamten beim Öffnen des
Schlagbaums in der Nacht vom 5. auf den 6.
Juli1959. (Fotos:
Landesarchiv Saarbrücken, Julius C. Schmidt bzw. Presse Foto Actuelle. Die
Tondokumente hat uns Gerd Schulthess, St.
Ingbert, im Jahr 2009 aus seiner
Tonbänder-Sammlung zur Verfügung gestellt.)
d)
"Made in Germany" und das deutsche
Wirtschaftswunder fallen ins Saarland ein
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Im
Laufe des Sonntags begannen zahlreiche Händler
und Vertreter aus der Bundesrepublik damit,
eine regelrechte Invasion
des Saarlands vorzubereiten. Sie fuhren mit
vollgeladenen Liefer- und Lastwagen zu den
Grenzübergängen und bildeten dort vor den
Schlagbäumen endlos lange Kolonnen, die sich
z.B. von Eichelscheid bis in den Ort
Bruchmühlbach hinein stauten. Alle warteten
ungeduldig auf den Glockenschlag um 24 Uhr,
der die Straßen zum "Aufbruch" ins Saarland
freigeben würde. Geladen hatten sie all das,
was sie endlich zollfrei den Saarländern
anbieten wollten, all die begehrten Waren, auf
die diese bisher verzichten mussten, weil sie
wegen der Einfuhrzölle zu teuer waren: Radios
und Fernsehgeräte, Kühlschränke (damals nannte
man sie noch "Eisschränke"), Fahrräder,
Motorräder und Zubehörteile, Möbel u.v.m. Auch
auf saarländischer Seite bildeten sich
LKW-Schlangen mit Produkten der Eisen- und Stahlindustrie
für Empfänger in Deutschland.
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Der
Rheinische Merkur schrieb am folgenden Tag,
etwa 2000 LKW hätten in jener Nacht an
den verschiedenen Grenzübergängen gewartet.
Die SZ berichtete am 7. Juli, dass am Montag
von Mitternacht an fast ununterbrochen LKW und
Lieferwagen aus der BRD über die (nicht mehr
vorhandene) Grenze an die Saar gerollt seien.
Bis Montag Mittag hätten nach Angaben des
Innenministeriums bereits mehr als 2500 LKW
die sechs größten ehemaligen Grenzübergänge
zwischen der Saar und Rheinland-Pfalz
passiert. In Saarbrücken und einigen anderen
Gemeinden sei schon vor 7 Uhr morgens mit dem Entladen
der Wagen begonnen worden.
Foto:
Hans Dechent (links im Wagen) und Udo Voigt
steuern kurz nach Mitternacht am Tag X den
ersten Opel Rekord über die jetzt offene
Grenze ins Saarland.
(Foto:
Autohaus Dechent)
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Hagen
Rupp aus Limbach bei Kirkel berichtet:
"Dieses
Bild wurde am Tag X, genau um Mitternacht,
am damaligen Grenzübergang Zweibrücken-Einöd aufgenommen. Es zeigt
das erste Fahrzeug, das nach Entfernung des
Schlagbaums die "Grenze" überquerte. Am
Steuer Oskar Grub, Gründer des Möbelhauses
Grub in Limbach bei Homburg. Auf dem
Trittbrett Herbert Paulus,
mein
inzwischen 80-jähriger Onkel, der damals
beim Möbeltransport geholfen hat. Die Möbel
waren in der Pfalz bereitgelegt und wurden
dann zur Grenze gebracht, wo man vor dem
Schlagbaum wartete, bis dieser um
Mitternacht aufging und die Möbel erstmals
ohne Formalitäten ins Saarland verbracht
werden konnten." (Foto: Hagen Rupp)
Informationen
über den Fahrzeugtyp Tempo Matador finden Sie auf
unserer Seite Nutzfahrzeuge (ganz unten).
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e)
Eine Grenze wird abgebaut, eine andere wird
eingerichtet
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In der
Nacht vom Sonntag (5. Juli) auf Montag (6.
Juli) wurde die Grenze zwischen dem
Saarland und Rheinland-Pfalz wieder für
den ungehinderten Personen- und Waren- verkehr
geöffnet. Gleichzeitig baute man die frühere
Grenze zwischen dem Saarland und Frankreich
wieder auf. Die Zollstationen wurden also
praktisch nur von der einen zu der anderen
Grenze verschoben.
Dabei
wurden die Zollbeamten nicht etwa arbeitslos,
nur ihre Arbeitsstätte wurde um einige
Kilometer zur anderen Seite des Saarlandes hin
verlegt. Schon im Laufe des Sonntags fuhren
die ersten Möbelwagen umziehender
Zolldienststellen durch das Land, deutsche
beispielsweise von Zweibrücken nach
Großrosseln, und französische von Einöd z.B.
nach Forbach.
