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a2) Autofahren im Saarstaat       

 

 

 Text und Bildauswahl:  Karl Presser        

 > zu unserer Seite  a1 ) Allgemeines zum Verkehr in der Saarstaatzeit   

Bild rechts: Starker Verkehr am Hotel Messmer, Ecke Rathausstr. (heute Kaiserstr.) und Viktoriastr. in Saarbrücken (Foto: W. Barbian: http://www.saarlandarchiv-walter-barbian.eu)


 

Der Verfasser dieses Textes Karl Presser wuchs in Völklingen-Fürstenhausen in einem Geschäftshaus auf, das an der dortigen Saarbrücker Straße lag. Diese war in den 50er-Jahren ein Teil der Hauptverkehrsachse auf der linken Saarseite nach Saarbrücken. So gab es kaum ein Automodell dieser Zeit, das nicht irgendwann an seinem Elternhaus vorbeifuhr. Außerdem wurden in der Nachbarschaft fast alle gängige PKW und LKW gefahren, angefangen beim Renault 4 CV bis hin zum Berliet GLR. Besonders beeindruckten ihn damals drei Fahrzeuge: das seltene Ford-Vedette-Coupé eines Nachbarn, der Peugeot-203-Dienstwagen des in Sichtweite wohnenden Völklinger Bürgermeisters Rudolf Trenz und der 11er Traction Avant des ortsansässigen Arztes. Zusätzliche Eindrücke vom Straßenverkehr gewann er auf seinem täglichen Fußmarsch zum Völklinger Realgymnasium, der ihn unter anderem an der alteingesessenen Tankstelle und Reparaturwerkstatt der Familie Altpeter vorbeiführte.

 

Entsprechend der im "Nero-Befehl" festgelegten Strategie der Wehrmacht sollten im Deutschen Reich zum Kriegsende 1945 nicht nur alle militärischen, sondern auch sämtliche zivilen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen zerstört werden, die dem Feind nutzen könnten. Dies galt auch für alle damit verbundenen Sachwerte. In Bezug auf den Verkehr betraf es insbesondere Fahrzeuge und Brücken.

 

Daher mussten nach dem Krieg zunächst das Versorgungs- und das Transportproblem bewältigt werden. Die Belieferung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Brennstoffen sowie die Ankurbelung der Energieversorgung und der Industrieproduktion hatten oberste Priorität. Von höchster Bedeutung war es  zudem, das notwendige Personal an die Arbeitsplätze zu befördern. Kraftfahrzeuge für den Individualverkehr stellten ein sekundäres Thema dar, aber leichte und schwere Nutzfahrzeuge waren für die Versorgung der Bevölkerung und den Wiederaufbau im Land unverzichtbar. In Frankreich war bereits 1945 der Plan Pons*)  für den Wiederaufbau der Automobilindustrie entwickelt worden. Dieser Plan sollte sich später auch auf die Motorisierung im wirtschaftlich an Frankreich angegliederten Saarland auswirken. Der Traum vom eigenen, vielleicht sogar neuen Auto erstreckte sich daher auf französische Fahrzeuge von Marken wie Renault, Citroёn, Peugeot, Simca, Panhard und Ford France. Der Weg zum Individualverkehr führte im Saarland, wie in der Deutschen Bundesrepublik, vom Fahrrad über das motorisierte Zweirad zuerst zum kleinen und später zum größeren Auto.

 

Behelfsbruecke

 

   Diese Behelfsbrücke aus Holz führte ab 1949 für eine kurze Zeit vom

   Saarbrücker Bahnhofsvorplatz (im Bildvordergrund) zu dem damaligen Teil

   der Bahnhofstraße, der heute Reichsstraße heißt.**)  Foto: Walter Barbian

*) zum Plan Pons siehe im Abschnitt B unserer Seite Verschiedene Aspekte des Verkehrs.          **) zu den Umbenennungen der Straßen siehe unsere Seite Straßennamen!

 

Der Traum vom eigenen Auto wird Wirklichkeit

 

Bei den Motorrädern setzte man instand, was der Krieg zurückgelassen hatte. Außerdem wurden Militärkrafträder ausgesondert und tauchten auf dem zivilen Markt auf. Manches Motorrad oder Auto wurde “zufällig“ in der Scheune unter dem Heu "wiedergefunden“. Zur automobilen saarländischen Erstausstattung gehörten viele gebrauchte Opel Kadett und Olympia, DKW der Reichs- und Meisterklasse einschließlich ihrer Kombiversionen, mancher Adler oder Fiat und einzelne Mercedes 170, ebenso natürlich alle möglichen Citroёn, Renault und Peugeot. Überlebende VW-Kübelwagen wurden entmilitarisiert und auf die Straße gebracht, wie alles andere, was sich irgendwie fahrbereit machen ließ.

