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Firmenporträts von Omnibus-Baufirmen  Texte von Karl Presser  

 

 

Da die Wirtschaft des teilautonomen Saarlandes mit der französischen verbunden war, konnte man neue Waren und Produkte - also auch Fahrzeuge aller Art - preisgünstiger in Frankreich kaufen. Denn die hohen Einfuhrzölle, die bei Käufen in Deutschland fällig wurden, fielen weg. So kam es, dass neue Omnibusse fast ausschließlich in Frankreich bestellt wurden. Wichtige Omnibusbauer waren dort (neben Berliet und Renault) Chausson und Floirat. Deshalb finden Sie auf dieser Seite - für Spezialisten und Liebhaber - zwei Sonderkapitel zu diesen beiden Herstellerfirmen.  > zum Text 2) Floirat

 

 

1) Chausson, Marktführer bei den Linienbussen

 

Weitere Bilder von Chausson-Bussen finden Sie auf unserer Seite Kraftpost im Abschnitt B 2)

 

Die Société des Usines Chausson wurde 1907 in Asnières-sur-Seine von den Brüdern Jules, Gaston und Paul Chausson gegründet. Es war ein metallverarbeitender Betrieb, der zunächst Wärmetauscher (Autokühler), Karosserien und Karosserieteile für die Automobilindustrie herstellte. Ende 1936 übernahm Chausson den in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Automobilhersteller Chénard & Walcker. Das vorhandene Potential an Ingenieuren, die Erfahrung mit Ganzstahlaufbauten hatten, führte bereits Anfang der 40er Jahre zu der unternehmerischen Entscheidung, in das Omnibusgeschäft einzusteigen. Man schätzte in weiser Voraussicht die nach Kriegsende zu erwartende Nachfrage richtig ein. Die Suche nach einem Lieferanten für die Antriebskomponenten, die Chausson nicht selbst fertigen wollte (Motor, Kupplung, Getriebe, Achsen), führte nach gescheiterten Verhandlungen mit Saurer zu einer Kooperation mit Panhard. Das erste marktfähige Chausson-Modell aus eigener Entwicklung war der Typ AP. In der Bezeichnung steht A für Autobus und P für Panhard.

 

Chausson hatte sich für eine Tragwerk-Konstruktion mit Blechverkleidung ohne getrenntes Fahrgestell entschieden. Sie setzte sich später bei vielen Busbauern durch und wird auch als Verbundbauweise bezeichnet. Die ersten 15 Fahrzeuge wurden 1942 mit Panhard-Ottomotoren gebaut. Den Kraftstoff lieferte eine Imbert-Holzgasanlage. Zur Überraschung etablierter Wettbewerber wie Berliet und Renault erhielt Chausson von der französischen Regierung durch den "Plan Pons“ (Näheres dazu auf der Seite Allgemeines zum Verkehr unter B) eine Lizenz für den Bau von 1000 Omnibussen während der Zeit von Oktober 1944 bis September 1946. So baute Chausson 1945 bereits 166 weitere Fahrzeuge mit Panhard-Benzinmotoren.

 

Der AP war ein Frontlenker, d.h., er hatte keine weit überstehende Motorhaube, sondern eine flache, nur leicht geneigte Stirnseite. Den zunächst eingebauten schwächlichen Vierzylinder-Panhard-Benzinmotor mit 80 PS ersetzte man bald durch einen Hotchkiss-Sechszylinder mit 105 PS oder, alternativ, einen Panhard-Vierzylinder-Dieselmotor mit zunächst 85 PS. Der Bus konnte wahlweise mit einem Vierganggetriebe von Panhard oder einem Fünfganggetriebe vom Spezialisten Renondin & Losson geliefert werden. Der Motor ragte konzeptbedingt in das Bus-Innere hinein. Der unmittelbar neben ihm sitzende Fahrer dürfte sich nur im Winter über die hohe Wärmeabstrahlung gefreut haben [lesen Sie dazu diese kleine "wahre Begebenheit" von 1952 (Text in Grün)]. An seinem Arbeitsplatz war es darüber hinaus sehr laut und roch oft nach warmem Motoröl. .

