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c) Erinnerungen verschiedener Zeitzeugen
1) Wolfgang M. Schoenes - Meine Kindheit in der Bahnhofstraße
2) Geert Flammersfeld - Ich war gerne ein "Saar-Franzose"
3) Ernst Ulrich Maas - Ein "Saar-Franzose" vom Häädschdogg
4) Heinz Bleß, Ottweiler - Marilyn Monroe und der Kollateralschaden
5) Anekdoten aus der Zeit kurz vor und nach der Volksbefragung 1955
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1) Meine Kindheit in der Bahnhofstraße von Wolfgang M. Schoenes, Hamburg
Heute bin ich Facharzt für Orthopädie in Hamburg, nun Rentner, und wie es so in diesem Lebens- abschnitt häufig ist, erkunde ich nun nochmals retrospektiv meine Zeit in SB. Ich suche noch Fotoaufnahmen rund um das Haus Bahnhofstraße 98/Ecke Viktoria-Straße, denn dort bin ich zwischen
1946 und 1952/53 aufgewachsen. In dem Haus hatte mein Vater, Dr. Alois Schoenes,
seine Zahnarztpraxis im 2. Stock, und nach hinten wohnten wir; parterre rechts war
Bock & Seip, links im Haus Tapeten-Farben Braun im Erdgeschoss, im 1. Stock Friseur Östringer, und ganz oben in der Mansardenwohnung wohnte die Familie Beckinger mit
zwei Mädchen - sie waren als Spielkameradinnen sehr geeignet. (Foto Fritz Mittelstaedt, Stadtarchiv Saarbrücken)
Der Hinterhof war unser Abenteuerspielplatz, mittendrin lag ein riesiger Trümmerhaufen eines Hauses, stinkend nach Urin usw. Da war auch noch der
Parkplatz der Fa. Leder-Spielwaren Orth; man fuhr einen 11er-Citroën, edelst
bechromt, mit Chauffeur. Bock & Seip hatte immer Unmengen von leeren
Bücherkartons im Keller; sie dienten meinem Bruder und mir als "Panzer" (innen
hinein und über Querrollen durch den Dreck des riesigen Hofes mit Staub und schwarzem
Schotter); bei Farben-Braun in den dunklen und ebenfalls muffigen Keller rein und
zwischen Terpentin- und Farben-Dosen gruseln, beim Fußballspielen hinfallen und
eine saftige Platzwunde über dem rechten Knie bekommen, weiterspielen, mit
dreckigem Taschentuch (kein Tempo) abbinden - die Narbe habe ich heute noch.
Hinten links ragte eine riesig hohe Häuserruine in den Himmel, vor deren leeren Fensterrahmen und Treppenabstürzen selbst wir uns
fürchteten und uns nicht trauten, dort zu "spielen". Dann gings in die Viktoriastraße hinein; an Walter's Eck gab es bald
einen ständigen Rostwurststand*) - mein Vater, wohlgemerkt als Zahnarzt, meinte oft,
Wolfgang, der verdient mit seine "Würschd " mehr als ich... Spendiert hat unser
Vater uns auch ganz selten eine Wurst - sei zu teuer...
*) Anm. von Saar-Nostalgie: gemeint ist natürlich eine Rooschdworschdbuud (Foto: © Walter Barbian)
Sehr große, geradezu andere wohl nervende Lust war es, im
Spiel- und Lederwaren Orth, rechts neben dem Haus und dem anschließenden PK,
ständig aufzukreuzen, ohne "Penunzen", selbstredend, und alles zu visitieren;
Rolltreppen rauf, Rolltreppen runter, im PK ganz hinten rechts zum Ausgang
Passage - deshalb hieß es auch Passage Kaufhaus, früher Kaufhaus Wernk (Besitzer) -
täglich an den Keks- und Pralinenverkauf rennen, um zu betteln: "…hannse e paar
Krümmele?" war unsere Kinderfrage und wir bekamen unverkäufliche zerkrümmelte
Kekse umsonst - wunderbar!!!
An Walter's Ecke/Viktoria Straße war Feinkost Losego mit Spielkamerad (ein Sohn des Inhabers) und links daneben die Drogerie Bähr, die konnten wir
ebenfalls "durchstromern".