 

Auf diese Weise war der wachsende Bedarf aber nicht einmal ansatzweise zu decken. Es entstand der typische Verkäufermarkt, bei dem die Objekte der Begierde zwar formal verkauft, aber eigentlich zugeteilt wurden. Das war bei Lieferzeiten von einem Jahr und länger für die Verkäufer auch kein Problem. Das Zentrum des saarländischen Autohandels lag damals im Osten, im Saarbrücker Osten. In der Mainzer Straße und ihren Parallelstraßen Richtung Schafbrücke hatten die Großen ihre Ausstellungsräume und Werkstätten und firmierten als Importeure und Großhändler.

Einige alteingesessene Vertreter deutscher Hersteller hatten die Marke gewechselt oder eine französische hinzugefügt, aber ihre Klientel behalten. So blieb Seibert als Gustav Seibert weiter Mercedes-Generalvertreter und vertrieb als Seibert & Söhne jetzt die ebenso angesehenen Citroën-Modelle. Dechents Central-Garage blieb Opel verbunden, seine Saar-Auto-Contor GmbH an gleicher Adresse war erfolgreiche Generalvertretung der Marke Renault, des damaligen Marktführers.

 

Hans Dechent war somit nun auch Herr über das meistverkaufte Objekt der Begierde, den Renault 4 CV, das Crèmeschnittchen. Was dem Bundesbürger der Käfer, das war dem Saarländer das Crèmeschnittchen. Beide waren klassenlose Erfolgsfahrzeuge. Der 4 CV musste sich allerdings, jedoch nur in Frankreich, den Erfolg mit dem Citroën 2 CV teilen. Dieser wurde im Saarland erst in den 50er-Jahren angeboten und fand hier relativ wenige Käufer. Aber Renault war mit seinem 1000 kg Kastenwagen, später Voltigeur genannt, an der Saar unverzichtbarer Bestandteil des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Centralgarage

  Centralgarage und Saar-Auto-Contor in den 50er-Jahren. Foto: Autohaus Dechent

 

In der jungen Bundesrepublik hatte VW mit seinem Transporter, dem so genannten "Bulli", diese Rolle im Wirtschaftswunder übernommen und war dort mit diesem noch erfolgreicher.

 

Der Saarbrücker Gustav Großklos verkaufte und reparierte in seinem Unternehmen schon zu der Zeit des Saarstaats Volkswagen-Fahrzeuge und wurde nach dem Tag X von der explodierenden Nachfrage nach dieser Marke fast überrollt. Sein zweites Standbein war zuvor Hotchkiss gewesen. Natürlich hatten auch alle anderen großen Automobilhersteller wie etwa Peugeot, Simca oder Ford ihre Generalvertretungen in Saarbrücken.

Wer damals aber glaubte, dort ein ausgestelltes Fahrzeug einfach kaufen und gleich mitnehmen zu können, der irrte sich. Es gab zwar meist einige wenige "Vorführwagen“, für die jedoch oft ein höherer Preis als für einen Neuwagen mit entsprechender Lieferzeit verlangt wurde. Die Wirtschaft wurde nach französischem Vorbild vom Staat gelenkt. Importquoten, Zölle und Besteuerung hielten deutsche Fahrzeuge vom Markt fern. Statt eines VW-Käfers mit vier Zylindern konnte man für etwa die gleiche Summe auch eine (in Frankreich gebaute) Ford Vedette mit 8-Zylindermotor erwerben. Für einen Mercedes musste man im Saarland einen Preis bezahlen, der etwa doppelt so hoch war wie in der Bundesrepublik.

 

 

Zölle und Steuern wurden auch auf Regierungs- und andere Dienstfahrzeuge erhoben. So erscheint JoHos Mercedes 300 noch wertvoller. Er hätte für den Preis dieses Autos (verzollt) auch mehr als drei Citroёn Traction 15-Six (zollfrei) erhalten. Die Frage, warum er sich ein dermaßen teures Fahrzeug angeschafft habe, beantwor- tete er staatsmännisch-lakonisch mit "Es ist deutsche Wertarbeit" (s. unsere Seite JoHo-Dienstwagen). Für ein Polizeimotorrad BMW 51/3 betrug der deutsche Listenpreis 2.750 DM. Das saarländische Innenministerium bezahlte allerdings 628.130 Francs dafür, die etwa 5.000 DM entsprachen. (Diese Zahlen hat Ulrike Kunz für ihr Buch "Geschichte der saarländischen Polizei 1945-1959“ anhand von Polizeiaufzeichnungen recherchiert.)

