Firmenporträts von Omnibus-Baufirmen Texte von Karl Presser
Da die Wirtschaft
des teilautonomen Saarlandes mit der französischen verbunden war,
konnte man neue Waren und Produkte - also auch Fahrzeuge aller Art -
preisgünstiger in Frankreich kaufen. Denn die hohen Einfuhrzölle, die
bei Käufen in Deutschland fällig wurden, fielen weg. So kam es, dass
neue Omnibusse fast ausschließlich
in Frankreich bestellt wurden. Wichtige Omnibusbauer waren dort (neben
Berliet und Renault) Chausson und Floirat. Deshalb finden Sie auf
dieser Seite - für Spezialisten und Liebhaber - zwei Sonderkapitel zu
diesen beiden Herstellerfirmen. > zum Text 2) Floirat
1) Chausson, Marktführer bei den Linienbussen
Weitere Bilder von Chausson-Bussen finden Sie
auf unserer Seite Kraftpost im Abschnitt B 2)
Die
Société des Usines Chausson wurde 1907 in Asnières-sur-Seine von den
Brüdern Jules, Gaston und Paul Chausson gegründet. Es war ein
metallverarbeitender Betrieb, der zunächst Wärmetauscher (Autokühler),
Karosserien und Karosserieteile für die Automobilindustrie herstellte. Ende
1936 übernahm Chausson den in finanzielle Schwierigkeiten geratenen
Automobilhersteller Chénard & Walcker. Das vorhandene Potential an
Ingenieuren, die Erfahrung mit Ganzstahlaufbauten hatten, führte bereits Anfang
der 40er Jahre zu der unternehmerischen Entscheidung, in das Omnibusgeschäft
einzusteigen. Man schätzte in weiser Voraussicht die nach Kriegsende zu
erwartende Nachfrage richtig ein. Die Suche nach einem Lieferanten für die
Antriebskomponenten, die Chausson nicht selbst fertigen wollte (Motor,
Kupplung, Getriebe, Achsen), führte nach gescheiterten Verhandlungen mit Saurer zu einer
Kooperation mit Panhard. Das erste marktfähige Chausson-Modell aus eigener Entwicklung
war der Typ AP. In der Bezeichnung steht A für Autobus und P für
Panhard.
Chausson
hatte sich für eine Tragwerk-Konstruktion mit Blechverkleidung ohne getrenntes
Fahrgestell entschieden. Sie setzte sich später bei vielen Busbauern durch
und wird auch als Verbundbauweise bezeichnet. Die ersten 15 Fahrzeuge wurden
1942 mit Panhard-Ottomotoren gebaut. Den Kraftstoff lieferte eine
Imbert-Holzgasanlage. Zur Überraschung etablierter Wettbewerber wie Berliet und
Renault erhielt Chausson von der französischen Regierung durch den "Plan Pons“ (Näheres dazu auf der Seite Allgemeines zum Verkehr unter B) eine Lizenz für den Bau von 1000 Omnibussen während der Zeit von Oktober 1944 bis September 1946. So baute Chausson 1945 bereits
166 weitere
Fahrzeuge mit Panhard-Benzinmotoren.
Der
AP war ein Frontlenker, d.h., er hatte keine weit überstehende
Motorhaube, sondern eine flache, nur leicht geneigte Stirnseite. Den zunächst
eingebauten schwächlichen Vierzylinder-Panhard-Benzinmotor mit 80 PS ersetzte
man bald durch einen Hotchkiss-Sechszylinder mit 105 PS oder, alternativ, einen
Panhard-Vierzylinder-Dieselmotor mit zunächst 85 PS. Der Bus konnte wahlweise
mit einem Vierganggetriebe von Panhard oder einem Fünfganggetriebe vom
Spezialisten Renondin & Losson geliefert werden. Der Motor ragte
konzeptbedingt in das Bus-Innere hinein. Der unmittelbar neben ihm sitzende
Fahrer dürfte sich nur im Winter über die hohe Wärmeabstrahlung gefreut
haben [lesen Sie dazu diese kleine "wahre Begebenheit" von 1952 (Text in Grün)]. An seinem
Arbeitsplatz war es darüber hinaus sehr laut und roch oft nach warmem Motoröl. .
Als
der stärkere 6-Zylinder-Motor
eingebaut wurde, musste dessen Kühler in einem kurzen Vorbau an der Stirnseite
des Busses untergebracht werden. So entstand die charakteristische “Schweinenase“ (auf Französisch "nez de
cochon“), die ab 1947 alle
AP-Modelle dieser Baureihe unabhängig von der Motorisierung hatten.
Das
Bild stammt aus dem Jahr 1948.
Es zeigt einen Chausson APH im Betriebshof der Völklinger Straßenbahn.
Dieser Bus mit der Betriebs-Nr. 3 hatte bereits einen Panhard- Dieselmotor, aber auch noch die aufgesetzten Scheinwerfer der ersten Serie.
|
(Foto: Heimatkundlicher Verein Warndt e.V., Ludweiler)
|
Durch
die geöffnete vordere Tür ist die innen liegende Motorhaube deutlich zu
sehen. Das an der Seite über dem Schriftzug '3 Straßenbahnen Völklingen 3'
eingesteckte Schild zeigt an, dass er als Überlandbus auf der Linie
Wadgassen-Völklingen-Klarenthal eingesetzt war.
