A) Radio-Geräte Text & Fotos: Michael John, Holz
Michael John wohnt
in Holz und sammelt mit viel Liebe und Zeitaufwand alte Radios. Er hat
für Saar-Nostalgie recherchiert und zahlreiche Einzelheiten über die drei
saarländischen Hersteller herausgefunden. Hier sein Bericht:
Wenn die Saarländer
Radios aus dem benachbarten Deutschland
kaufen wollten, mussten sie hohe Zollgebühren
für die Einfuhr zahlen. Radios aus
Frankreich waren dagegen (weil die Saar
wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen
war) wesentlich billiger hier. Deshalb wurden
nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche französische
Radios im Saarland auf den Markt gebracht,
die teilweise sogar mit einer deutsch- sprachigen
Skala ausgestattet waren. Aus diesem
Grund sind Radios aus dieser Zeit, die man
heute noch bei uns auf Flohmärkten
oder bei Nachlass-Auflösungen findet,
fast ausschließlich französischer
Herkunft. Als Beispiel dafür sehen Sie oben auf unserer Seite Radio Saarbrücken - Erinnerungen einen Philips BX-511-A.
Was aber heute nicht
mehr viele Leute wissen, ist die Tatsache,
dass in dieser Zeit auch drei saarländische
Radiohersteller in kleinen Fabrikhallen hier im Saarland Radios gebaut
haben.
Dies waren die Firmen JOBA (Josef Bayer)
in Rohrbach, später St. Ingbert, RIWECO (Gesellschaft für
Elektro- u. Rundfunktechnik m.b.H.) in Ensheim, sowie Meisterfunk-Eisvogel, die ihre Produktionsstätte
in Saarbrücken auf der Lerchesflur hatte.
1)
JOBA - Josef Bayer, St. Ingbert (weitere Infos über JOBA ganz unten!)

Die Firma JOBA war
wohl der kleinste der drei saarländischen
Hersteller und produzierte von 1948 bis
1952 eigene Radiomodelle.
Josef Bayer eröffnete 1935 in Rohrbach
einen kleinen Radiohandel. In bescheidenem Rahmen stellte er dort auch
schon eigene Radios her. Im Dezember 1948 zog er mit seinem Laden in
die Kaiserstraße 104 in Sankt Ingbert um und begann dort unter eigenem Namen mit der Produktion
von Radioempfängern. Mit einer kleinen
Belegschaft von 15 Mitarbeitern wurden Gehäuse, Skalenantriebe und Chassis
selbst gebaut. Die Teile dafür bezog er
von französischen und saarländischen
Herstellern. Im Jahre 1951 erfolgte (vermutlich
aus Platzgründen) der Umzug in die
alte Seifenfabrik in der Elstersteinstraße
49 in St. Ingbert.
Das Besondere an
diesen Geräten der ersten Stunde nach
dem Krieg war die Verarbeitung. Die Chassis mit
dem Radioaufbau wurden aus Presspappe statt
aus Blech gefertigt, vermutlich aus Materialmangel
nach dem Krieg. Spätere Geräte
baute JOBA auf Aluminiumchassis auf.Im Jahre 1952 erschienen
dann mit den beiden Jubilar-Modellen (der
eine mit Drucktasten, der andere ohne) die
letzten in Sammlerkreisen bekannten Modelle
von JOBA, die zugleich seine ersten Modelle
mit UKW waren. Auf den Skalen findet man
einen Kranz mit einer 25 in der Mitte. Welches
Jubiläum damit (und mit der Bezeichnung
"Jubliar") gefeiert werden sollte,
ist uns leider bis heute unbekannt.
Über den weiteren
Produktionsverlauf ist auch in Sammlerkreisen
nichts bekannt. Im Oktober 1957 wurde die
Firma JOBA umbenannt in "Funktechnische
Werkstätte und Fabrikation".
Aufstellung
aller bekannten JOBA-Geräte:
Produktionsjahr |
Modell |
Preis |
Besonderheit |
|
|
(soweit bekannt) |
|
1949/50 |
Junior |
11.750
Frs. |
|
1949 |
Principal
(I) |
19.900
Frs. |
|
1950 |
Principal
(II) |
|
|
1950 |
Senior |
|
|
1951 |
Musikus |
|
Musikschrank
mit Plattenspieler |
1952 |
Jubilar |
|
UKW |
1952 |
Jubilar
mit Tasten |
|
UKW -
erstes Tastengerät |
In zeitgenössischen
Zeitungsanzeigen wurden außerdem auch
ein Kofferradio und eine Laufwerkschatulle
zur Saarmesse 1950 angekündigt. Da
sich hiervon kein Gerät in Sammlerhand
befindet, ist anzunehmen, dass es sich dabei
höchstens um eine Kleinserie handelte.
Weitere Infos und Fotos der Firma JOBA finden Sie ganz unten auf dieser Seite!
2)
RIWECO - Ges.f.Elektro- u. Rundfunktechnik
m.b.H. Ensheim
Die saarländische Firma Riweco war eine
Tochterfirma von Riweco in Schwenningen
im Schwarzwald. Die Produktion der Radiogeräte
erfolgte in den Jahren 1949
bis 1951 in Ensheim. Dort hatte man sogar
eine eigene Entwicklungsabteilung und baute
Geräte, die besonders im technischen
Bereich erheblich von denjenigen aus
bundesdeutscher RIWECO-Produktion abwichen.