 

 

Hinsichtlich ihrer Wertschätzung entwickelten Marken und Modelle schnell ein eigenes Image. Der Citroёn Traction Avant war das bevorzugte Auto des Staates und der Kirchen, der Saargruben, der Geschäftsführer, der Ärzte und Apotheker. Peugeot fuhren Bürgermeister, Direktoren in der Industrie, Anwälte und alteingesessene Geschäftsleute. Wer eine Vedette fuhr, galt oft als erfolgreich im Saarstaat. Simca war die Marke der Handwerker und Kaufleute. Das Crèmeschnittchen, gerne von Lehrern gefahren, blieb ansonsten klassenlos. 

 

Es entwickelte sich wegen der hohen Nachfrage ein lebhafter Gebrauchtwagenhandel mit in Frankreich aufgekauften - auch deutschen - Autos. Diese wurden manchmal von Firmenangehörigen der Hersteller als “Werkswagen“ in Frankreich gefahren, bis ihr nächstes Neufahrzeug nach Ablauf der Lieferzeit vor der Tür stand. Für solche Fahrzeuge wurde oft, obwohl gebraucht, der Preis eines Neuwagens verlangt. Die Gebraucht- wagenhändler siedelten sich ebenfalls an der Saarbrücker “Automeile“ an.

 

Es gab auch Fahrzeuge, die schneller lieferbar waren, wie etwa die Vedettes von Ford und später von Simca. Sie galten mit ihren V8 - Motoren als trinkfreudig. Nach der Suez-Krise reagierte Simca. Man benannte das eigentlich auslaufende Vedette-Modell 'Trianon' in 'Ariane 8' um. Mit dem sparsameren 4-Zylinder-Motor aus der Aronde verkaufte man es bis in die 60er-Jahre hinein erfolgreich als Ariane 4. Die Idee war einfach, aber damals neu: “Großes Auto für kleines Geld“.

 

Nach dem Tag X stand der bisherige Markt sofort auf dem Kopf. Ein 4CV sollte neu in DM jetzt mehr kosten als ein VW-Käfer. Das Geschäft lief natürlich so nicht mehr. Auch der 1000-kg-Renault Voltigeur wurde vom VW-Bulli nun aus dem Markt gedrängt.

 

Hinweis:  Von zahlreichen der genannten Autotypen können Sie Bilder und weitere Erläuterungen auf unseren Seiten PKW (französisch) und PKW (deutsch und ausländisch) sehen.

 

 

Mehrere PKW verschiedener Fabrikate auf dem Bahnhofsvorplatz in Saarbrücken  (nachträglich eingefärbtes Schwarz/- Weiß-Foto unbekannter Herkunft)   

 

 

Die erste Fahrt mit dem neuen Auto

 

Stand nun der lang ersehnte Neuwagen nach durchlittener Lieferzeit endlich beim Händler zur Abholung bereit, stellte der verblüffte Käufer oft fest, dass das Lenkrad-Zündschloss fehlte. Es war ja nicht vorgeschrieben und an seiner Stelle war ein schlichter Schalter angebracht, eine besondere Spezialität z.B. von Peugeot, die man kennen musste. Hatte man dann noch ein Kofferraumschloss und ein Schloss für die rechte Seitentür geordert, so bekam man, einschließlich Tankschloss, oft einen ganzen Schlüsselbund zu seinem neuen Auto. Das Lenkradschloss war meist kein Zünd-Anlassschloss, denn viele Fahrzeuge wie etwa Traction Avant, Peugeot 203 und anfangs auch der Renault 4 CV, hatten über Seilzug betätigte Anlasser. Die Prozedur des Startens eines 4 CV war: Zündschlüssel auf „Marche“ drehen, Starterklappe (Choke, auf dem Boden) ziehen, Anlasser mit dem Starterhebel hinter der Handbremse betätigen und rechtzeitig wieder loslassen. Der Anlasser des Peugeot 403 wurde dagegen bereits über einen separaten Knopf am Armaturenbrett gestartet.