 

Als der stärkere 6-Zylinder-Motor eingebaut wurde, musste dessen Kühler in einem kurzen Vorbau an der Stirnseite des Busses untergebracht werden. So entstand die charakteristische “Schweinenase“ (auf Französisch "nez de cochon“), die ab 1947 alle AP-Modelle dieser Baureihe unabhängig von der Motorisierung hatten. 

Das Bild stammt aus dem Jahr 1948.

Es zeigt einen Chausson APH im Betriebshof der Völklinger Straßenbahn.


Dieser Bus mit der Betriebs-Nr. 3 hatte bereits einen Panhard- Dieselmotor, aber auch noch die aufgesetzten Scheinwerfer der ersten Serie.



(Foto: Heimatkundlicher Verein Warndt e.V., Ludweiler)
Durch die geöffnete vordere Tür ist die innen liegende Motorhaube deutlich zu sehen. Das an der Seite über dem Schriftzug '3 Straßenbahnen Völklingen 3' eingesteckte Schild zeigt an, dass er als Überlandbus auf der Linie Wadgassen-Völklingen-Klarenthal eingesetzt war.

 

Anfangs war trotz Fontlenkerbauweise eine Klapptür hinter der Vorderachse eingebaut, so wie das bis dahin bei Bussen mit Motorhaube üblich war. Später wurden AP-Überland-Linienbusse mit zweiteiliger Falttür vor der Vorderachse und hinterer Klapptür ausgeliefert. Auch die Saarpost setzte diese Ausführung auf ihren Linien ein. In Völklingen fuhren sie als Stadtbusse im Schaffnerbetrieb.

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Das Modell AP wurde auch für den Ausflugs- und den aufkommenden Reiseverkehr verwendet. Chausson war 1949 mit einem Marktanteil von mehr als 30% der führende Bus-Hersteller vor Berliet und Renault in Frankreich. Um 1950 kamen dann für den Linienverkehr neue AP-Modelle mit vorderer und hinterer druckluftbetätigter Falttür zum Einsatz, wie sie überwiegend auch von den Pariser Verkehrsbetrieben RATP gefahren wurden. Sie hatten 40 Sitz- und 25 Stehplätze.

 

Im Jahr 1952 brachte Chausson eine komplett neu gestaltete Modellreihe unter dem Namen AP52 auf den Markt. Herausragender Vertreter war ein neu konzipierter Stadtbus mit der Typenbezeichnung APU (U steht für “urbain“ - städtisch). Er hatte zusätzlich zu dem zweiteiligen Frontausstieg einen jeweils vierteiligen Mittel-Aus- und Heck-Einstieg, durch den man auf einer Plattform mit Stehplätzen kam. Unmittelbar im Anschluss daran war in Fahrtrichtung rechts ein Sitzplatz mit Zahltisch für den Schaffner eingebaut. Diese Anordnung sollte einen Fluss des Passagierstroms von hinten nach vorne bewirken.

 

Das Erfolgsmodell Chausson APU53, ehemalige Betriebsnummer 1111 der RATP. Foto: Oxam Hartog (wiki commons)

 

 

Die zulässige Passagierzahl erhöhte sich von 65 auf 75. Die Anzahl der Stehplätze überstieg, wie bei einem Stadtbus üblich, die Anzahl der Sitzplätze erheblich.

 

Den Vier-Zylinder-Panhard-Dieselmotor hatte man für die letzte Serie des Vorgängermodells bereits auf 110 PS bei 6,8 Litern Hubraum ertüchtigt. In dem Ruf, besonders hohe Zuverlässigkeit und Laufleistung zu erreichen, stand der wahlweise lieferbare Somua-Dieselmotor mit sechs Zylindern und 130 PS.

