Die eisenbahntechnische Erschließung des Gebietes an der Saar erfolgte schwerpunktmäßig auf der rechten Fluss-Seite. Dort befanden sich die
Kohlegruben und die Hüttenwerke. Mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke
von Saarbrücken Hbf über Völklingen und Merzig nach Trier errichtete man für Saarlouis einen
Bahnhof in der Nähe von Fraulautern, der jenseits der Saar und in mehr als zwei Kilometer
Entfernung vom Stadtzentrum lag. Viele Industriebetriebe der Stadt, die
Brauereien und das Werk von Villeroy & Boch in Wallerfangen konnten also
keinen Gleisanschluss erhalten.
A) Die frühe Entwicklung
Um diesen Standortnachteil zu beheben, schloss die Stadt
1890 einen Vertrag mit dem Berliner Unternehmen Vering und Waechter über Bau
und Betrieb einer Kleinbahnlinie zwischen der Innenstadt und dem Staatsbahnhof
Fraulautern. Eine zweite Strecke ging vom Staatsbahnhof Ensdorf über die Saar hinweg nach Lisdorf bis zu einem noch zu errichtenden Kleinbahnhof in der Saarlouiser Innenstadt nahe dem Kleinen Markt. Von dort aus führte sie weiter bis nach Wallerfangen.
Da man sich für eine Kleinbahn mit Normalspur entschieden hatte, konnte man
diese in Ensdorf direkt an die Staatsbahngleise anschließen. 1897 begann der
Betrieb mit Dampfloks, und bereits 1899 baute man eine zweite Verbindung, die von der Saarlouiser Innenstadt nach Fraulautern führte, um das hohe Fahrgastaufkommen bis dorthin bewältigen zu können.
Ab 1908 planten Stadt und Kreis gemeinsam ein Kleinbahnnetz für Überlandbetrieb mit Strecken nach Dillingen und Nalbach sowie nach Wadgassen und
Bous. Vorgesehen
war elektrischer Straßenbahnbetrieb mit 750 V Gleichspannung auf Normalspur. Ab 1911
erfolgten Bau und sukzessiver Betrieb durch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft
Becker & Co. GmbH aus Berlin. 1913 konnten ein Depot und ein neues
Kraftwerk an der Lisdorfer Straße eingeweiht werden. Es erzeugte, zum
Missfallen der RWE und der späteren VSE, weit mehr elektrische Energie, als für die eigenen Bahnen notwendig war.
Die bei der Umstellung auf elektrischen Betrieb frei
gewordenen Dampflokomotiven setzte man ab 1913 auf einer neuen Strecke zum
Kalkwerk Schütz nach Felsberg ein. Deren Verlängerung erfolgte im Jahr 1925 nach
Creutzwald zur dortigen Grube „La Houve“ unter gleichzeitiger Nachrüstung der
Gesamtstrecke für elektrischen Betrieb. Die kurz danach folgende Konzession für
diese Strecke als Kleinbahn ließ Züge mit einem Triebwagen und bis zu sechs
Beiwagen zu. Zum Schichtwechsel konnten damit insgesamt rund 1000 Bergleute befördert werden. Voraussetzung war
entsprechend schweres rollendes Material. Spezielle „Arbeiterwagen“ verfügten über
längs angeordnete Bankreihen, die nur an den Fenstern des Innenraums angebracht waren, und es gab keine
Trennwände zu den Plattformen. Alle Fahrzeuge hatten Übergänge von Wagen zu
Wagen mit Stirntüren, breiten Radreifen und automatischen Scharfenberg-Kupplungen. Weil einige Streckenteile auf
Straßenniveau lagen, waren die Triebwagen mit kleinbahntypischen Spitzenlichtern
und seitlichen Fahrtrichtungsanzeigen ausgestattet und verfügten über zusätzliche Druckluftbremsen. Die Beiwagen sollen Magnetbremsen gehabt haben, es sind aber keine
Fotos bekannt, die die dafür notwendigen Verbindungsleitungen zeigen. Als
Kleinbahn führten die Züge die vorgeschriebene rote Schlussscheibe.