Einmal im Jahr war auch ein Aufzug der Sieger, gemeint ist das Französische Militär, mit Musik-Corps und Uniformen etc. von der Reichsstraße in
die "Rue" (Bahnhofstraße) hineinmarschierend, öfter auch mit Kommentaren wie
"aus dem Weg, sale boche!"...
Es galt auch noch, Garelly und Eisenwaren-Kautz (mein Onkel war dort Prokurist) zu durchstöbern: Sinn, Weinhold, F.C. Louis (Musikladen - meine 1. Guitarre!); Radio Krüsmann,
daneben ein Feinkostladen, wo im Winter ganze Rehe mit blutenden Nasen hingen, Schreibwaren-Rudolph... (Foto: alte Postkarte)
Aber der heutige St. Johanner Markt war " no-go-area", des
Suffs und des Rotlichtes wegen; vor dem Kummersteg war für mich der Straßenbahnen-Rangierbahnhof. Im UT-Kino durfte ich mit Mama die ersten Caterina-Valente-Filme
sehen - und wenn es hoch kam, ein Eis am Stiel schlecken ...köstlich!
Im Winter bei ordentlich viel Schnee fuhren wir liegend
"Achterbob", irre schnell vom Schwarzenberg hinab, lebensgefährlich unten in die
Gleise der Line 7, die dort ihre Kreisanlage hatte, etc. etc...
An Faasenacht hat uns Vater immer ans Fenster im 2. Stock "gehängt" damit mir Klääne besser sehen konnten, und wir wurden von dem vorbeiziehende Karnevalspräsidenten jedesmal laut mit Alleh Hopp begrüßt - davon gibt es auch ein Bild in der Saar-Nostalgie, aber leider nur bis in die 1. Etage, leider auch unscharf - bei Foto Hartung; Bahnhofstr./Sulzbachstraße müsste doch was zu finden sein - dieser bekannte Fotograf hat viel in SB gemacht und ein Foto unserer Familie stand jahrelang in seinem Schaufenster.
Zu mir und meiner Familie:
Mein Vater war Zahnarzt, ein Onkel, Dr. Franz P. Schoenes,
Chefarzt des Hl.-Geist-Krankenhauses, hat den sterbenden Ministerpräsidenten Reinert
versucht zu retten (der hatte einen tödlichen Autounfall an der Ecke
Bismarck-/Heinrich-Böckingstraße und wurde mit einem feierlichen Trauerzug durch St.Johann
geehrt).
Ein weiterer Onkel hat die notariellen Verträge beim Bau von
Karstadt zwischen der BRD und dem Saarland festgemacht, wurde später
Justizrat im Saarland (Hermann Schoenes), ein weiterer Onkel (Prof. Dr. Edmond
Schoenes) war Statiker in Saarbrücken - usw. Durch diese Verknüpfungen von Berufen im Saarland habe ich
zu Hause natürlich vieles erfahren, was sonst nicht üblich ist.
Ich bin z.B. mit Thomas Bruch (Bruch-Brauerei) aufgewachsen, wir wohnten nach der Bahnhofstraße in der
Gustav-Bruch-Str. 22, neben der Familie Bruch. Auch zu Autohaus Dechent bzw. dem
damaligen jungen Inhaber hatten wir Kontakt, sowie zu Oskar Lafontaine.
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2) Ich war gerne ein "Saar-Franzose" von Geert Flammersfeld, Manhattan, New York
Neue Erinnerungen von Geert haben wir im Mai 2017 etwas weiter unten hinzugefügt!
Habe vor einiger Zeit die Saar-Nostalgie entdeckt, Siesta machend an einem strahlenden Frühlingstag hier in Manhattan, zufällig fällt das Auge auf Vaters “Das Ziel war Europa” im Bücherregal. Ipad aufklappen, JoHo-Geschichte auffrischen. Voilà!!
Geboren 1938 auf dem Winterberg in St. Arnual, kurz danach und bis Kriegsende in Prag, ab 20.4.45 Internierungslager in Österreich, ca. Oktober ‘45 mit Mutter nach Saarbrücken entlassen. Vater gelang die Flucht aus CZ zwei Jahre später, bleibende gesundheitliche Schäden.