 

Die Baureihe war überaus erfolgreich. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP erhielten im Laufe der Jahre 656 APU-Stadtbusse. Sie fuhren in unterschiedlichsten Typen- und Ausstattungsvarianten auch in Saarbrücken, Saarlouis und Völklingen. Ab 1956 wurden dort die neu herausgekommenen Versionen ASH 521 und ASH 522 beschafft. Das S in der Typenbezeichnung steht für die Ausführung mit einem 6-Zylinder-Somua-Dieselmotor. Die Busse konnten jetzt, je nach Ausführung, 20 Fahrgäste auf Sitzplätzen und bis zu 67 auf Stehplätzen befördern. Allein 70 Stadtbusse des Typs ASH 522 fuhren in Saarbrücken im Personal sparenden Einmannbetrieb noch bis weit in die 60er-Jahre hinein im täglichen Liniendienst.

 

Dieses seltene Foto zeigt einen Chausson APU(Stadtbus) Typ ASH 521 mit Somua Dieselmotor und Anhänger. Dieser stammt von Schenk (Fahrgestell) und Vetter (Aufbau) aus Stuttgart. Er entspricht dem Vetter-Typ OB53 für den Reiseverkehr, weist aber nicht dessen Panorama-Scheiben an den vorderen Fahrzeugecken auf. Vier dieser Anhänger waren in Saarbrücken ab 1956 mit den Betriebsnummern 801 - 804 eingesetzt. Sie wurden anfangs, wie im Bild oben zu sehen, zunächst an Omnibusse angehängt, aber nur für kurze Zeit, weil die Motoren der Busse sich als zu schwach dafür erwiesen. Danach verwendete man sie als Anhänger für Obusse. Schließlich verkaufte sie die Saartal AG noch vor Inkrafttreten des Anhängerverbots im öffentlichen Nahverkehr (am 1.7.1960) nach Lausanne (s. Konter, Werner, Erinnerungenan die Straßenbahn, Saarbrücken 1992, Seite 134).

(Foto: Straßenbahnen im Saartal)

 

Neben den Stadtbusversionen baute Chausson weiterhin zweitürige Überland- und Ausflugsbusse auf der Basis des jeweils aktuellen Modells.

 

In Verbindung mit den unterschiedlichen Ausführungen der Aufbauten, etwa mit größerer Stehhöhe oder als “Luxe“- und “Grand Luxe“-Version mit Dachseiten-Verglasung, sind mehr als 140 Varianten der insgesamt 13.000 von Chausson gebauten Linienbusse bekannt.

 

Ein interessantes Detail ist, dass ab 1957 neun Chausson-Busse beim Potsdamer Verkehrsbetrieb in Dienst gestellt wurden. Sie blieben allerdings Exoten. Der erste Bus war als Ausstellungsfahrzeug von der Leipziger Messe gleich in der DDR verblieben. Weitere acht Busse wurden nach und nach bis 1964 beschafft. Die letzten vier Fahrzeuge trugen schon den Markennamen Saviem (siehe unten).

 

Mit seinen völlig anders aussehenden Reisebus-Modellen ANG und ANH war Chausson nicht besonders erfolgreich; es wurden insgesamt weniger als 500 Stück davon gebaut. Der Versuch, zusammen mit Vetra Trolleybusse zu bauen, wurde nach nur 17 Fahrzeugen aufgegeben.

 

Die Bussparte von Chausson wurde 1959 in die Saviem-Gruppe integriert. Die vorhandene Typenreihe wurde als Saviem-Chausson nur unwesentlich verändert weiter gebaut und vermarktet, aber jetzt mit Saviem-Fulgur-Motoren. Bisherige Motorlieferanten wie Somua waren bereits zuvor von Saviem übernommen worden oder hatten, wie Panhard, ihre Lizenz zum Bau von Dieselmotoren verloren. 1964 stellte Saviem die Produktion von Bussen der ehemaligen Chausson-Baureihe ein. Das mehr als 20 Jahre alte Buskonzept mit Frontmotor und im Fahrgastraum liegender Motorhaube, die den vorderen Einstieg beengte, war nicht mehr zeitgemäß.