  

Renault 4 CV (Crèmeschnittchen): links dreimal Zündschloss, rechts Seilzug-Starterhebel (0) und Choke (4)   (aus der Renault-Bedienungsanleitung)

 

Bei Übergabe erfolgte eine Einweisung durch den Verkäufer in die Bedienung des Fahrzeugs. Diese fand ihren Abschluss in der eindringlichen Ermahnung, die Wartungs- und besonders die Einfahrvorschriften und zu beachten. Nach diesen galten z.B. beim Renault 4 CV folgende Höchstgeschwindigkeiten in den einzelnen Gängen während der ersten 1000 km: Erster Gang: 16 km/h, zweiter Gang: 32 km/h, dritter Gang: 55 km/h. Anschließend bis 2000 km Laufleistung: nicht schneller als 70 km/h. Außerdem: im dritten Gang nicht langsamer als 40 km/h, im zweiten Gang nicht unter 10 km/h.

 

Für die anderen Verkehrsteilnehmer war oft an der Heckscheibe als Information ein Aufkleber mit der Aufschrift “en rodage“ ("wird eingefahren") angebracht, um die auffällige Fahrweise zu erklären. Es waren wahrlich gemütliche Zeiten. Aber schon nach maximal gefahrenen 500 oder 1000 km war der erste Ölwechsel fällig.

 

Verließ man als frischgebackener Autobesitzer das Firmengelände mit seinem neuen Wagen, endete die Fahrt gleich an der nächstgelegenen Tankstelle. Es war gut, hier den Ermahnungen des Verkäufers zu folgen, denn dem Neuwagen war Kraftstoff nur in homöopathischen Mengen eingefüllt worden.

 

An der Tankstelle

 

 

Mit dem Besitz eines Autos wurde der Tankwart automatisch zu einer neuen Bezugsperson. Hatte man doch vorher schon stundenlang in der Männer-Runde am Stammtisch diskutiert, welche Kraftstoffmarke nun die beste sei, stand damit nun eine ernste Entscheidung für den Besitzer an: die Stamm-Ttankstelle.

 

Es ging ja nicht nur um das Tanken, das hätte man auch an der Bürgersteig-Zapfsäule des ortsansässigen Zweiradhändlers erledigen können oder bei einer der hin und wieder am Straßenrand anzutreffenden so genannten “eisernen Jungfrauen", Zapfsäulen mit Handpumpe und zwei Fünf-Liter-Glasgefäßen. Schmierstoffe wurden im dazugehörigen Laden verkauft.

 

Shell-Tankstelle in Saarbrücken-Burbach 1956  (Foto: Landesarchiv Saarbrücken)

 

 

Es ging um mehr: Nach jeweils 2.500 gefahrenen Kilometern wurde der lapidare Auftrag an einen Tankwart fällig: Ölwechsel und Abschmieren!

 

Dazu war eine Hebebühne oder mindestens eine Abschmiergrube notwendig. Dies war die Billiglösung; eigentlich sollten die Schmierstellen beim Abschmieren entlastet sein. Dafür konnte die Grube aber meist auch von LKWs befahren werden. Vornehm war eine Hochdruck-Abschmierpresse mit Druckluftanschluss.

 

PKWs hatten etliche Schmiernippel, und diese saßen bei den verschiedenen Typen jeweils an einer anderen Stelle. Deshalb gab es an der Tankstelle einen von der Mineralölgesellschaft herausgegebenen Ordner mit Schmier- und Wartungsplänen. Außerdem enthielt er die markenspezifischen Vorschriften für die zulässigen Schmierstoffe. Bei den Motorölen war das relativ einfach, sie waren damals nur gering mit Zusätzen (Additiven) versehen, "legiert", nennt man das. Wesentlich war die Viskosität, also das Fließverhalten bei unterschiedlichen Temperaturen. In der Regel war im Sommer Öl der Viskosität SAE 30 vorgeschrieben, im Winter SAE 20 oder SAE10. Ende der 60er gab es dann auch Mehrbereichsöle SAE 10W30 oder 20W50, die einen Ölwechsel je nach Jahreszeit überflüssig machten.

 

Altöl war keineswegs immer Sondermüll. Ein Tipp war, den Verfall der Fahrzeuge aufgrund von Rost durch Einsprühen des Fahrzeugunterbodens mit Altöl oder Kriechöl aufzuhalten. Dafür sollte der Unterboden vorher gesäubert und dann durch eine kleine Ausfahrt mit Sand bestäubt werden. Anschließend erfolgte die Öldusche. Die Arbeit war sicher ungesund und der Nutzen fraglich.

 

Tankstellen-Ensemble (Foto mit freundlicher Genehmigung von http://alte-tanksaeulen.de)

 

Schmierplan für den Renault 4 CV ("Crèmeschnittchen"  (mehr über dieses Fahrzeug finden Sie auf unserer Seite über den 4 CV!)