Anfangs war trotz Fontlenkerbauweise eine Klapptür hinter
der Vorderachse eingebaut, so wie das bis dahin bei Bussen mit Motorhaube
üblich war. Später wurden AP-Überland-Linienbusse mit zweiteiliger Falttür vor
der Vorderachse und hinterer Klapptür ausgeliefert. Auch die Saarpost setzte
diese Ausführung auf ihren Linien ein. In Völklingen fuhren sie als Stadtbusse
im Schaffnerbetrieb.
.
Das
Modell AP wurde auch für den Ausflugs- und den aufkommenden Reiseverkehr
verwendet. Chausson war 1949 mit einem Marktanteil von mehr als 30% der
führende Bus-Hersteller vor Berliet und Renault in Frankreich.
Um
1950 kamen dann für den Linienverkehr neue AP-Modelle mit vorderer und hinterer
druckluftbetätigter Falttür zum Einsatz, wie sie überwiegend auch
von den Pariser Verkehrsbetrieben RATP gefahren wurden. Sie hatten 40 Sitz- und
25 Stehplätze.
Im
Jahr 1952 brachte Chausson eine komplett neu gestaltete Modellreihe unter dem
Namen AP52 auf den Markt. Herausragender Vertreter war ein neu
konzipierter Stadtbus mit der Typenbezeichnung APU (U steht für “urbain“
- städtisch). Er hatte zusätzlich zu dem zweiteiligen Frontausstieg einen
jeweils vierteiligen Mittel-Aus- und Heck-Einstieg, durch den man auf einer
Plattform mit Stehplätzen kam. Unmittelbar im Anschluss daran war in
Fahrtrichtung rechts ein Sitzplatz mit Zahltisch für den Schaffner eingebaut.
Diese Anordnung sollte einen Fluss des Passagierstroms von hinten nach vorne
bewirken.
|
Das Erfolgsmodell Chausson APU53, ehemalige Betriebsnummer 1111 der RATP. Foto: Oxam Hartog (wiki commons)
Die
zulässige Passagierzahl erhöhte sich von 65 auf 75. Die Anzahl der
Stehplätze überstieg, wie bei einem Stadtbus üblich, die Anzahl der Sitzplätze
erheblich.
Den
Vier-Zylinder-Panhard-Dieselmotor hatte man für die letzte Serie des
Vorgängermodells bereits auf 110 PS bei 6,8 Litern Hubraum ertüchtigt. In dem
Ruf, besonders hohe Zuverlässigkeit und Laufleistung zu erreichen, stand der
wahlweise lieferbare Somua-Dieselmotor mit sechs Zylindern und 130 PS.
|
Die
Baureihe war überaus erfolgreich. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP erhielten
im Laufe der Jahre 656 APU-Stadtbusse. Sie fuhren in unterschiedlichsten Typen-
und Ausstattungsvarianten auch in Saarbrücken, Saarlouis und Völklingen.
Ab 1956 wurden dort die neu herausgekommenen Versionen ASH 521 und ASH 522 beschafft. Das S in der
Typenbezeichnung steht für die Ausführung mit einem
6-Zylinder-Somua-Dieselmotor. Die Busse konnten jetzt, je nach Ausführung, 20
Fahrgäste auf Sitzplätzen und bis zu 67 auf Stehplätzen befördern. Allein 70
Stadtbusse des Typs ASH 522 fuhren in Saarbrücken im Personal sparenden
Einmannbetrieb noch bis weit in die 60er-Jahre hinein im täglichen
Liniendienst.
Dieses seltene Foto zeigt einen Chausson APU(Stadtbus) Typ ASH 521 mit Somua
Dieselmotor und Anhänger.
Dieser
stammt von Schenk (Fahrgestell) und Vetter (Aufbau) aus Stuttgart. Er
entspricht
dem Vetter-Typ OB53 für den Reiseverkehr, weist aber nicht dessen
Panorama-Scheiben an den vorderen Fahrzeugecken auf. Vier dieser
Anhänger
waren in Saarbrücken ab 1956 mit den Betriebsnummern 801 - 804
eingesetzt. Sie wurden anfangs, wie im Bild oben zu sehen, zunächst an
Omnibusse angehängt, aber nur für kurze Zeit, weil die Motoren der
Busse sich als zu schwach dafür erwiesen. Danach verwendete man sie als
Anhänger für Obusse. Schließlich verkaufte sie die Saartal AG noch vor
Inkrafttreten des Anhängerverbots im öffentlichen Nahverkehr (am
1.7.1960) nach Lausanne (s. Konter, Werner, Erinnerungenan
die Straßenbahn, Saarbrücken 1992, Seite 134).
(Foto: Straßenbahnen im Saartal)
Neben
den Stadtbusversionen baute Chausson weiterhin zweitürige Überland- und
Ausflugsbusse auf der Basis des jeweils aktuellen Modells.