 

Chausson kam in den 60er Jahren in Abhängigkeit und unter Kontrolle von Peugeot und Renault und baute hauptsächlich für diese Konzerne Fahrzeuge im Lohnauftrag. Das letzte Werk in Genevilliers bei Paris wurde im Jahr 2000 geschlossen. Teile des Unternehmens waren bereits 1994 an den französischen Freizeitkonzern Trigano gegangen, der bis heute Wohnmobile mit dem Namen Chausson herstellt. 

 

Kleine Typologie:

 

Der Urvater der Chausson-Busse, noch mit Imbert-Holzgasanlage, hieß KOM. Das erste marktfähige Fahrzeug mit Panhard-Benzinmotor im Jahr 1945 erhielt die Typenbezeichnung APE. Das E steht für “Essence“ (Benzin). Der Bus hatte vorne und hinten Klapptüren, wobei die Vordertür noch hinter der vorderen Achse angeordnet war. Weiterentwicklungen waren die Typen AP1 und AP2. Der AP2 hatte keine Klapptür mehr hinter der Vorderachse, sondern eine Falttür davor. Nur mit dem langen Hotchkiss 6-Zylinder Benzinmotor benötigte er einen Vorbau für den Kühler. Weiter ging es mit AP3, auch AP47 genannt. Dann folgte der AP48 ab 1949. Ab 1947 hatten alle Busse unabhängig vom eingebauten Motor den Kühler-Vorbau, die sogenannte “Nez de cochon“ (frz. für "Schweine-Nase").

 

1952 wurde mit dem AP52 ein Modell mit vollständig neuem Design vorgestellt. Als Stadtbus mit hinterer Plattform hieß er APU. Im nächsten Schritt wurde er weiterentwickelt zum APU53. 1953 folgten der AP521 und ab 1956 der AP522. Seine Stadtbusausführung wurde auch APV genannt. Die Bezeichnung APV 442 bedeutete, dass der Bus eine vierteilige Tür im Heck, eine vierteilige Tür in der Mitte und eine zweiteilige Tür vorne hatte.

 

Nomenklatur:

 

Hatten die AP-Busse die beliebten Somua-Motoren, dann wurde in den alten Chausson-Bezeichnungen das "P" für Panhard durch ein "S" ersetzt. Der Buchstabe H hinter dem Motorkennbuchstaben in der vollständigen Typenbezeichnung steht für “huile lourde“, was allerdings nicht Schweröl, sondern Dieselkraftstoff bedeutet. Die Busse trugen auf dem Kühler in Chrom die Aufschrift “DIESEL“. Benzinmotoren waren im Saarland ohne Bedeutung. Die beiden ersten Ziffern geben das Jahr an, in dem der Typ erstmals vorgestellt wurde. Beispiel: Ein Chausson ASH 522 ist ein 1952 vorgestellter und nach 1956 gebauter Bus mit Somua-Dieselmotor.

 

Literatur: Jean Gabriel Jeudy, Camions de France troisième époque, Massin Éditeur, 1994

 

 

2) Der Autobushersteller Floirat

 

 

a) Die Firma

 

Im Jahre 1937 erwarb der Karosseriebauer Joseph Besset aus Annonay im Departement Ardèche von der amerikanischen Firma Gar Wood eine Lizenz zum Bau eines Omnibusses mit selbsttragender Karosserie und Motor im Heck. Er nannte dieses Fahrzeug Isobloc. 1949 produzierte er zehn Fahrzeuge am Tag. Dann allerdings brach das Geschäft ein. Zusätzlich hatte sich Besset bei einem Großauftrag aus Argentinien verkalkuliert und geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Als Retter des Unternehmens trat 1951 der Entrepreneur und Industrielle Sylvain Floirat auf. Heute würde man ihn als Finanzinvestor bezeichnen. Er ließ zunächst die Isobloc-Fahrzeuge weiter bauen. Neue Modelle kamen dann unter dem Namen Floirat auf den Markt. 1952 verließen insgesamt 221 Omnibusse das Werk. Erfolgreich waren in erster Linie Floirats Überland- und Reisebusse. Im Saarland setzten sie nicht nur private Busunternehmen, sondern auch die Saar-Kraftpost, die Kreis-