Die Kleinbahnkonzessionen für die Linie 9 nach La Houve und
für den Güterverkehr zwischen Ensdorf über die Stadtmitte von Saarlouis nach Wallerfangen galten bis zur jeweiligen endgültigen Stilllegung. Die Verbindung zwischen Innenstadt und Hauptbahnhof hingegen war schon früh zur
Straßenbahnlinie umgewidmet worden.
Bereits 1922 wurden die Klein- und Straßenbahnen in ein neu
gegründetes Unternehmen des Kreises, die „Kraft- und Verkehrsbetriebe AG
Saarlouis“, kurz KraVAG genannt, eingebracht.
1932 baute man am Kleinen Markt eine Wartehalle mit
Uhrenturm Diensträumen und Toilettenanlage. Das Bauwerk blieb umstritten, bis man es 1957 abriss. In demselben Jahr wurde das 1913 an der Lisdorfer Straße errichtete Depot erheblich erweitert.
1935 erreichte das Streckennetz seine größte Länge mit 55 Kilometerm, von denen allerdings nur vier zweigleisig ausgebaut waren, und zwar in den Innenstädten
von Saarlouis und Dillingen.
Zentraler Punkt und gleichzeitig ein Engpass im Netz
war die Haltestelle am Kleinen Markt. Daran konnten auch zwei Abstellgleise "direkt um die Ecke herum" am Kaiser-Friedrich-Ring und die kurze Verbindung
zum Kleinbahnhof und zum zentralen Depot wenig ändern.
Der Fahrzeugpark bestand aus 32 Triebwagen, 20 Beiwagen,
zwei Elektroloks für den Güterverkehr, sowie mehreren Güter-/Gepäckwagen und
Kohlewagen. Die Straßenbahnfahrzeuge stammten noch nahezu
ausschließlich aus der Erstlieferung durch die „Waggonfabrik Aktiengesellschaft
vorm. P. Herbrand & Cie“ in Köln-Ehrenfeld vor dem ersten Weltkrieg.
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Zwei Triebwagen und zwei Beiwagen der Saarlouiser Kleinbahn hatte De Dietrich aus Reichshofen ursprünglich 1913 für die Kleinbahn Novéant-Gorze in Lothringen gebaut.
1925 konnte dieser Hersteller zwei weitere Triebwagen und sechs Beiwagen nach Saarlouis liefern. Ein vorhandener Herbrand-Straßenbahntriebwagen wurde
entsprechend den Anforderungen einer Kleinbahn umgebaut.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele Fahrzeuge
beschädigt. Es betraf insbesondere diejenigen, die außerhalb des Depots auf den
Strecken zurückgelassen werden mussten. Vier Trieb- und zwei Beiwagen gingen
komplett verloren.
B) Nachkriegs- und Saarstaat-Zeit
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Unmittelbar nach dem Krieg änderte das Unternehmen seinen Namen in „Kreisverkehrsbetriebe Saarlouis“ (KVS) um, und es gab den Geschäftszweig Energieerzeugung
auf.
Das Schienennetz war an vielen Stellen unterbrochen, die Brücken über die Saar waren alle zerstört. Es war schwierig, Kupferdraht für die Fahrleitungen und
Rillenschienen für Reparaturen in den Innenstädten aufzutreiben.
Trotzdem hatte man bereits 1946 wieder eine erste durchgängige
Verbindung auf die rechte Saarseite über eine Notbrücke nach Fraulautern hergestellt. Priorität hatte auch die Wieder-Inbetriebnahme der
Linie 9 nach Felsberg und weiter in Richtung Creutzwald. Sie war durch Panzergräben und die gesprengten
Kleinbahnbrücken über die Bist und über die Bahnlinie Überherrn-Falck unterbrochen worden.
Die Grube La Houve konnte daher erst im Herbst 1947 wieder angefahren werden.
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1949 nahm man die markante Stahlgitterbrücke der Kleinbahn von Lisdorf zum Bahnhof Ensdorf für den wichtigen Güterverkehr wieder in Betrieb. Eine direkte Eisenbahn-Verbindung
von Lisdorf nach Ensdorf sollte auch nach dem Bau einer neuen Saarbrücke nicht wieder
eingerichtet werden.
An Fahrzeugen musste man sich nach dem Krieg mit
dem noch verwertbaren
Restbestand von 18 der ehemals vorhandenen 28 Straßenbahntriebwagen und einer geringen Anzahl Beiwagen begnügen.