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Die Kontrollstellen an
der Grenze nach Frankreich übernahm auf
deutscher Seite der Bundesgrenzschutz, der
zunächst nur provisorische Abfertigungsstellen
einrichtete. Von
den neuen festen Zollhäusern standen anfangs
meist nur die Fundamente. Bis zu ihrer
Fertigstellung verrichteten die Zöllner ihren
Dienst häufig in Omnibussen, die zu Bürowagen
umgebaut worden waren.
(Foto aus: Dieter
Staerk. Das Saarlandbuch. Saarbrücken 1990.
S. 243)
f) Beginn
des Geldumtausches: am Tag X um 10 Uhr
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Schlangen
von Umtauschwilligen in einem Saarbrücker
Kreditinstitut.
(Foto:
Landesarchiv Saarbrücken, Bildersammlung)
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Hinweistafeln
standen schon am Sonntag auf den
Bürgersteigen. (Foto: Gerd
Schulthess, St. Ingbert)
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Das
lange erwartete deutsche
Geld konnten die Saarländer (und nur
diese waren dazu berechtigt) vom
darauffolgenden Tag an (Montag, 6.7.59) ab 10
Uhr vormittags bei den Banken und
Wechselstuben gegen ihre französischen (und
saarländischen) Franken eintauschen, und zwar
zum offiziellen Kurs von
100
: 0,8507. Das bedeutete:
Für
100 Franken erhielt man 0,8507 DM,
oder:
1 DM "kostete" etwa 117 Francs.
An
zahlreichen Orten wurden Sonderschalter
eingerichtet und Gaststätten in provisorische
Bankschalter umgewandelt. Vor den
Wechselstellen und Banken bildeten sich am
frühen Montagmorgen lange Schlangen, die aber
in den Nachmittagsstunden meist wieder
schrumpften. Mancherorts gingen die
D-Mark-Vorräte bereits im Laufe des ersten
Tages zur Neige, sodass man auf Nachschub
warten musste.
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In den
ersten Tagen wurden nur Geldscheine und
100-Franken-Stücke zum Umtausch angenommen,
erst danach auch die kleineren Münzen. Der Bar-Umtausch war zunächst auf 50.000
frs. pro Person beschränkt; wer mehr
umtauschen wollte, bekam den darüber
hinausgehenden Betrag auf ein Namenskonto
gutgeschrieben, über das aber sofort verfügt
werden konnte. Da die meisten Saarländer
damals noch kein eigenes Bankkonto besaßen,
mussten zahlreiche Sonderkonten eingerichtet
werden, was für die Angestellten der
Kreditinstitute viel zusätzliche Arbeit
bedeutete.
Die
Umstellung der Guthaben, die sich auf privaten
Kundenkonten
bei Banken und Sparkassen befanden, erfolgte
zum Währungsstichtag in voller Höhe und
ebenfalls auf der Basis des offiziellen
Wechselkurses. Dies galt im Normalfall auch
für die Sparguthaben der Saarländer. Es gab allerdings
eine kleine lukrative Variante: Die
saarländischen Banken hatten im Laufe der
Übergangszeit einen massiven Abfluss von
Spareinlagen festgestellt. Wegen des
fortschreitenden Wertverlusts des
französischen Franken gegenüber den anderen
internationalen Währungen hatten sich viele
Saarländer um die Erhaltung der Kaufkraft
ihrer Ersparnisse gesorgt und diese deshalb
schon lange vor dem erwarteten Tag X in
grenznahen deutschen Städten in "harte" D-Mark
umgetauscht und auf neu eröffneten Sparkonten
bei den dortigen Sparkassen angelegt.
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Um diesem
unerwünschten Trend entgegenzuwirken, hatte
sich der bundesdeutsche Wirtschaftsminister
Ludwig Erhard ein wirksames Verfahren
ausgedacht: Er versprach den Saarländern, dass
sie für ihre vorhandenen Sparguthaben
am Tag X einen günstigeren Umrechnungskurs
erhalten würden, nämlich nicht nur 0,85 DM,
sondern 1 DM für 100 Francs. Dieser Kurs galt
aber nur für diejenigen Sparbeträge, die sie
bereits vor dem 19. Dezember 1958 bei einem
saarländischen Kreditinstitut angelegt hatten
und bis zum Tag X dort belassen würden. Mit
diesem "Geschenk" sollten die ängstlichen
saarländischen Sparer beruhigt werden. Am 30.
Juni 1959 erfolgte die Bestätigung dieses
Verfahrens durch den Deutschen Bundestag mit
dem "Gesetz zur Sicherung von Ersparnissen"
(BGBl. 1, Seite 367). Auch
Geschäftsguthaben wurden am Tag X zu einem günstigeren
Kurs umgetauscht: Für 100 Frs. gab es 0,95 DM,
bei einigen Banken sogar 1,00 DM. Somit kann
man festhalten, dass der ungünstige offizielle
Wechselkurs von 100 zu 0,8507 eigentlich nur
für Guthaben auf privaten Bankkonten galt
sowie für Bargeld, welches die Leute zu Hause
oder in ihrem Geldbeutel hatten.