In Verbindung mit den unterschiedlichen Ausführungen der
Aufbauten, etwa mit größerer Stehhöhe oder als “Luxe“- und “Grand
Luxe“-Version mit Dachseiten-Verglasung, sind mehr als 140 Varianten der insgesamt
13.000 von Chausson gebauten Linienbusse bekannt.
Ein
interessantes Detail ist, dass ab 1957 neun Chausson-Busse beim
Potsdamer Verkehrsbetrieb in Dienst gestellt wurden. Sie blieben
allerdings Exoten. Der erste Bus war als Ausstellungsfahrzeug von der
Leipziger
Messe gleich in der DDR verblieben. Weitere acht Busse wurden nach und
nach
bis 1964 beschafft. Die letzten vier Fahrzeuge trugen schon den
Markennamen
Saviem (siehe unten).
Mit seinen
völlig anders aussehenden Reisebus-Modellen ANG und ANH war Chausson nicht besonders erfolgreich; es wurden insgesamt weniger als 500 Stück davon gebaut. Der Versuch, zusammen mit Vetra Trolleybusse zu bauen, wurde nach nur 17 Fahrzeugen aufgegeben.
Die
Bussparte von Chausson wurde 1959 in die Saviem-Gruppe integriert. Die
vorhandene Typenreihe wurde als Saviem-Chausson nur
unwesentlich
verändert weiter gebaut und vermarktet, aber jetzt mit
Saviem-Fulgur-Motoren. Bisherige
Motorlieferanten wie Somua waren bereits zuvor von Saviem übernommen
worden
oder hatten, wie Panhard, ihre Lizenz zum Bau von Dieselmotoren
verloren. 1964 stellte Saviem die Produktion von Bussen der
ehemaligen Chausson-Baureihe ein. Das mehr als 20 Jahre alte Buskonzept
mit Frontmotor und im Fahrgastraum liegender Motorhaube, die den
vorderen
Einstieg beengte, war nicht mehr zeitgemäß.
Chausson
kam in den 60er Jahren in Abhängigkeit und unter Kontrolle von Peugeot und
Renault und baute hauptsächlich für diese Konzerne Fahrzeuge im Lohnauftrag.
Das letzte Werk in Genevilliers bei Paris wurde im Jahr 2000 geschlossen. Teile
des Unternehmens waren bereits 1994 an den französischen Freizeitkonzern
Trigano gegangen, der bis heute Wohnmobile mit dem Namen Chausson
herstellt.
Kleine Typologie:
Der
Urvater der Chausson-Busse, noch mit Imbert-Holzgasanlage, hieß KOM.
Das erste
marktfähige Fahrzeug mit Panhard-Benzinmotor im Jahr 1945 erhielt die
Typenbezeichnung APE. Das E steht für “Essence“ (Benzin). Der Bus hatte
vorne
und hinten Klapptüren, wobei die Vordertür noch hinter der vorderen
Achse
angeordnet war. Weiterentwicklungen waren die Typen AP1 und AP2. Der
AP2 hatte
keine Klapptür mehr hinter der Vorderachse, sondern eine Falttür davor.
Nur mit dem langen Hotchkiss 6-Zylinder Benzinmotor benötigte er einen
Vorbau für den Kühler.
Weiter ging es mit AP3, auch AP47 genannt. Dann folgte der AP48 ab
1949. Ab
1947 hatten alle Busse unabhängig vom eingebauten Motor den
Kühler-Vorbau, die
sogenannte “Nez de cochon“ (frz. für "Schweine-Nase").
1952
wurde mit dem AP52 ein Modell mit vollständig neuem Design vorgestellt. Als
Stadtbus mit hinterer Plattform hieß er APU. Im nächsten Schritt wurde er
weiterentwickelt zum APU53. 1953 folgten der AP521 und ab 1956 der AP522. Seine
Stadtbusausführung wurde auch APV genannt.
Die
Bezeichnung APV 442 bedeutete, dass der Bus eine vierteilige Tür im Heck, eine
vierteilige Tür in der Mitte und eine zweiteilige Tür vorne hatte.
Nomenklatur:
Hatten die AP-Busse die beliebten Somua-Motoren, dann
wurde in den alten Chausson-Bezeichnungen das "P" für Panhard durch ein "S"
ersetzt. Der Buchstabe H hinter dem Motorkennbuchstaben in der vollständigen
Typenbezeichnung steht für “huile lourde“, was allerdings nicht Schweröl, sondern
Dieselkraftstoff bedeutet. Die Busse trugen auf dem Kühler in Chrom die
Aufschrift “DIESEL“. Benzinmotoren waren im Saarland ohne Bedeutung. Die beiden
ersten Ziffern geben das Jahr an, in dem der Typ erstmals vorgestellt wurde.
Beispiel:
Ein Chausson ASH 522 ist ein 1952 vorgestellter und nach 1956 gebauter Bus mit
Somua-Dieselmotor.
Literatur: Jean
Gabriel Jeudy, Camions de France troisième époque, Massin Éditeur, 1994
|