Die Bilder und Artikel von Saar-Nostalgie bringen mir eine Flut an Erinnerungen hervor:
(In Klammern haben wir Links zu den entsprechenden Fundstellen auf der Website hinzugefügt)
- Maisbrot. (> Erinnerungen der Ald Schwaduddel)
- Stangeneis holen mit dem Leiterwagen in der Talstraße.
- Schwimmschiff an der Schlageterbrücke. (> SV08)
- Höckerlinie und Apfelbäume am Spicherer Berg.
- Kutzekepp*) und Stichlinge am Deutschmühlenweiher. *) Kutzekepp: Kaulquappen
- Flugplatz St. Arnual mit dem Grandval’schen Flieger und Segelfliegerstarts an der Motorwinde. (> Flugverkehr)
- PK-Kino mit französischen Krimis. (> Saarländische Kinos)
- Schularbeiten mit AFN im Radio.
- Schlittenfahren auf dem Rotenbühl. (> Erinnerungen Schulfreunde)
- Tennisturniere mit internationalen Stars im Blau-Weiss. Ruderregatten dito im RCS.
- Unsere Peugeots und 11er und 15er Citroëns, Ford Vendôme, Cremeschnittchen, Dauphine. (> PKW (französisch)
- Schon ab 1950 lange Ferien an der Côte d’Azur: St. Aygulf, kleines Kaff, Koffer z.T. auf dem Dach des 11ers festgeschnallt, glühende Nächte in der Pension.
- Häufige Besuche in Paris mit den Eltern, 4 Stunden mit dem Auto oder dem Michelin-Zug.
- Devisenzuteilung war zu knapp für deutsche Ferien. Außerdem fand ich Deutschland in den späten 40ern und während der 50er immer ziemlich bedrückend. Land wie auch Leute, Ausnahme vielleicht Baden. Nicht dass Metz oder Lille das Land des Lächelns gewesen wären, aber insgesamt hatte ich (wie "mein" Saarbrücken) eine westgewandte, atlantische Perspektive. Der Osten war und ist mir fremd.
- Französischer Reisepass überdruckt mit “Sarrois” (> Ausweise, Pässe)
- Verruchte, unerschwingliche Karnevalsbälle im Stadttheater. “Allez hopp”! (> Fastnacht)
- Verdammt gutes Stadttheater.
- Die schülerphantasie-beflügelnde Tante Maja am Sangehanner Markt.
Endlos ...
Ich danke dem Schicksal, meinem Schöpfer, meinen Eltern für diese im Nachhinein gesehen ungewöhnlich unbeschwerten Saarbrücker Nachkriegszeiten. Hinter dem Zoll am Eichelscheider Hof sah das nicht so gut aus.
Ich wusste als Geschichtsbeflissener schon, um was es 1955 ging und war voll des pan-europäischen Eifers. Dass die Saarländer sich freiwillig die Nase aus dem Gesicht schneiden würden -- Rollentausch vom geachteten Wirtschaftspartner zum Empfänger bundesdeutscher Largesse -- ist mir immer noch unbegreiflich. Da wurden wir Provinzschafe von den deutschen (übriggebliebenen?) Propagandisten und Ideologen sauber über den nationalistischen Kamm geschoren. “Wollt ihr, dass eure Söhne
in der französischen Armee dienen?” -- war ja nie die Rede davon!!
Volksschule St. Arnual, Ludwigsgymnasium, Wiederholung Quarta und Vollgas bis Abitur in der Oberrealschule am Landwehrplatz, Dipl.-Ing. Aachen Masch.-Bau/Wärmekraftmaschinen. Habe mich von meinen Co-Semestern gern als Saarfranzose titulieren lassen. Ruhrgebietsbanausen. Danach MBA an INSEAD Business School in Fontainebleau mit Stipendium der französischen Regierung.