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Bild
rechts oben: Umrechnungstabellen
nach dem offiziellen Kurs wurden in
den Zeitungen veröffentlicht und in
kleinen Broschüren für wenige
Pfennige z.B. an Zeitungskiosken
verkauft.
Zu
der Anzeige links:
Manche
Firmen - wie hier Möbel Ott in
Sulzbach - versuchten vor dem Tag X,
Kunden mit dem verlockenden Angebot
zu ködern, noch in Frankenwährung
Anzahlungen auf Gegenstände zu
leisten, die sie sich dann nach der
Währungsumstellung aus dem neuen
Angebot von Waren aussuchen konnten.
Dafür sollte der günstigere Kurs von
1:100 angewandt werden
(also
1 DM für 100 Franken).
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Bild
rechts: In solchen Papieren wurden je
hundert Münzen in der neu eingeführten
D-Mark-Währung gerollt; hier mit einem guten
Wünschen der Kreissparkasse Saarbrücken zum
"D-Mark-Start" am Tag X versehen.
(Foto: Erhard Pitzius)
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Der
gesamte Geldumtausch war 10 Tage nach dem Tag
X abgeschlossen. Er verlief reibungslos und
ohne organisatorische Probleme.
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g)
Was geschah mit den umgetauschten Franken aus
dem Saarland?
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Insgesamt
wurde in den Umtauschstellen eine Summe von
30.498.000.000 (also fast 30,5 Milliarden)
Francs in knapp 260 Millionen DM umgetauscht
(in anderen Berichten wird sogar von 578
Millionen umgetauschten DM gesprochen). Die
eingesammelten französischen Franken-Scheine
und
-Münzen
sowie die Saar-Franken wurden zunächst in der
Zweigstelle St. Ingbert der Landeszentralbank
gesammelt.
Später
wurde dieses Geld gemäß den Vereinbarungen im
Luxemburger Saarvertrag an die Banque de
France
in Paris abgeführt. Der sich daraus ergebende
Betrag stellte einen Teil der vertraglich
vereinbarten Zahlungen der Bundesrepublik an
Frankreich aus Anlass der Rückgliederung des
Saarlandes an die BRD dar.
Foto:
In saarländischen Polizeifahrzeugen wurden
die Francs zur französischen Grenze gebracht
und von dort mit dem Zug nach Paris.
(Landesarchiv Sbr., Julius C. Schmidt)
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h)
Nach der Vorfreude auf die DM kam die
Ernüchterung durch die negativen Folgen des
Umtauschs:
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1)
Zahlreiche Preiserhöhungen nach dem Tag X
Wie die
folgenden Bilder zeigen, wurde in vielen
Schaufenstern der Geschäfte versichert, dass
man die Preise der Waren fair und nach dem offiziellen
Wechselkurs
umrechnen würde, und meistens wurde auch
tatsächlich der korrekte Umrechnungskurs
angewandt.
Aber
das war leider nicht überall so: Viele Kaufleute, Kaufhäuser
und Gaststätten nutzten die Gunst der Stunde und
rechneten ihre Preise nicht zum offiziellen Kurs (100:0,85) um, sondern
einfach zum Kurs
100:1.
Das heißt, was vorher 100 Franken gekostet
hatte, kostete jetzt 1 DM (statt "ehrlicher"
85 Pfennig), und dies kam einer heimlichen Preiserhöhung von
fast 18 Prozent gleich. Der schlechtere Kurs wurde
sogar für staatliche Dienstleistungen
angewandt, beispielsweise bei den Fahrpreisen
der Eisenbahn (die Tarife der Bundesbahn für
den Berufsverkehr waren höher als die im
Saarland) und der öffentlichen
Nahverkehrsbetriebe, sowie bei den
Posttarifen.
Hinzu
kam, dass die Mehrzahl der Grundnahrungsmittel vorher im Saarstaat
genauso wie im übrigen französischen
Wirtschaftsraum subventioniert und zusätzlich geringer
besteuert worden waren. Nach der
Rückgliederung fielen diese Vergünstigungen
weg, und die Preise für Brot, Mehl, Zucker,
Kaffee, Tabakwaren, Bier usw. wurden an die
(höheren) deutschen Preise angepasst.
Die
Leute stellten schnell fest, dass die
Preiserhöhungen ihre Lebenshaltungskosten
erheblich verteuerten und begannen bald, mit Demonstrationen und
Protestschreiben dagegen zu protestieren. Unter anderem wurde in
verschiedenen Orten zum "Bierstreik"
aufgerufen, und viele Raucher drehten
demonstrativ ihre Zigaretten selbst.