 (Das Bild wurde der Seite http://www.4-cv.de/lesestoff_handbuecher.htm  entnommen)  

 

Eine fortschrittliche Tankstelle hatte neben der Arbeitshalle zusätzlich noch eine wandhoch geflieste Waschhalle. Von großem Vorteil war es, wenn eine Tankstelle auch ein Batterieladegerät oder noch besser einen Schnelllader besaß. Nach der ersten frostigen Nacht konnte man Kinder beobachten, die mit Vaters Autobatterie im Bollerwagen zum Aufladen an die Tankstelle geschickt wurden. Manche gut behütete Batterie brachte die kalten Winternächte vorsichtshalber in der Küche zu.

 

Damals wurde auch das Kühlwasser der Autos gewechselt. Im Sommer fuhr man mit reinem Wasser, im Winter mit einem Wasser/Glycol-Gemisch. Die Brühe wurde im Frühjahr abgelassen und für den nächsten Winter aufbewahrt. Leute aus konservativen Kreisen fuhren im Winter sogar noch mit Brennspiritus als Frostschutz im Kühlwasser. Teil der Ausstattung war bei vielen Fahrzeugen schwarze Pappe, die im Winter zwecks Minderung der Kühlwirkung vor dem Kühler angebracht wurde. Besondere Freude bereitete diese Prozedur den Besitzern des Crèmeschnittchens. Es hatte den Kühler hinter der Rücksitzbank im Heck und benötigte gleich zwei eigens vorgeformte Pappen, die eingefieselt werden mussten.

 

An der Zapfsäule gab es keine Selbstbedienung. Der Tankwart trug oft die Uniform der Mineralölgesellschaft, und einen Shop suchte man vergebens, es sei denn, es handelte sich um Schmierstoffe, Keilriemen, Zündkerzen, Auto-Glühlampen und ähnliche für das Wohlbefinden des Fahrzeugs erforderliche Produkte.

 

< Zapfsäule mit Handpumpe und Glasbehältern

   Zapfsäule mit seitlicher Rückstellkurbel für Zählwerk >

 

Diese drei Fotos zeigen wir hier mit der freundlichen Genehmigung von http://alte-tanksaeulen.de

 

Zwischen den Tanksäulen für Benzin und Super stand das “Ölkabinett“, ein Schrank mit zwei oder drei Handpumpen, mit denen man Motoröl unterschiedlicher Viskosität in Blechkannen mit 0,25 l, 0,5 l oder einem Liter Inhalt abfüllen konnte (siehe Bild rechts). Später ging man zu abschließbaren Schränken über, die Öle in Blechdosen enthielten. Es gab Auto-Modelle mit berüchtigt hohem Ölkonsum. Verdächtigte man einen Panhard-Fahrer mit bläuendem Auspuff, einen Zweitakter zu fahren, hatte man sich damit einen Feind für sein weiteres Leben geschaffen. - Als normal galt ein Ölverbrauch von einem Liter auf 1.000 km.

  

 

War die Tankstelle groß oder auf dem Dorf, so hatte sie neben denen für Normal- und Super- kraftstoff eine dritte Zapfsäule für Diesel. Diesel - PKWs waren bis Ende der 50er Raritäten und von Mercedes-Benz.

Mancher Traktor oder LKW war allerdings auf Dieselkraftstoff angewiesen. Die Diesel-Säulen waren nach amerikanischem Vorbild oft etwas weiter entfernt auf dem Tankstellengelände aufgestellt.

 

 

Viele leichte und mittlere LKWs, z.B. die von Renault, hatten Benzinmotoren. Zur Standard- ausstattung der Tankstelle gehörte eine blecherne Mischkanne zum Ansetzen des Zweitakt-Gemischs für DKWs und die motorisierten Zweiräder.

 

Zum Mischen mit der Kanne brauchte man die richtige Menge Motoröl SAE 30 für 10 l Kraftstoff und einen kräftigen Arm. Oftmals wurde ein Gemisch 1:25 für Zweiräder bereits automatisch in einer fahrbaren Säule mit Tank und Pumpe hergestellt.

Unverzichtbar war für die Tankstelle eine Druckluft-Erzeugungsanlage. Sie diente vorwiegend zum Füllen von Reifen und lieferte die Luft für die Abschmierpresse, den Ölsprüher und die Steuerung der Hebebühne.   