Und seitdem USA mit längeren berufsbedingten Ausritten nach Canada, Holland, Deutschland. Deutschland mit Arbeitserlaubnis! Da deutsche Staatsangehörigkeit schon vor Jahrzehnten aufgegeben. Wenn ich nicht mehr "autonomer" Saarländer sein konnte, dann eben gar nicht. Mit einem autonomen Saarland wäre Euch wohl auch ein Oskar L. erspart geblieben :o) Immerhin ist er der einzige notfalls im Ausland bekannte (notorische) Sarrois. Ob’s das wert ist?
Als meine Mutter und ich im Herbst 1945 aus dem US-Internierungslager am Achensee nach Saarbrücken entlassen wurden, war die Stadt weitgehend in Trümmern; das kannte ich ja aus Prag überhaupt nicht, jedenfalls nicht in unserer Neighborhood. Aber unser (von Onkel Louis Pabst geerbtes) Haus war von den Franzosen mit einem Colonel aus dem Stab des Gouverneurs Gilbert Grandval belegt worden. So zogen wir erstmal zur Miete unters Dachjuchheh in die Puccinistrasse, direkt um die Ecke.
Mittlerweile nahm sich der Colonel ein kriegs-verwitwete Bekannte, Marlies Eimbcke, als Gefährtin und stellte sich als absoluter Gentleman heraus: Als mein Vater 1947 aus tschechischer Internierung zurückkam, zog er sich auf die obere Etage zurück, sodass wir das restliche Haus, auf seine Intervention bei Grandval hin, zurückbekamen. In der Folgezeit präsentierte er regelmäßig Köstlichkeiten wie frischen Fisch (turbot ist mir in guter Erinnerung), herrlichen Käse, und Körbe voller Austern, ohne dass er sich nach meiner Erinnerung dazu einlud.
Ansonsten ging meine unerschrockene Mutter mit dem umtriebigen Onkel Walter auf Hamsterfahrt über die Doerfer, wir hatten zwar Lebensmittelmarken, aber es ging uns wesentlich besser als denen "drüben" in der Westzone, vom Osten ganz zu schweigen. Und wie gesagt : Austern satt.
Kartoffeln übrigens daher, dass wir einen Acker geerbt hatten, genau auf der anderen Seite der Grenze in Spichern (wir wissen: die Schlacht am Spicherer Berg 1870), und dass wir die Pacht in Kartoffeln und Zuckerrüben gezahlt bekamen; das waren ehrbare Bauern, man stelle sich das mal heute vor!! Zuckerrüben wurden in Familienaktion mit den Rugges im Keller gewaschen, geschält und gewürfelt und in dem alten kupfernen Wäsche-Waschkessel zu Sirup (saarländisch "Fenner Harz") eingekocht. Zucker war ja lange Mangelware.
Allez hopp -
Geert Flammersfeld
Weitere Erinnerungen von Geert, die er uns im Mai 2017 mitgeteilt hat)
Las gerade erstmals Deine eigenen Erinnerungen [siehe unsere Seite a) Erinnerungen von R. Freyer]. Eine wahre Zeitreise. So viel davon habe ich bewusst und ähnlich erlebt (Jahrgang '38), Badetag in der Zinkwanne
(glückhafterweise als Einzelkind) - die Verwandten Ecke Puccini-/Alleestrasse
wie auch die in Rheinhausen-Hochemmerich hatten richtige, aufrechte,
holzbefeuerte Kupfer-Badeöfen durch den Krieg gerettet - Luxus! Dann, nach Umzug
in unser Haus Alleestrasse 71, aber erst nach Auszug des Colonels (gemeint ist Grandval, der vorher dort wohnte) hatten wir
ein richtiges, großes, weißgekacheltes Gründerzeit-Badezimmer,
sanatoriumsartig - Gott weiß wie das mit dem Warmwasser funktionierte, bevor wir
in den 50ern die koksbeschippte Dampfheizung durch Warmwasserheizung ersetzten -
das ganze alte Haus (von ca. 1880) montelang eine Baustelle. Erst dann wurde in einer Ecke auch eine "Brause" eingerichtet, grosse Klempnerei damals, kein
Vergleich mit den Fertigkabinen vom Baumarkt heute.