(Mehr
zu den Protesten weiter unten im Abschnitt
"Proteste, Streiks und Demos")
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Das
Kaufhaus
Gebr.Sinn textete in seinen Schaufenstern:
"Und wieder können wirs beweisen, noch
preiswerter zu DM-Preisen. / Einfach toll,
unsere Leistungen zu DM-Preisen. Unsere
Lastwagen rollen laufend mit deutscher Ware
an./ Hier der Beweis - noch günstiger der
DM-Preis" (Fotos:
Gerd Schulthess)
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Zu den
Werbezetteln unten: Auch beim ASKO (Allgemeiner Saar- Konsum) wurden die
Preise korrekt umgerechnet. Bei manchen Waren
erfolgte sogar eine Reduzierung der Preise,
wie man anhand der mit den alten und neuen
Preisen versehenen Werbezettel leicht
nachrechnen kann. (Mehr zum ASKO auf unserer ASKO-Seite)
Die
farbigen Zettel unten sind aus der Sammlung
von Gerd Schulthess.
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In
diesem Obst- und Gemüseladen (links) sowie
auf dem Markt (rechts) wurde ziemlich genau
umgerechnet.
(Das
Foto links stammt aus einem Film, der beim
Landesfest 2007 in der Innenstadt von
Saarbrücken gezeigt wurde.)
Bild rechts: Die
Zeichen auf der linken Tafel sind wie folgt zu lesen: ein Pfund 300
Francs oder 250 Pfennige (2,50 DM).
(Foto rechts:
Landesarchiv Sbr., Julius C. Schmidt)
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2)
Viele Saarländer verfielen in einen
ungebremsten Kaufrausch und gerieten in die
Schuldenfalle.
Der
saarländische Markt wurde nun mit allen
möglichen Produkten bundesdeutscher Firmen
überschwemmt, pausenlos wurden große Mengen
von deutschen Waren mit LKWs ins Saarland
gebracht. Die Saarländer griffen gerne zu und
kauften, was das Zeug hielt: Radios,
Fernseher, Waschmaschinen, Staubsauger,
Küchenmaschinen, Kühlschränke, Kleidung,
Schuheund Autos. Sie freuten sich darüber,
dass sie jetzt endlich die guten deutschen
Qualitätsmarken nicht mehr wie bisher jenseits
der (nunmehr gefallenen) Grenze kaufen und
entweder verzollen oder schmuggeln mussten,
sondern sie gleich daheim im Kaufladen um die
Ecke kaufen konnten.
Verwandte, Freunde und
vor allem Versandhäuser wie Quelle oder
Neckermann schickten Unmengen von Paketen mit
deutscher Ware - die Post hatte in der ersten
Zeit nach dem Tag X zwanzigmal mehr
Pakete auszuliefern als vorher.
Von
Mitternacht am Tag X an fielen Unmassen von
seriösen Kaufleuten, aber auch mit allen
Wassern gewaschenen Händlern und skrupellosen
Vertretern ins Saarland ein, um dessen
Bewohner mit ihren "exklusiven" Angeboten zu
überfallen. Mit Werbegeschenken und unlau- teren
Methoden aller Art versuchten sie nach Manier
von Bauernfängern ihre Waren (manch- mal waren
es die letzten Ladenhüter) zu angeblichen
Sonderpreisen an den Mann zu bringen. Man
musste den Eindruck bekommen, dass sie die
Saarländer regelrecht "melken" wollten.
|
Zahlreiche
Menschen im Saarland konnten den
Versuchungen nicht widerstehen und
kauften mehr, als sie mit dem ihnen
zur Verfügung stehenden Geld bezahlen
konnten. Und plötzlich waren
Ratenkäufe an der Tagesordnung. Man
sagt, dass mehr als ein Viertel der
Kunden auf Kredit einkaufte. Und so
gerieten zahlreiche saarländische
Familien schnell in die Schuldenfalle.
|
Christian Rumler,
heute Tirol, schreibt uns zu diesem
Thema:
Bei der Einführung
der DM in der ehemaligen DDR im Juli
1990 meinte
mein Vater: Genauso war es damals,
als die Saar ange- schlossen wurde:
Als erstes kamen die Gauner und
Glücksritter und haben die Leute mal
richtig abgezockt... War doch so,
oder?
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3)
Soziale Vergünstigungen aus der Frankenzeit
wurden gekürzt, Abgaben erhöht.
Ab 1947
war im Saarland die Organisation des Tarif-
und Lohnrechts sowie der Sozialversicherung
dem französischen
System
sehr eng angeglichen worden. Auf Grund dessen
hatten hier zwölf Jahre lang bessere
Bedingungen für die arbeitende Bevölkerung
geherrscht als in der Bundesrepublik. Nach der
wirtschaftlichen Angliederung am Tag X wurden
aber im Saarland die bundesdeutschen Sozialgesetze angewandt, und die
Lohnabzüge und Lohnzulagen wurden - fast
ausschließlich zum Nachteil der Arbeitnehmer -
dementsprechend angepasst.