 

Das Geschäft mit den Kraftstoffen war fest in der Hand der bunten “großen Schwestern“, wie Shell, Esso und BP, die bis heute am Markt sind. In Frankreich und im Saarland hatte Total mit seinen Tochtergesellschaften eine starke Position. So fehlte auf kaum einem Neufahrzeug der Hinweis per Aufkleber, man solle Total-Kraft- und Schmierstoffe verwenden. Die Kraftstoffe waren markenspezifisch gelb, rot oder grün gefärbt. Jede große Marke hatte ihre eigenen Raffinerien in Frankreich mit nachgeschalteter Tanklager- und Transportlogistik. Markenkraftstoff wurde mit Bahn-Kesselwagen zu Tanklagern transportiert und von dort per Tanklastzug ausgeliefert. So entstand ein beliebtes Thema für den Stammtisch: Welche Kraftstoffmarke ist besser? Läuft mein Auto mit Super schneller als mit Normal? Es gab in der Tat Unterschiede zwischen den Marken aufgrund der Produktionsprozesse ihrer Raffinerien und der unterschiedlichen Additive. Bisweilen gab es auch “Klingelwasser“, das war Kraftstoff, der sich bei entsprechender Motorbelastung aufgrund ihrer nach unten grenzwertigen Oktanzahl lautstark durch metallisches Geräusch, das "Motorklingeln“, bemerkbar machte. Heute nutzen die Mineralölkonzerne gemeinsam zentrale Tanklager. Der Marken- kraftstoff entsteht erst beim Befüllen der Tanklastzüge durch automatische Zugabe markenspezifischer Additive. 

 

Es gab damals noch keine freien Tankstellen. Sie entstanden erst in den 60er-Jahren, als Kraftstoff im Überfluss in Rotterdam auf dem Spot-Markt zu beziehen war. Im Saarstaat firmierten aber lokale Mineralöl-Importeure mit eigenen Tankstellen, wie etwa Widenmeyer in Saarbrücken (Abbildung unten).

Im November 1956 wurden die Tankstellenbesitzer zu den wichtigsten Personen im Saarstaat. Die Suez-Krise führte zu drastischer Benzinverknappung. Anfangs wurden Nummern ausgegeben (wie heute in manchen Arztpraxen), damit die Reihenfolge geklärt war, in der der kostbare Stoff im Falle einer Belieferung an Stammkunden verteilt werden sollte. Es durften jeweils nur noch fünf bis maximal zehn Liter Kraftstoff pro Fahrzeug abgegeben werden.

 

Diese Menge sollte die Wochenration darstellen. Nicht-Stammkunden der Tankstellen hatten keine Chance. Die Benzinpreise waren zwar erhöht worden, aber vom Staat festgesetzt. Es gab also kein Regulativ durch Angebot und Nachfrage. Die Tankwarte rieten ihren Stammkunden dazu, jenseits der Grenze zu tanken, und taten dies sogar selbst.

 

Flugs waren auch grenznahe Städte in der Bundesrepublik, wie das ohnehin zum Einkaufen beliebte Zweibrücken, trotz dortiger Benzinpreisanhebung "ausgetrocknet".

 

Einige französische Tankstelleninhaber entdeckten für sich die Marktwirtschaft. Statt der staatlich vorgegebenen Höchstmenge gaben sie "unter der Hand" auch mehr Kraftstoff ab, verlangten dafür aber bis zum Vierfachen des festgesetzten Preises. Manch frustrierter Autofahrer ließ in der Not auch die “bessere Hälfte“ um Kraftstoff anstehen, mit dem ausdrücklichen Auftrag, den Tankwart zwecks Herausgabe einer kleinen Menge zu bezirzen. Das Problem während der Suez-Krise war nicht, wie später in den 70ern, eine Verknappung der Rohölförderung, sondern der plötzlich längere Transportweg. Als dann die ersten Tanker den Weg um Afrika herum geschafft hatten, floss auch wieder der Kraftstoff.

 

Nicht nur bei den Saargruben, sondern auch bei den Hütten, den Verkehrsbetrieben, vielen Behörden, großen Firmen und bei der Polizei gab es eigene Tankstellen für Benzin und für Diesel. Superbenzin war nicht überall zu haben. An einigen dieser Tankstellen konnten auch Mitarbeiter tanken. Ein Beispiel hierfür ist die "Hüttentankstelle", die in Völklingen auf dem Schulzenfeld betrieben wurde. Alle Fahrzeuge, die dort tanken durften, waren erfasst, und die jeweils abgegebene Kraftstoffmenge wurde notiert. Die Werksfahrzeuge hatten ein Tankbuch, und der Gegenwert wurde den Belegschaftsangehörigen vom Lohn abgezogen.