Verkehrsbetriebe Saarlouis (KVS) und die Merzig-Büschfelder Eisenbahn (MBE) ein. Für den Linienverkehr in Stadtzentren und den damit verbundenen kurzen Haltestellenabständen waren sie nicht konzipiert.

 

Isobloc

Anfang der 50er-Jahre begannen die Verkehrsbetriebe in Paris (R.A.T.P.) Druck auf die Omnibus-Hersteller auszuüben, weil konventionelle Schaltgetriebe und Kupplungen den steigenden Anforderungen des Liniendienstes in der Innenstadt kaum noch gewachsen waren. Man rechnete mit rund 1000 Kupplungs- betätigungen pro Tag, mussten die Fahrer doch bei jedem Schaltvorgang mit nichtsynchronisiertem Getriebe gleich zweimal kuppeln. Diese Prozedur erforderte dazu ordentlich Kraft im linken Bein des Busfahrers.

 

Die R.A.T.P. erstellten ein Lastenheft für die potentiellen Lieferanten, das die Anforderungen an einen neuen Stadtbus enthielt. Der Kupplungsverschleiß sollte eingedämmt und die Bedienung für den Fahrer erleichtert werden.

 Bild 1a: Isobloc 656 DH

 

 

Als technische Lösung wurde der Einbau von mit Druckluft betätigten Vorwahl-Planetengetrieben der Bauart Wilson und vorgeschalteter Flüssigkeitskupplung zum Anfahren für gut befunden. Die Vorwärtsgänge und der Rückwärtsgang werden bei diesen Getrieben ohne zu kuppeln durch Bremsbänder aktiviert. Der höchste Gang ist meist als Direktantrieb ausgelegt.

 

Flüssigkeitskupplung und Planetengetriebe werden mit einer Scheibenkupplung überbrückt. Eine mechanische Kupplung zum Anfahren und zum Schalten der unteren Gänge entfällt bei dieser Getriebebauart. Dank des Vorwahlprinzips konnten die Fahrer jetzt per Fußpedal Schaltvorgänge in Kurven auslösen. Beide Hände sollten dabei am Lenkrad bleiben. Nach 1951 fuhren Stadtbusse von Somua, Berliet und Chausson mit dieser Technik in Paris. „Echte“ vollautomatische Getriebe waren bereits auf dem Markt, für Omnibusse aber nicht verbreitet.

Bild 1b: Floirat Y.55

 

Die Verkehrsbetriebe in Mulhouse (damals TM, Tramways de Mulhouse) wollten zur gleichen Zeit Straßenbahnlinien durch Omnibusse ersetzen. Das Passagieraufkommen machte allerdings Anhängerbetrieb unumgänglich. Omnibusse mit Schaltgetriebe waren für derartige Belastung im innerstädtischen Verkehr nicht geeignet. Ähnliche Erfahrung machte man auch später in Saarbrücken, als man versuchte, mit vorhandenen Chausson-Omnibussen und Trolleybus-Anhängern Linienbetrieb zu fahren. Das Vorhaben wurde schnell wieder aufgegeben.

 

Bild 1c:

 

Der hier abgebildete Reisebus des Typs Floirat B 8 R war für die damalige Zeit luxuriös ausgestattet; die Dachrandverglasung gab es gegen Aufpreis.

 

Solche Reisebusse wurden zu Ausflugsfahrten verwendet, die man als "Gelegenheitsverkehr" bezeichnete.