Die Heimatbundparteien hatten unter der
Führung des DPS-Vorsitzenden Dr. Heinrich Schneider zwar während des
Wahlkampfs zur Volksabstimmung in Aussicht
gestellt, dass nach dem wirtschaftlichen
Anschluss an die BRD alle im Saarland
bestehenden Sozialleistungen beibehalten
würden. Auch in den
Rückgliederungsverhandlungen hatten sie dies
unter dem Stichwort
"Wahrung des sozialen Besitzstandes" vehement eingefordert.
Aber sie konnten ihr Wort nicht halten: Die
Bundesregierung lehnte alle diesbezüglichen
Zugeständnisse ab, unter anderem weil sie
befürchtete, dass sich dadurch die
Integrierung des neuen Bundeslandes in die
Ländergemeinschaft verzögern würde.
Dadurch
fielen nach der wirtschaftlichen
Rückgliederung viele großzügige
Vergünstigungen des bisherigen Saarstaats
entweder ganz weg oder wurden mehr oder
weniger stark gekürzt.
Im
Einzelnen gab es folgende
einschneidende
Veränderungen:
Das
bisherige Familienzulagesystem
wurde abgeschafft. Dieses hatte den
verheirateten Arbeitnehmern folgende
monatliche Zulagen gewährt:
Frauenzulage (2000 frs.), Kindergeld schon für das
erste (2.300 frs.) und zweite Kind
(3.700 Frs). Diese Familienzulagen
erhielten auch die Rentenempfänger und
Arbeitslosen, und an Weihnachten
wurden sie sogar verdoppelt bzw.
verdreifacht. Aber nach dem Tag X
fielen sie vollständig weg.
Folgende
Lohnabzüge
wurden angehoben: Der
Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag
stieg
für Arbeiter von 3,5 auf 4,5%; für
Angestellte von 2,5 auf 3,1%. Die Beiträge
zur Rentenversicherung kletterten von
5,5 auf 7%, und die Arbeitslosenversicherung stieg um 1% an.
Die Kirchensteuer
stieg
von 8 auf 10%.
Diese
Informationen und die Tabelle
stammen aus einem Flugblatt
der DFU, herausgegeben
Ende 1960 von Richard
Kirn, der unter JoHo
Arbeitsminister war. Die Richtigkeit
der Angaben konnten wir nicht
überprüfen.
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Insgesamt
bedeutete die Anpassung der Lohnzulagen und
der Lohnabzüge an die bundesdeutschen
Lohnbelastungen eine durchschnittliche
Verschlechterung für die Arbeitnehmer an der
Saar von 10 bis 15 Prozent.
Gemäß
den Infos in dem erwähnten Flugblatt gab es
noch weitere Nachteile: Die Dauer der Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall wurde stark gekürzt. Die Invaliden- und
Angestelltenrenten sanken um ca. 30 % und wurden nun
nicht mehr schon im Alter von 60 Jahren
gewährt. Die bisherige Schlechtwetterregelung der Bauwirtschaft (60 %
des Lohns plus Familienzulagen) wurde
ersatzlos gestrichen.
H.
Dietz berichtet: Mein Vater arbeitete
auf der Grube König. Er ist schon vor vielen
Jahren verstorben. Ich erinnere mich aber
noch gut an einen Ausspruch von ihm nach dem
Tag X: "Vorher riefen sie JoHo! jetzt
rufen sie oho!" (bei einem Blick in
ihre Lohntüte). Meine Eltern hatten 1949/50
ein Haus gebaut. Nach dem Anschluss hatten
sie es aber nicht mehr einfach mit dem
Abbezahlen der Schulden. Letztlich ist es
ihnen mit viel Mühe gelungen.
i)
Proteste, Streiks und Demonstrationen
So
führten also die zahlreichen Preiserhöhungen
in Verbindung mit der durch Kreditaufnahmen
entstandenen Schuldenbelastung und der Kürzung
der sozialen Leistungen dazu, dass es den
Saarländern
nach dem Tag X finanziell wesentlich
schlechter ging als vorher. Nach der Euphorie über den endlich
vollzogenen vollständigen Anschluss an die
Bundesrepublik folgte für viele eine gewisse Ernüchterung.
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Für
viele Familien war es jedenfalls
plötzlich sehr "eng" geworden. Zur
Veranschaulichung ihrer finanziellen
Schlechterstellung sagten die
Saarländer nach dem Tag X zum
Beispiel: "Vor der Rückgliederung
hatten wir Butter auf der Fensterbank
[zum Kühlen], jetzt gibt es [im neu
angeschafften deutschen] Kühlschrank
nur noch Margarine."