 

 

Selten gefahren, aber "heftig" gepflegt

 

Stand bei den Saarländern damals endlich das Wunschauto vor der Tür, so war oft bereits eine Garage vorhanden; hatte man doch voraus- schauend die lange Lieferzeit genutzt. Einfach hatten es die Hausbesitzer, die keinen tiefliegenden Keller hatten, denn dort konnte ein Kellerraum zur Garage umgebaut werden. Dabei waren die geringe Länge z.B. des Crèmeschnittchens von nur 3,61 m bei 1,43 m Breite und 1,47 m Höhe vorteilhaft. Das eigene Auto war wertvoll und sollte, wenn irgendwie machbar, nicht auf der Straße herumstehen. Geschäftstüchtige Mitbürger kamen sogleich auf die Idee, freie Plätze in den Städten mit Garagen zu bebauen und diese zu vermieten.

 

War eine Ausfahrt angesagt, dann bedurfte dies gewissenhafter Vorbereitung, insbesondere wenn die Außentemperaturen schon niedrig waren. Die Startautomatik war noch nicht weit verbreitet, und der Umgang mit dem Choke wollte gelernt sein, damit der Motor auch bei Kälte ansprang und bald auch einigermaßen rund lief. Oft vergaß der Fahrer, dass beim Kaltstart das Gaspedal nicht getreten werden sollte. Einen Fehler hierbei quittierte der Motor meist dadurch, dass er überhaupt nicht anspringen wollte. Es gab auch ausgewiesene Spezialisten, die den Anlasser dann so lange betätigten, bis die Batterie leer und der Motor “abgesoffen“ war. Da konnte dann meist nur noch der Tankwart weiterhelfen. 

 

Wenn das Fahrzeug längere Zeit gestanden hatte, empfahl fast jede Bedienungsanleitung, vor einem Startversuch einen kleinen Hebel an der Benzinpumpe dreimal zu betätigen. Dies war auch eine ausgewiesene Spezialität bei Renault. Hier wurde aber andererseits schon früh eine über den Auspuff beheizte Startautomatik eingesetzt, und zwar beim 4 CV. Die Peugeot 203- und 403-Fahrer und Fahrerinnen und manch andere mussten auf diese Annehmlichkeit verzichten und stattdessen virtuos am Choke ziehen.

 

In den Bedienungsanleitungen war zu lesen: "Vor Antritt jeder Fahrt ist der Ölstand zu prüfen". Es gab auch aus dem Französischen übersetzte Bedienungsanleitungen, die diese Kontrolle täglich empfahlen. Dies machte aber bei den üblichen Fahrgewohnheiten der Saarländer keinen Sinn: Von Montag bis Freitag wurde am Wagen geschraubt, und nicht mit ihm gefahren. Am Samstag wurden Fahrzeug und Fahrer geputzt und am Sonntag fand der Familienausflug mit dem Auto statt.

 

Eine ordnungsgemäße Wagenwäsche hatte mit dem Gartenschlauch zu erfolgen und fand meist auf der Straße statt. Fahrzeugbesitzer, die diese Möglichkeit nicht hatten, frönten der Eimerwäsche und wurden von der Gartenschlauch-Fraktion angemessen bedauert. Es wurde teilweise verbissen gepflegt, und matter Chrom galt als Zeichen von Nachlässigkeit oder zeigte an, dass das Fahrzeug seine besten Jahre längst hinter sich hatte. Auch die Lackpflege wurde mit großer Ernsthaftigkeit und viel Politur betrieben. Die Besitzer schwarzer Fahrzeuge waren besonders häufig an der Arbeit. Tat man allerdings zuviel des Guten, so war der Lack schnell “durchpoliert“. An den Kanten der Karosserie schimmerte dann die Grundierung durch.

 

Der sorgsame, sparsame Autofahrer achtete darauf, dass die Räder seines Fahrzeugs regelmäßig getauscht wurden. Dabei wurde das Ersatzrad mit einbezogen - so konnte die Zeit bis zum Kauf eines neuen Satzes Reifen gestreckt werden. Gekauft wurden dann meist nur vier neue Reifen.

 

Der typische Sonntagsausflug führte zu den bekannten lokalen Ausflugszielen, sie waren ja mit öffentlichen Verkehrsmitteln meist nur schwer zu erreichen. Selbst mit dem kleinen 4 CV war ein Ausflug von vier Erwachsenen und drei Kindern nicht ungewöhnlich. Aber es wurden durchaus auch längere Fahrten und Urlaubsreisen unternommen. Dies erforderte bei der Einreise ins Ausland die Vorlage eines Reispasses als personenbezogenes Dokument, und für das Auto war als Zolldokument ein "triptyque" notwendig. Im Triptik bestätigte der ACS (Automobilclub Saar), dass er für das Fahrzeug gegenüber den Zollbehörden finanziell garantiere, falls dieses nicht wieder ordnungsgemäß ins Saarland rückgeführt werden sollte.