Und
Landsieg-Margarine! Stadtbad, Schul-Schwimmen, endloses Duschen, heißes
Wasser. Barsche Zöllner (meine Mutter eine pathologische Schmugglerin, die
erfolgreich "Köder" im Auto auslegte, was wohl auch zur vorzeitigen Alterung
meines Vaters beitrug). Und das ganze "Brimborium" - ich muss das demnächst
meinen Söhnen zeigen, so gut kann ich das gar nicht aufschreiben, keine Zeit,
wenn auch bei der Lektüre so Vieles wieder hochkocht.
Der Kramladen auf
der Saargemünderstraße, der uns ahnungslosen Buben auf dem Heimweg von der St.
Arnualer Volksschule Kondome ("Pariser") im Dreierpack verkaufte, die ich dann
meiner entgeisterten Mutter als preiswerte Luftballon-Entdeckung
offenbarte.
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Habe mich gerade mich nochmal in die SN vertieft, diesmal die Erinnerungen der Ald
Schwaduddel [siehe hier!] (bisher nie gelesen, fand den Namen unsympathisch...). Ich tue
ihr hiermit posthum Abbitte für meine Oberflächlichkeit.
Hervorragend
erzählt, unvorstellbar für mich als behütetes Einzelkind (meine Mutter gebar mich mit
39!), das aus vergleichsweise paradiesischen Prager Kriegs-Verhältnissen und
einem Tiroler "Abenteuer" schließlich in Saarbrücken eine "weiche Landung" erfuhr. Dieses
Glück hatte Ihre Schwaduddel nicht, ihre chaotischen Fluchterlebnisse müssen tiefe Narben
hinterlassen haben, ich habe aus erster Hand aus dem Mund bzw. aus der Feder einer
damals fast Gleichaltrigen noch nie so etwas Erschütterndes gelesen. Auch über
ihre lange, harte Saarbrücker Zeit nach Kriegsende. Ich fühle mich im Nachhinein
beinahe schuldig, dass mir so Vieles durch den Erfindungsreichtum meiner Eltern
und letztlich durch reines Glück erspart blieb.
Geerbtes Haus - auch
wenn alles sonst weg war, Vater zunächst auch; Acker im Spicherer Tal;
umtriebige Hamstermutter und -onkel (ex Pionier); Sommerferien bei Vaters Tante
auf der abgelegenen Kaisersmühle bei Binsheim/Eifel mit großem
Bauernhof/Getreidemühle/Fischteiche/Bäckerei !!! ...
Zu Saarbrücken ist eigentlich von meiner Seite
nach dem immer noch erst teilweise Gelesenen kaum mehr etwas beizutragen, ist ja
alles gesagt: Esskastanien klauen, Klicker spielen, Schwimmschiff, Maisbrot,
prügelnde Lehrer (!), Roschtwirschtscher (selbst noch, wenn ich mit dem Zug aus
Aachener Studium ankam, meistens spaetabends, war der erste Gang zum Stand
gegenüber dem Bahnhof, dann erst zu den geduldig wartenden, den ganzen Zauber
lange finanzierenden Eltern) - etc. etc. etc.
Was Du da bei- und
zusammengetragen hast und weiter pflegst, lieber Rainer, ist episch - chapeau !!
Keep it coming.
Herzlichst - Geert
PS. Das waren starke
Menschen damals nach dem Krieg, die meisten haben die Ärmel hochgekrempelt
statt sich selbst Leid zu tun, auch wenn sie allen Grund dazu gehabt hätten,
wie die Familie der o.g. Autorin. Für jetzt herzlichsten Dank für das "Kopfkino" und Grüße
aus der Ferne, Geert
(Geerts saarländischen Jagd- und einen Waffenschein von 1954/55 können Sie auf unserer Seite Ausweise unter Nr. 6) sehen. Sein Motorrad, das er eine Zeitlang mit SAAR-Aufkleber in Manhattan fuhr, sehen Sie auf der Seite Echo.)