Vielerorts
protestierten
die Saarländer gegen die nicht erwarteten
Verschlechterungen. Schon kurz nach
dem Tag X hielt z.B. die DPS eine Protestkundgebung mit ihrem
Vorsitzenden Dr. Heinrich Schneider in
der Wartburg ab ( siehe Foto links - von
Gerd Schulthess).
Am
9. Juli 1959 gab es einen landesweiten
einstündigen Proteststreik gegen die
Erhöhung der Preise. Der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB)
betonte
in einer scharfen Stellungnahme, dass
sich die empörten Klagen über die
Versuche von
Dienstleistungsunternehmen und
Geschäften häuften, die Frankenpreise
einfach mit dem ungerechtfertigten
Kurs von 1 : 100 umzustellen, statt
die nach der wirtschaftlichen
Eingliederung in Kraft getretenen
Vergünstigungen an die Verbraucher
weiterzugeben.
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Auch
das Präsidium des Landesverbandes des
saarländischen Einzelhandels richtete einen Appell zur
Preisdisziplin an die Einzelhändler. Die Eisenbahngewerkschaft schaltete sich
ebenfalls ein und protestierte gegen die
geplante Einführung des bundesdeutschen
Sozialrechts im Saarland.
Die Studenten demonstrierten in einem
Protestmarsch gegen die hohen Straßenbahn-Fahrpreise. Ministerpräsident Röder
bezeichnete diese Aktion als "Staffage
ostzonaler Agitatoren" (Deutsche Saar vom 10. Juli 1959,
zitiert nach "Von der Stunde 0...", S. 250).
Die
folgenden Bilder geben einen Eindruck von der
Entrüstung der Demonstranten. Im vierten Bild
ist Ministerpräsident Röder zu sehen. (Alle Fotos sind von Gerd
Schulthess.)
Blitzbesuch von
Ludwig Erhard
Auch
der Besuch des Wirtschaftsministers
Ludwig Erhard im Saarland am 13. Juli 1959
brachte keine Änderung. Bundeskanzler
Adenauer hatte ihn etwa eine Woche
nach dem Tag X zu einem Blitzbesuch in
das neue Bundesland geschickt. Er
sollte sich ein Bild von den Problemen
der Saarländer machen und versuchen,
die Gemüter zu beruhigen. Auf einem
Gang durch die Straßen von Saarbrücken
schaute er sich Marktstände, Läden und
ihre Auslagen an. Am Ende seines
Besuches ließ er verlauten, dass ihm
an den Preisen nichts Besonderes
aufgefallen sei. Kein Wunder,
entsprachen diese doch etwa
denjenigen in der übrigen BRD. Dass
sie teilweise viel höher waren als bei
uns zur Frankenzeit, konnte er nicht
erkennen.
Diese
drei Fotos (von Walter Barbian)
zeigen Bundeswirtschaftsminister
Ludwig Erhard bei seinem Besuch im
Saarland am 13. Juli 1959; im Bild
unten sehen wir ihn vom Saarbrücker
Hauptbahnhof kommen.
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Am
4.
November 1959 veranstaltete die
Gewerkschaft ÖTV eine Protestkundgebung, in der sie
einen Lohnausgleich für die durch die
Währungsreform bei der
wirtschaftlichen Rückgliederung
entstandenen Einkommens- verluste
forderte. Auf einem der dabei durch
die Stadt getragenen Transparente war
zu lesen:
Im
Saarland herrscht
soziale Not,
die
Bonner nehmen uns das
Brot.
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Aber
alle Proteste konnten nichts an der
Situation ändern, und viele Saarländer trauerten
nun der Frankenzeit nach, weil es den
meisten nach der Währungsumstellung
wirtschaftlich ein gutes Stück
schlechter ging als vorher.
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j)
Folgen der Rückgliederung für die
Saarwirtschaft
Als
Konsequenz der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten und des härter gewordenen
Wettbewerbs mussten viele kleinere und
mittelständische Firmen im Saarland ihren Betrieb einstellen und Konkurs anmelden.
Die großen etablierten bundesdeutschen Firmen
hatten den saarländischen Markt dermaßen
überschwemmt, dass die Nachfrage nach
saarländischen Produkten erheblich nachließ
und viele einheimische Betriebe sich nicht
gegen die riesige Konkurrenz behaupten konnten.
Es gab
allerdings auch Übergangshilfen
und zinsgünstige Kredite, die einigen Unternehmen dabei
halfen, auf dem bundesdeutschen Markt Fuß zu
fassen. Andere Firmen hatten schon rechtzeitig
vor dem Tag X vorgesorgt und den Schwerpunkt
ihrer Geschäftsbeziehungen nach Frankreich verlegt. Zum Beispiel
hatte die Firma MEISTERFUNK, die in
Saarbrücken Rundfunkgeräte herstellte und
erfolgreich im Saarland (und auch nach
Frankreich) verkaufte, ihre gesamte
Produktionsstätte frühzeitig ins Elsass
verlegt und auf Telefonanlagenbau umgestellt.