 

 

 

 

b) Der Autobus Floirat Z10 („Mulhouse“) - ein Exot im Saarland

 

 

Von diesem Typ waren waren bei uns insgesamt nur dreizehn Fahrzeuge im Einsatz, davon sechs in Neunkirchen, fünf in Saarlouis und zwei in Vöklingen. In Saarlouis hatte man darüber hinaus noch sechs Anhänger von Floirat beschafft, die dort auch hinter den Überlandbussen des gleichen Herstellers gefahren wurden.

 

Bild 1d: Anzeige zum Z10 anlässlich des Pariser Autosalons im Herbst 1954

Floirat entwickelte, basierend auf dem Lastenheft der R.A.T.P. und nach den Anforderungen der TM, einen eigenen Stadtbus, der die Typenbezeichnung Z10 erhielt. Die Konstruktion war, ohne separates Fahrgestell, in Verbundbauweise mit Tragelementen ausgeführt („Caissepoutre“).

 

Sie war, der damaligen Philosophie über den Fahrgastfluss folgend, hintenmit breitem Einstieg, einer innen liegenden Plattform und einem abgetrennten Schaffnerplatz ausgestattet. Die drei Falttüren waren nur im Heck vierteilig, in der Mitte und vorne dagegen zweiteilig ausgeführt. Auffällig hohe Seitenscheiben ermöglichten eine gute Sicht auch für stehende Fahrgäste.

 

Passend dazu lieferte Floirat einen Anhänger mit der Bezeichnung FM 450. Ein solches Gespann konnte 150 Personen befördern. Typisch für Stadtbusse ist die Aufteilung der Plätze: bis zu 70 Stehplätze bei nur 27 Sitzplätzen.

 

Den maximal 50 Passagieren im Anhänger standen dagegen immerhin 35 Sitzplätze zu Verfügung.

 

Die Fahrzeuge hatten Wilson-Getriebe mit angebauter Ferodo-Flüssigkeitskupplung und eine Hinterachse mit zweifacher Untersetzung. Sie waren mit zeitgemäß potenten Hispano-Hercules 6-Zylinder-Dieselmotoren vom Typ DWXLD mit 130 PS bei 2400 Umdrehungen pro Minute und sieben Litern Hubraum ausgerüstet. Hispano-Hercules gehörte zu Hispano-Alsacienne, einem Hersteller von Flugzeugtriebwerken und Dieselmotoren mit Werken in Molsheim und in Bois-Colombes im Süden von Paris. Floirat baute selbst keine Motoren. Überland- und Reisebusse hatten deshalb zugekaufte Antriebsaggregate von LKW-Herstellern wie Latil oder Camions Bernard.

 

Zur Schonung der Betriebsbremse waren die Floirat Z10 zusätzlich mit einer speziell ausgelegten, mehrstufigen Wirbelstrombremse („Superfrein“- Retarder) der Firma Telma ausgerüstet. -  Die Auslieferung der ersten Busse nach Mulhouse begann 1954.

Bild 2: Floirat Z10 der KVS Saarlouis mit Anhänger FM 450

                                                                                                    

In Völklingen verließ man sich möglicherweise auf das Urteil und die Kompetenz der Verkehrsbetriebe aus Mulhouse, fuhr man in beiden Städten doch bereits Somua-Trolleybusse mit Schneider-Westinghouse-Elektrik und war mit diesen zufrieden. Dort war kein Anhängerbetrieb mit Omnibussen geplant.

 

In Neunkirchen könnte zur Entscheidung für Floirat der entfallende Kupplungs- und, dank des Retarders, geringere Bremsenverschleiß beim Befahren der Steilstrecken beigetragen haben. Nur die Völklinger Z10 hatten vorne auf dem Dach die in Frankreich übliche Linienanzeige. Völklinger und Neunkircher Fahrzeuge wurden, im Unterschied zu denen für Mulhouse und Saarlouis, mit einem vierteiligen, breiten Mittelausstieg geliefert.   

Bild 3 (oben): In der Omnibushalle des Straßenbahndepots Völklingen; rechts außen steht ein Chausson APH.