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3) Ein "Saar-Franzose" vom Häädschdogg (Ernst Ulrich Maas, Chiliwack, Canada)
Obwohl ich meine geliebte Heimat vor vielen Jahren verlassen habe, fühle ich mich ihr noch immer sehr verbunden. Ich wurde am 4.11.1947 auf dem Heidstock (Völklingen) geboren, und zwar in der Küche, da es der einzige warme Raum war. Mein späterer Entschluss, Völklingen zu verlassen, war rein beruflich.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als der Wahlkampf
stattfand. Mir gefielen die roten Aufkleber mit dem Adler der DPS so gut, dass
ich welche hier und da an Pfosten und Türen klebte. Bis mich unser Nachbar, Herr
Kreis, erwischte und mir Prügel kostenlos anbot. Er, er war Anhänger der DSP.
Nach 1935 durfte er der NSDAP nicht beitreten, da er ein Sozialist war. Nach dem
Krieg war er ein so genanntes Opfer der Nazis. Na ja, das waren halt noch
Zeiten.
Mein Vater hatte zuerst ein Cremeschnittchen und mein Onkel
hatte einen DS 19. Das Creme- schnittchen war
ein schlechtes Auto. Wir sind oft in die Ardennen und ins
Elsass zur Verwandtschaft gefahren, und das kleine Auto hat an
Hügeln und Bergen sehr geschnauft. Der DS 19 war
großartig.
Meine Mutter lebt in Prien und ich habe ihr das Gedicht
von Vaters Heimkehr ["De Babbe kummt hemm", siehe auf der Seite Vati kommt heim, etwa in der Mitte] geschickt und auch ein Bild vom Cremeschnittchen. Wir sind halt richtige Saar-Franzosen. Verwandtschaft in Lothringen, Elsass und Ardennen. Ich war im französischen Kindergarten und habe die erste Klasse auch dort angefangen. Aber mein Vater hat
befürchtet, dass ich nicht Deutsch lesen und schreiben lernte. Die französische
Schule (an der Stadionstraße) war großartig, und die Lehrerin war sehr nett zu
uns allen. Meine Mutter erzählte mir später, ich sei nur deshalb angenommen
worden, weil mein Onkel eine gute Stelle auf der Hütte hatte (Beziehungen halfen
auch damals schon!). In der deutschen Schule war es sehr streng. Das Fräulein
Farina hat uns alle laufend verprügelt.
Der Heidstock war damals noch ein ganz kleiner Ort.
Unsere Straßen waren noch nicht einmal geteert. Großartige Zeit! Wir wohnten ja
damals noch "hinter dem Berg" sozusagen. Nach dem Anschluss hat sich alles
schlagartig geändert.
Wir haben alle im selben Haus gelebt, Franzosen und
Saarländer. Die Franzosen sind 1958 nach Sedan umgezogen und jedes Wochenende
haben wir einander besucht. Es waren 180 km, aber wir fuhren von Völkingen nach
Luxemburg, über Arlon und dann bei Carignan nach Frankreich. Damals musste man
noch jedes Mal an den Grenzen halten. Besonders im Winter was das nicht schön,
und manch ein Zöllner hat uns dann schikaniert. Alle Mann raus und unter die
Sitze geschaut usw. Mein Vater war oft wütend, und meine Mutter stand immer
direkt neben ihm, um ihn zu beruhigen. Da er Französisch sprach, hatten wir nie
Probleme mit den Franzosen. Mit den Deutschen hatte man hin und wieder auch
Schwierigkeiten, besonders mit denen, die vom "Reich" waren. Grüne Karten,
triptique und Gott weiß was man noch so brauchte. Wir waren wirklich richtige
Saarfranzosen. Mich konnte niemand damit beleidigen.
Ich war von klein auf am Fliegen interessiert, und wir
hatten auch Piloten in der Familie. Ein Freund meines Vaters hatte eine Stampe
(Doppeldecker) in Ensheim oder auf der Saarwiese und ich bin etliche Male mit
ihm geflogen. Hin und wieder ist er nach Völklingen geflogen und hat
Kunstflug gemacht. Zwei meiner Onkels waren bei Swissair. Onkel Hans ist in
der Swissair Coronado ums Leben gekommen, die 1970 durch Yassir Arafats Bande
über Zürich explodierte. Ich habe Völklingen nur ungern verlassen, aber meine
Flugkarriere führte mich nach Südost-Asien, Abu Dhabi, USA und Canada. Hier habe
ich mich dann niedergelassen und habe meine eigene Firma. Ich bin noch immer
Sportflieger, und mein Hobby sind Jagdflugzeuge des 2. Weltkrieges. Leider bin
ich zu groß für eine Me-109, aber ich passe gut in die amerikanischen Maschinen.