Dies berichtete der Gründer und Inhaber G.
Eisvogel, der heute noch in Saarbrücken lebt (siehe auch Seite Radiogeräte).
In den
ersten Jahren nach dem Tag X blieb der Warenaustausch zwischen dem Saarland
und Frankreich aufgrund der Festlegungen im
Saarvertrag (siehe
1. Abschnitt auf dieser Seite) auf einem bemerkenswert
hohen Niveau. Zudem erfuhr die Bauindustrie eine unerwartete Hochkonjunktur, die auch dem saarländischen Handwerk zugute kam.
Fazit
1:
Als
erstes Fazit über die Folgen der
wirtschaftlichen Rückgliederung soll hier die
Aussage eines Saarländers zitiert werden,
welche die Saarbrücker Allgemeine Zeitung am
6. Juli 1960 abdruckte, also ein Jahr nach dem
Tag X:
"So
gut, wie man es uns in Bonn prophezeit
hatte, geht es uns nicht - aber auch nicht
so schlecht, wie einige Miesmacher
behaupten."
Fazit
2:
Die
Saarfrage war nun zwischen Deutschland und
Frankreich geklärt worden - zwar in harten
Verhandlungen, aber doch insgesamt in gutem
Einvernehmen und gegenseitigem Verständnis.
Daraus könnte man schließen, dass das Saarland
nun doch noch die Funktion einer Brücke zwischen den beiden
Nachbar-Staaten übernommen hatte. Und so wäre
die Aufgabe, die die JoHo-Regierung der Brücke
in dem Saar-Wappen symbolisch zugedacht
hatte*), erfüllt worden... wenn auch auf eine
etwas andere Art und Weise als ursprünglich
von ihr beabsichtigt.
*)
Siehe auf unserer Seite Name, Flaggen, Wappen,
Siegel, Hymnen im Abschnitt C) unter c)!
Fotonachweis: Alle
Fotos ohne eigene
Quellenangabe in dem obigen Text hat uns das Stadtarchiv
Homburg freundlicherweise zur
Verfügg gestellt.
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ANHANG:
Bericht über den Großtransport
der DM ins Saarland Anfang Juli 1959
Grenzschützer
aus Duderstadt bringen D-Mark ins
Saarland
Der
Großtransport der D-Mark lief unter dem
Tarnnamen
"Mairegen"
und wurde vom Bundesgrenzschutz bewacht, der hatte auf dem Saarbrücker Messegelände mit 500 Mann
Quartier bezogen hatte.
An
ein historisches Ereignis vor 50 Jahren
erinnern sich ehemalige Beamte des
Bundesgrenzschutzes in Duderstadt. Bei der
„Aktion Mairegen“, dem Geldtransport zur
Währungsumstellung im Saarland, waren sie
eingesetzt. Heinz Hobrecht sprach mit den
Zeitzeugen:
Eduard
Monzen,
Manfred Kühn und Gerhard Schröer erinnern
sich noch sehr genau an diese Zeit. Mit
weiteren Beamten der Bundesgrenzschutz- abteilung Duderstadt, die damals noch
der Abteilung Clausthal-Zellerfeld
unterstellt war, wurden sie in der Zeit vom 5.
bis 13. Juli 1959 bei diesem Geldtransport
aus Anlass der wirtschaftlichen
Eingliederung des Saarlandes an die
Bundesrepublik Deutschland eingesetzt.
Auch Sigismund Jantz und Alfons Panske
sind dabei gewesen und haben dieses Stück
europäischer Geschichte hautnah
miterlebt.
Der
Bundesgrenzschutz,
so schildern die beiden Beamten im Ruhestand, hat
damals mit 64 Lastwagen genau 578
Millionen Mark in das Saarland
transportiert. Die Geldtransporte wurden
von Hubschraubern, der Bereitschaftspolizei
und von BGS-Beamten gesichert. Aus der
Abteilung GSA II/4 Clausthal-Zellerfeld
waren insgesamt zirka 20 Beamte dabei,
fünf aus der 7. Hundertschaft in
Duderstadt.
Ebenso wie in vielen anderen
BGS-Abteilungen sei damals im Standort
Duderstadt vorab nur von einer
„Sternfahrt“ die Rede gewesen, berichten Kühn, Monzen und Schröer. „Keiner von uns wusste,
was auf uns zukommen würde.“
Unter Führung
des Leutnants Günter Czerwinski wurden die
Kräfte mit fünf Lastkraftwagen des Typs
Magirus sowie einem Rover in Marsch
gesetzt. Gegen 14 Uhr trafen sie im
hessischen Alsfeld ein. Auf der Straße
Alsfeld-Grünberg, unweit der
Bundesautobahnauffahrt
Alsfeld-Pfefferhöhe, trafen sich alle
Einsatz- kräfte des Grenzschutzkommandos
Mitte mit insgesamt 24 Magirus-Lastwagen.