Weniger schlimm traf es die Fahrzeuge der Kleinbahn; hier war es offenbar zu keinen Totalschäden während des Krieges gekommen.
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In der Not galt auch in Saarlouis, wie bei allen anderen
Verkehrsbetrieben, die Devise: Tagsüber wird gefahren, und nachts wird repariert.
Hilfreich war, dass die vorhandene elektrische Ausrüstung der Fahrzeuge meist
von SSW (Siemens-Schuckert) stammte und man dafür keine Ersatzeile von den nicht
mehr lieferfähigen französischen Herstellern benötigte.
Die Wagenfarbe wurde von ehemals Dunkelgrün unterhalb der
Fensterlinie und hellbeigem Wagenoberteil in eine komplett beige Lackierung mit
grünen Streifen unterhalb der Fenster geändert.
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1950 konnte man von der Limburgischen Kleinbahn (LTM) in
den Niederlanden drei Triebwagen mit Mittelachse und zwei einachsigen Lenkdrehgestellen für die Saarlouiser Kleinbahn erwerben. Sie hatten Mitteleinstiege, Front-Übergangstüren und Druckluftbremsen. Mit zwei Motoren zu
je 45 PS (33 kW) waren sie hinreichend kräftig für die Züge
nach La Houve.
Der Personenverkehr auf der Kleinbahnstrecke wurde jetzt
organisatorisch dem Straßenbahnbetrieb zugeordnet. Die Linie 9 nach Creutzwald
fuhr nicht mehr den Kleinen Markt an, sondern begann und endete am Kleinbahnhof.
28 Triebwagen und 20 Beiwagen befuhren die rund 57 km lange Strecke.
Der Kleinbahnbetrieb für Güter florierte ab Bahnhof Ensdorf mit den beiden
vorhandenen Elektrolokomotiven. Er wies eine Transportleistung von mehr
als 23 000 Tonnen pro Jahr auf.
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Da keine neuen Triebwagen für die Straßenbahn beschafft werden konnten, musste man Mitte der 50er-Jahre mehrere alte Triebwagen vollständig neu aufbauen.
Sie erhielten eine leicht geneigte Front und waren an der dort jetzt oberhalb der Scheibe eingebauten Zielanzeige leicht von den alten Wagen zu unterscheiden.
Die runden Saarlouiser Liniennummern aus Blech führte man traditionsgemäß weiterhin.
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Dem Trend der Zeit und den politischen Vorgaben folgend
wurde um 1953 beschlossen, den Straßenbahnverkehr in Saarlouis aufzugeben. So erscheint es
umso erstaunlicher, dass zur Entlastung des Flaschenhalses Kleiner Markt im
selben Jahr noch eine Gleisschleife von der Lothringer Straße aus über den Kleinen
Markt und dann „um die Ecke“ in den Pasteur-Ring gebaut wurde. Dort errichtete
man eine neue große kombinierte Omnibus- und Straßenbahn-Haltestelle.
Hauptvorteil für die wartenden Fahrgäste war dort, neben einem Warteraum mit
Straßenbahnbänken, ein rings um das Gebäude umlaufendes Vordach aus Beton,das einen Mindestschutz bei Regen bot.
Beide Bauvorhaben wurden 1957eingeweiht. Die Kleinbahnlinie 9 fuhr ab diesem Zeitpunkt, dank der neuen
Gleisschleife, wieder über den Kleinen Markt.
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Bild oben: Neue Straßenbahn-Bus-Haltestelle am Kleinen Markt "um die Ecke"
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Die Streckenstilllegung, die 1953 von der Peripherie
her mit den Linien nach Bous, Wadgassen und Wallerfangen begonnen hatte, war
längst in vollem Gange. 1955 folgte die Strecke nach Nalbach, 1957 diejenige nach Dillingen, 1959
nach Schwalbach und 1960 nach Hülzweiler, ebensowie die Innenstadt-Linie zwischen Kleinem Markt und Hauptbahnhof. Die Streckenlänge im Schienenverkehr schrumpfte 1960 auf 19 Kilometer.
Bild rechts: Umgebauter Herbrand-TW4 am Bahnhof Saarlouis im Jahr 1959
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