Vor Jahren hatte ich eine Harvard
(Militär-Schulflugzeug). Auf der Motorhaube war das Wort "Fissemadenzja"
angeschrieben. Nur Saarländer wussten natürlich, was das heißt. So war es dazu
gekommen: Meine Mutter sagte einmal zu mir nach einer Flugvorstellung: "Was
muschde awwer aach immer so Fissemaddenzjer mache! Äänes Daachs duschde der
noch weh!
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4) Marilyn Monroe und der Kollateralschaden (von Heinz Bleß, Ottweiler)
In der
zweiten Hälfte der fünfziger Jahre war ich Lehrling beim Neunkircher
Eisenwerk. Im zweiten oder dritten Ausbildungsjahr waren ich und zwei
weitere Lehrlinge mit Arbeiten in der Gasgeneratorenhalle befasst. Diese
grenzte unmittelbar an die "Saarbrücker Straße" in Neunkirchen. In eben dieser
Straße befand sich in ca. 100 Meter Entfernung eine Nähschule, die
junge Mädchen ausbildete. Bei Schulschluss versuchten wir immer
wenigstens einen Blick auf die vorbeiziehenden Schönen zu werfen. Eines Tages
waren wir im Keller besagter Halle und stellten fest, daß sich zur Straße
hin große fensterlose Öffnungen befanden, die in den Bürgersteig
hineinragten und mit Gitterrosten, ca. 1 x 2 m, abgedeckt waren. Das berühmte
Bild von Marilyn Monroe mit hochfliegendem weißem Kleid vor Augen, kam die Idee
auf, den richtigen Moment abzupassen. Wenn unser großer Schwarm, blond, Figur
wie das Original, im weißen Kleid über diesen Rost schritt, dann sollte unsere
große Stunde schlagen. Mit einem Schlauch, der an die vorhandene
Pressluftverteilung angeschlossen wurde, wollten wir die Röcke zum
Fliegen bringen.
Mann 1 auf Vorposten, Mann 2 unterm Gitterrost,
Mann 3 am Presslufthahn. Vorposten ruft: "Se komme". Mann 2 wartet, bis die
ersten Füße den Gitterrost betreten, und ruft: "Luft marsch!". Mann 3 dreht den
Hahn auf.
Was dann
folgte, ist nur als eine Verkettung unglücklicher Umstände zu bezeichnen: Alles
versank in einer riesigen schwarzen
Staubwolke.
Mir ware kohlraweschwarz, hann nix meh aus de Aue gesiehn. Die Mäde hann
gegrisch wie am Spieß. Wie die unedrunner ausgesiehn hann, konnde ma nur
spekuliere. Also Pressluft zu, un nix wie ab. Am nägschde Wasserhahn die Aue
ausgewäscht. Niemand e Wort verzehlt - bis heit...
Heinz Bleß würde sich freuen, wenn auf diesem Weg ein
Kontakt zu der damals staubigen Nr 1 und 3 (siehe oben!) zustande kommen
würde. (Bitte melden Sie sich: > Kontakt.)
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5) Anekdoten aus der Zeit kurz vor und nach der Volksbefragung 1955
a) In der heißen Abstimmungsphase
von Wolfgang Rekrut, damals Altenkessel, 6 Jahre alt
Eine kleine Anekdote, die
meine Mutter mir später erzählt hat:
Wir hatten kurz vor der Abstimmung Besuch von einem
Onkel aus Wilhelmshaven. Er ging mit mir spazieren. Ein paar Häuser weiter
stand ein Nachbar am Gartentor. Onkel Willi grüßte ihn freundlich, er dankte
zurück. Ein Stück weit weg sagte ich zu ihm: "Onkel Willi, dem musst du
nicht Guten Tag sagen, das ist ein Jasager!"
b) Zwischen der politischen (1.1.1957) und der wirtschaftlichen Rückgliederung (6.7.1959)
von Friedrich Fess, Wiesbaden, aufgewachsen in Altenkessel.