Die Worte des Kommandeurs des Grenzschutz-
Kommandos Mitte bei der Begrüßung klingen
Monzen, Kühn und Schröer noch heute sinngemäß in
den Ohren: „Ihr seid die auserwählten
Kräfte der Abteilung. Ihr seid die
Garanten dieser Sternfahrt, die in die
Geschichte des BGS eingehen wird.“ Erst
hier, so die Beamten, sei ihnen der wahre Grund
für den Einsatz Geldtransport ins Saarland
bekannt gegeben worden.
Auftrag und
Marschziel für die Beamten in den
Lastwagen 7a, 7b und 7c war
Kaiserslautern. Gegen 22 Uhr trafen sie
dort ein – auf einem Festplatz nahe der
Landeszentralbank. Ab 2 Uhr am Morgen des
6. Juli, so berichten die Ruheständler,
hat das Beladen der Fahrzeuge mit dem Geld unter
strenger Bewachung begonnen. Neben dem
Fahrer und dem Beifahrer mit
Maschinenpistole seien jeweils drei Beamte
mit Gewehren dabei gewesen, und zusätzlich
drei Bankbeamte für die Verteilung des
Geldes.
Erstes Ziel
des Transportes, der unter starker
Bewachung von Bereitschaftspolizei des
Landes Rheinland-Pfalz und Hubschraubern
erfolgte, war Saarbrücken. Nach der
Ankunft wurden die einzelnen Banken und
Sparkassen unter Polizeieskorte mit Geld
beliefert. Oberwachtmeister Monzen war
z.B. für zwei Banken und Sparkassen in Ensdorf
und für drei weitere in Schwalbach,
Elm und Köllerbach
zuständig, wie er sich erinnert. Zur
Aufgabe der Beamten gehörten auch das
Abholen der saarländischen Francs von den
Geldinstituten und der Transport zur
Landeszentralbank nach St. Ingbert. „Beim
Rücktransport der umgetauschten Francs
hatten wir Milliarden von Franken auf dem
Kraftfahrzeug“, so die Beamten.
(Wiedergabe
des Zeitungsartikels und des Fotos mit
freundlicher Genehmigung des Göttinger
Tageblatts. Den Artikel hat Friedrich
Fess entdeckt, dessen persönliche
Erinnerungen an seine Kindheit Sie hier lesen
können.) -
Zu
dem Bild oben: Gerhard Schröer, Eduard
Monzen und Manfred Kühn im Jahr 2009 mit
einer Straßenkarte von 1959 (als sie alle etwa 25
Jahre alt waren). Foto:
Göttinger Tageblatt
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Zum
Abschluss noch eine Geschichte von Gerhard Bungert über die neue
Einstellung der Saarländer zum Einkaufen
nach dem Tag X:
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Die Kurzgeschichte
„Peperoni und der Tag X“ ist zum ersten
Mal erschienen in dem Buch „Hauptsach es
schmeckt – im Saarland, Essen, Trinken
und Feiern", herausgegeben von Gerhard
Bungert und Charly Lehnert, mit
Zeichnungen von Werner Neumann.
Saarbrücken 1987.
Die
Wiedergabe der Geschichte auf dieser Website erfolgt mit
freundlicher Genehmigung ihres Autors.
Näheres
über Gerhard Bungert können Sie
auf unserer Seite Über uns nachlesen.
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Literaturangaben
zum Thema dieser Seite:
125
Jahre Währungsgeschichte an der Saar 1859
- 1984.
Landeszentralbank im Saarland, 1984
100
Jahre Saar-Bank 1896 - 1996, Chronik. Saarbrücken 1996.
60
Jahre St. Wendeler Volksbank,
Jubiläumsjahr 1988.
Von der `Stunde
0´ zum `Tag X´. Das Saarland 1945-1959.
Saarbrücken 1990.
Das
Saarland. Politische, wirtschaftliche und
kulturelle Entwicklung. Landeszentrale für
politische Bildung, 2. Aufl. 1991.
Saarbrücker
Zeitung
vom 5.7.59 und vom 7.7.59, Westpfälzische Rundschau v. 4.7.59 sowie
andere Tageszeitungen aus dieser Zeit.
Quelle
für den Wortlaut des "Luxemburger
Vertrages zur Regelung der Saarfrage" vom
27. Oktober 1956):
http://www.verfassungen.de/de/saar/vertrag56.htm
Diese
Seite wurde erstellt am 25.06.2009 und
zuletzt bearbeitet am 28.9.2020
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