 

Nicht eindeutig klar ist, ob die saarländischen Z10 ab Werk mit Hispano-Hercules-Motoren ausgerüstet waren. Die Neunkircher und die Völklinger Z10 wurden jedenfalls bereits zwischen 1954 und 1958 von oder unter Einschaltung der Saarbrücker Karosseriewerke Schreiner auf MAN-Motoren des Typs 1246 M umgebaut. Diese galten als kostengünstig und langlebig. Die Firma Schreiner hatte gleichzeitig die Generalvertretung für MAN im Saarland.

Bild 4: Z10 im Depot Neunkirchen

 

Zur Minimierung der Zölle und zur Einhaltung von Einfuhrkontingenten wurden die Motore in Einzelteilen und als Ersatzteile deklariert zuerst nach Saarbrücken geliefert. Dort baute 1954 die Fa. Schreiner den ersten Motor zusammen und fertigte die erforderlichen Konsolen und Adapter zum Einbau in die Konstruktion des von Floirat gelieferten Z10.

 

Weitere Fahrzeuge erhielten später direkt bei Floirat das MAN-Aggregat. Die Motorteile und der Einbausatz wurden aus Saarbrücken geliefert und von Floirat in deren Werk zusammen- und eingebaut. (Fotos: Karosseriewerke Schreiner; Sammlung Ferdinand Kleineick)

   

  

Links: Der neue MAN-Motor. Rechts: Innenansicht eines bei Schrei- ner umgebauten Z10 der Neunkircher Straßenbahn; der Motor ist unter einer Haube. Rechts erkennt man den Schaffnerplatz.

 

Einige der im Betrieb auftretenden Schwierigkeiten waren jedoch nicht den Motoren zuzurechnen, sondern der für die Fahrer ungewohnten Bedienung der Busse. Es gab für den linken Fuß, trotz der Flüssigkeitskupplung und des Planetengetriebes, weiterhin ein Pedal. Das sah zwar genau so aus wie das gewohnte Kupplungspedal, war aber ein „Schaltpedal“ für die „Einschaltung“ des vorgewählten Ganges. Es musste nur für diese Funktion betätigt werden. Das Anfahren übernahm bei genügend hoher Motordrehzahl die Flüssigkeitskupplung, genau wie bei einem vollautomatischen Getriebe. Die Fahrer waren jetzt gezwungen, vorausschauend zu fahren, weil sie immer den nächsten benötigten Gang schon vorab zu wählen hatten. Die Gänge mussten dabei, sowohl beim Hoch- als auch beim Herunterschalten, stets nacheinander durchgeschaltet werden. Die offene H-Kulisse des robusten, schalthebelähnlichen Vorwahlhebels auf dem Armaturenbrett animierte die Fahrer allerdings nicht unbedingt zu der dafür notwendigen Disziplin. Es wurde versucht, wie beim Schaltgetriebe, da ging das ja problemlos, Gänge zu überspringen. Aus alter Gewohnheit heraus betätigten bisweilen unachtsame Fahrer auch gleichzeitig den Vorwahlhebel mit der Hand und das Schaltpedal mit dem Fuß. Dafür  waren die Getriebe nicht ausgelegt und derart unsachgemäße Handhabung führte zu Getriebeschäden. Blieben die Fahrer zu lange mit eingeschaltetem erstem Gang und laufendem Motor an einer Haltestelle stehen, überhitzte zudem leicht das Öl in der Flüssigkeitskupplung. Dann war erst Abkühlung statt Abfahrt angesagt.

 

Ohne ausreichenden Luftdruck für die Getriebe-Betätigung ging überhaupt nichts. Sowohl Fahrer als auch Fahrgäste wurden an diese Tatsache fortlaufend erinnert. Die Busse beantworteten jede Bedienung mit einem typischen, innen und außen laut hörbaren „Pfftt-Tschtschhh“ der Druckluftzylinder aus Richtung Getriebe.