Merkwürdig an der Übergangszeit nach der politischen Rückkehr des Saarlandes in den
deutschen Staatsverband war, dass wir Saarländer schon deutsche Staatsangehörige
waren und deutsche Pässe besaßen, unsere alltäglichen Geschäfte aber noch in Francs
abwickeln mußten. Teilweise musste für deutsche Waren auch noch
Einfuhrzoll bezahlt werden.
In diesem Zusammenhang hatten meine Eltern und
ich im Sommer 1958 bei einer Ausfahrt und der Überquerung der
deutsch-französischen Grenze zwischen Straßburg und Kehl ein unangenehmes Erlebnis. Wir
besaßen einen Citroën Traction, der aber bereits mit dem neuen deutschen Kennzeichen
für Saarbrücken "SB" zugelassen war.
Der deutsche Zöllner hielt unser
Fahrzeug an, und wir mussten aussteigen, weil er den Innenraum des Fahrzeuges
kontrollieren wollte. Nach dieser für uns schon schikanösen Behandlung musste ich noch den Kofferraum zu einer Kontrolle öffnen. Mein Vater fragte den Zöllner, was dies denn solle, wir seien doch deutsche Staatsbürger. Der Zöllner antwortete doch tatsächlich: "Sie sind Saarländer, aber keine Deutschen!"
Meinem
Vater stieg die Zornesröte ins Gesicht und ich konnte ihn gerade noch
zurückhalten, sonst hätte er dem Zöllner wohl eine geknallt. Ich bemerkte dann: "Papa,
lass doch den Zöllner mit seinem dummen Geschwätz!" Darauf reagierte der
Zöllner mit dem Hinweis auf eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung. Ich habe ihm
zu verstehen gegeben, daß wir dann gegen ihn Anzeige wegen Beleidigung
stellen und auch seine Behörde mit einer Aufsichtsbeschwerde verständigen würden.
Wir haben von der
Angelegenheit nichts mehr gehört. Der Zöllner war wohl so ein Typ, der uns Saarländer
für "Rucksackdeutsche" oder "Saarfranzosen" hielt.
Lockerer ging es bei einer anderen Ausfahrt zu. Die Familie war
mit demselben Auto auf dem Weg nach Trier. Kurz vor der Grenze bei dem
saarländischen Örtchen Faha riss der Bowdenzug der Gangschaltung. Ohne großen Aufwand
erschienen nach einem Telefonanruf zwei Mitarbeiter einer lothringischen Citroën-Werkstatt. Sie und wir wurden weder vom deutschen noch vom
französischen Zoll auf dem Weg nach Diedenhofen in Frankreich kontrolliert. Sie
brachten uns mit einem Fahrzeug der Firma nach Mettlach. Papa und ich besorgten am nächsten Tag ein in Saarbrücken vorrätiges Ersatzstück und brachten dies zu der
Werkstatt in Diedenhofen. Auch hier keine Kontrolle bei Ein- und Ausreise.
c) In den 60er Jahren in der Pfalz
von Hans Braun, Bad Tölz
Ich besuchte damals als Fahrschüler das Gymnasium in Dahn/Pfalz. Wir hatten auch zahlreiche Schüler aus dem Saarland, die dort in einem Internat wohnten. Einige Mitschüler nannten sie manchmal "Halbfranzosen". Ich erinnere
mich auch an einen Lateinlehrer, der sich gerne folgenden Spaß erlaubte: Er zog einen unserer saarländischen Mitschüler an den Ohren, wenn dieser die Frage nach seinem Heimatort mit "Saarlouis" beantwortete, anstatt - wie von dem Lehrer gewünscht - "Saarlautern" zu sagen. Bei dem leichten Schmerz sollte der Junge "au" sagen, damit dann "Saarl-au-tern" herauskam.
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schriftlich), wenn Sie möchten, helfen wir gerne beim Formulieren!
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Diese Seite wurde begonnen am 27.10.2010, zuletzt bearbeitet am 13.1.2018
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