Die saarländischen Radios waren mit
französischen Röhren und Bauteilen
bestückt. Lediglich die Gerätenamen
und wenige technische Einzelheiten wurden
gemeinsam verwendet, z. B., sehr markant,
die Skala mit zwei Skalenzeigern. Ansonsten
waren die Geräte so unterschiedlich,
als wären sie von unabhängigen
Herstellern gebaut. Ein noch heute sehr
bekannter Name ist der des Ingenieurs Rummel,
der damals an der Entwicklung der Geräte
beteiligt war.
Produktion |
Modell |
Preis |
Besonderheit |
|
|
|
|
1949/50 |
Paganini
W661 |
21.450
Frs. |
es gab ihn
mit 2 versch. Skalenausführungen |
1949 |
Caruso
W770 |
|
|
1949 |
Saar
W660 |
23.900
Frs. |
|
1949/50 |
Caruso
W666 |
26.600
Frs. |
|
1949/50
|
Carola
W966
|
48.800
Frs.
|
2-Kanal-Endstufe |
1949/50 |
W760 |
135.000
Frs. |
Musiktruhe
mit Chassis vom W966 |
1950/51 |
W662 |
|
|
3)
Meisterfunk - RFE Eisvogel, Saarbrücken
Die Firma RFE
Eisvogel - Meisterfunk hatte ihren Sitz
in Saarbrücken. Die Radioproduktion
fand von 1954 bis 1957 in einem alten Bunker
statt, der umgebaut worden war und die Produktionsräume
der Firma darstellte. Diese hatte die größte
Produktpalette der drei hier vorgestellten
Firmen. Ebenso wie JOBA und RIWECO wurden
die Meisterfunk-Radios mit französischen
Bauteilen und Röhren gebaut. Aber sie
verfügten (laut den hier vorliegenden
Originalprospekten) über verschiedene
Besonderheiten. Zum Ersten die so genannte
"Selbst-Eichskala". Man kann bevorzugte
Sender auf der Skala mit einem Bleistift
markieren, und falls nötig, kann man
es wieder wegradieren. Des Weiteren waren
verschiedene Radios mit Gehäusen ausgestattet,
die gegen Wasser, Alkohol, Sonne, Säure
und Hitze unempfindlich sein sollten. Poliert
wurden diese Gehäuse mit Polyester,
und sogar eine brennende Zigarette sollte
keine Schäden am Gehäuse hinterlassen.
Die Röhrenradios und Musiktruhen mit
Plattenspieler wurden mit Laufwerken der
französischen Marke Teppaz ausgestattet.
Die Geräte
wurden auf Tonfunk-Basis gebaut. Die Firma
Tonfunk hatte ihren Sitz in Karlsruhe und
ist Sammlern heute noch ein Begriff. Meisterfunk
übernahm die Typenbezeichnungen von
Tonfunk und bezog einige Bauteile von dort,
die in Frankreich nicht erhältlich
waren, z.B. UHF-Teile und einige Gehäuse.
Die meisten Gehäuse, sämtliche
Chassis und die Skalen waren aus eigener
Herstellung.
Viele Geräte
wurden damals auch vom Saarland ins benachbarte
Lothringen und ins Elsass exportiert, wie
wir von einem französischen Sammler
erfahren haben.
Die Geräte
hatten fast alle den gleichen Chassisaufbau
und auch oftmals sehr ähnliches Aussehen.
Aus Erzählungen wissen wir, dass
die Meisterfunk-Radios oftmals schon kurz
nach Verkauf bereits technische Probleme
hatten.
Der Firmengründer,
Paul Gregor Eisvogel, wohnt heute in Saarbrücken.
Er hat die Firma 1958, also kurz vor dem
wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes
an die BRD, nach Woerth im Elsass verlegt.
Nach 1961 wurden dort auch Fernseh-Empfänger
gebaut. Die Firma bestand bis 1963, eine
Nachfolgefirma baute danach Telefonanlagen
u.ä.
Insgesamt gab es ca. 30 verschiedene Modelle von Meisterfunk. Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem großen
Programm von Meisterfunk:
Produktionsjahr |
Modell |
Preis |
Besonderheit |
|
|
|
|
1955 |
W632-S
3D |
|
Musikschrank |
1955 |
W631-S
3D |
|
Musikschrank |
1956 |
Comedia
516 |
|
|
1956 |
W432-S
3D |
|
Radio
mit Plattenspieler |
Während JOBA- und RIWECO-Radios heute in Nachlässen oder auf
Flohmärkten sehr selten zu finden sind, trifft man Meisterfunk-Radios
noch recht häufig an.
Nachfolgend einige
Radiomarken
aus französischer Herstellung, die damals auch im Saarland sehr verbreitet waren:
Desmet, Reela,
Ralsa, Marquett, Radiola, Philips, Ondia,
Minerva, Socradel, RTA, LMT, Général
Radio, Schneider Frères.
Mit dem Tag X (wirtschaftliche
Rückgliederung an Deutschland) verschwanden diese Geräte aus dem
alltäglichen Gebrauch im Saarland. Die meisten Saarländer stiegen auf
Geräte der bundesdeutschen Firmen SABA, Grundig oder Telefunken um, die
in der technischen Ausstattung natürlich besser entwickelt waren als
die saarländischen. In Bezug auf Aussehen
und Design
konnte aber kaum eine deutsche Marke
den französischen und saarländischen
Geräten aus der Zeit von 1945 bis 1957
das Wasser reichen. Diese sind heute beliebte Sammlerstücke geworden.
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