 

Nach 1959 überrannten die deutschen Hersteller den saarländischen Omnibusmarkt. In Saarbrücken und Neunkirchen entschied man sich für MAN, in Völklingen für Magirus-Deutz und in Saarlouis für Mercedes-Benz. Die französischen Busse wurden nach und nach abgestellt und verschrottet.

 

Sechs Neunkirchener Z10 aus den Jahren 1955 bis 1957 konnte man jedoch mit ihren inzwischen eingebauten MAN-Motoren nach Mulhouse verkaufen.

 

Bild 5: Ein Z10 in Saarlouis, bereits mit deutschem Kennzeichen

 

Bis 1965 waren alle Floirat Z10 im Saarland ausgemustert. In Mulhouse versahen sie noch bis Anfang der 70er Jahre ihren Dienst. Nur zwei Fahrzeuge der Baureihe sind erhalten geblieben, davon wurde eines in Mulhouse auf einem Gelände der TCM (Transport en Commun de Mulhouse), heute Soléa, abgestellt. Das zweite befindet sich im Bestand der AMTUIR (Association pour le Musée des Transports Urbains, Interurbains et Ruraux). Es hat bereits eine vierteilige Falttür in der Mitte und stammt ursprünglich aus Neunkirchen. Dort fuhr der Bus jedoch ohne aufgebaute Linienanzeige vorne auf dem Dach. Sie wurde in Mulhouse nachgerüstet.

Einem späteren Umbau auf "Einmannbetrieb" musste der Heckeinstieg weichen. Er wurde durch ein neu gefertigtes hinteres Seitenteil ersetzt. Statt des MAN-Motors hat das Museums-Fahrzeug heute einen 150 PS-Hispano-Hercules Motor.

  

Bild 6 (oben): Das letzte in Mulhouse noch vorhandene Original, fotografiert im Jahr 2004

 

Für Sylvain Floirat stellte das Busgeschäft nur eine kurze Episode dar. Er widmete sich ab Mitte 1955 einem neuen Projekt, dem Sender Europe No. 1 (mehr dazu auf dieser Seite!). Den Omnibusbau verkaufte er 1956 an Renault. Deren Nutzfahrzeugsparte ging später zusammen mit Chausson, Somua und Latil in SAVIEM auf.   

 

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Bildnachweise:

Bild 1a bis c: L'Officiel des Transporteurs. Numéro Spécial du Salon de l'Auto 1954. Octobre 1954

Bild 1d: Floirat-Werkfoto

Bilder 2 und 5: Archiv der Kreis-Verkehrsbetriebe Saarlouis

Bild 3: Archiv der Verkehrsbetriebe Völklingen, Heimatkundlicher Verein Warndt

Bild 4: Fotoatelier Peifer, Neunkirchen

Bild 6: Gilles Lenhard 

 

Verwendete Literatur:

Felten, Volker. Die Fahrscheine, bitte! - Die Geschichte der Verkehrsbetriebe des Kreises Saarlouis, Felten Verlag 2013

Ing. H. Trzebiatowsky. Die Kraftfahrzeuge und ihre Instandhaltung. Reprint der 10. überarbeiteten Auflage von 1961. Heel Verlag, 2006.

L'Officiel des Transporteurs. Numéro Spécial du Salon de l'Auto 1954. Octobre 1954

Revue Technique Automobile. Véhicules Utilitaires 1956

 


 

Hinweis: Zahlreiche weitere Fotos von Chausson- und Floirat-Omnibussen, die in den späten 40er bis frühen 60er Jahren im Saarland gelaufen sind, finden Sie auf unserer Seite Kraftpost im Abschnitt B 2) bzw. B4 und C).

 

Mehr Omnibusse finden Sie auf den Seiten Omnibusse 1, Omnibusse 2 und Saar-Kraftpost.

 


 

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Diese Seite wurde begonnen am 15.5.2014 und zuletzt bearbeitet am 10.3.2021

 

 

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