 

Schema zum Tausch der Räder. (Werkbild Renault Bedienungsanleitung)     

 

Ein beliebtes Ziel war, besonders an den verkaufsoffenen Adventssonntagen, das pfälzische Zweibrücken. Selbstverständlich stellten sich auch die französischen Zöllner mit intensivierten Kontrollen auf den Einkaufsverkehr ein.

 

Zur Stärkung auf der Rückfahrt wurde das Gasthaus mit Metzgerei Schwarz in Rentrisch wegen seiner großzügigen Portionen als Geheimtipp gehandelt. Solche Tipps kursierten für praktisch alle Strecken. Der Weg nach Westen führte über Mettlach und den gefürchteten Keuchinger Berg, bei dem ältere Fahrzeuge oft kochend den vollständigen Aufstieg verweigerten. Deshalb gab es rechts einen Parkplatz. Der Weg nach Norden führte über Hermeskeil und die Hunsrück-Höhenstraße, und nach Osten gelangte man bei Kaiserslautern über die dort beginnende Autobahn. Deren letztes Stück in Richtung Saarland hatten die Amerikaner für ihre Ramstein-Airbase zweckentfremdet. Diese Autobahn erlaubte, unmittelbar hinter der Grenze beginnend, den Saarländern schnelles Fahren.

Das Bild zeigt das Gasthaus Schwarz in Rentrisch (Foto von www.rentrisch.de)

 

 

Einfacher war die Fahrt nach Südwesten, führte sie doch durch Lothringen und das Elsass. Es waren keine Grenz- dokumente für das Auto nötig, und eine Zollkontrolle entfiel, zumindest bis zum Rhein.

 

Die damaligen französischen Landstraßen waren äußerst gewöhnungsbedürftig, denn der Belag bestand fast immer aus Rollsplit. Außerdem verliefen sie meist schnurgerade, aber nur bis zur nächsten Kuppe: Dort konnte die Richtung abrupt wechseln. Fahrbahn-Markierungen gab es so gut wie keine. Diese Straßen verleiteten zu hoher Geschwindigkeit. Es gab dort zwar nur wenig Verkehr, aber Unfälle waren, so sie passierten, häufig sehr schwer.

 

Wie die Rast auf der Fahrt eines Völklinger Kegelclubs in die Vogesen im Jahr 1951 aussah, zeigt das Foto rechts:

 

Man sieht dort hinter einem Peugeot 203 einen Renault Juvaquatre, einen Panhard Dyna X und eine DKW Meisterklasse. Fürsorglich gönnten die Besitzer ihren Autos eine kleine Abkühlung durch Öffnen der Motorhauben. Besonders die Mitfahrt in einem DKW war gefürchtet, denn er hatte eine Neigung zu kochendem Kühlwasser und Pannen aller Art.

 

Zum Bild links: Hotel-Restaurant in den Vogesen, davor stehen mehrere Traction Avant. Vor den Hotels gab es genügend freie Parkplätze. Kenner bemerken sofort die Pilote-Räder eines der dort geparkten Traction Avant. In elsässischen Ortschaften konnte man sein Fahrzeug noch mitten auf dem Platz vor dem obligatorischen Denkmal abstellen. Die Burgen und Schlösser jenseits der offenen Grenze und die Weinorte im Elsass waren beliebte Ziele. Auch der “große“ Schulausflug per Bus führte oft dorthin.  (Diese drei Fotos: privat)

 

Bild rechts: Ein Peugeot 203 aus dem Saarland vor dem Hôtel du Mouton ("Schafs-Hotel") im elsässischen Rappoltsweiler (Ribeauvillé)

 

 

Und dann in die Werkstatt

 

Werkstätten waren nicht nur Wartungs-, sondern darüber hinaus Instandsetzungsbetriebe. Was irgendwie zu reparieren war, wurde repariert. Defekte Teile wurden, wann immer möglich, in der Werkstatt überholt und wieder eingebaut. Austauschteile gab es nicht, aber Werkstätten, die auf die Überholung von Motoren, Getrieben, Vergasern, Lichtmaschinen oder Anlassern spezialisiert waren. Bosch-Dienste waren ganz selten, weil die elektrische Ausrüstung französischer Fahrzeuge von Cibié, Marchal, Ducellier usw. stammte. Die Vergaser waren meist von Solex. Die Spezialisten hierfür und Ersatzteilhändler waren ebenfalls in der Nähe der "Saarbrücker Automeile" zu finden. Großklos hatte z.B. auch eine spezielle Motorenwerkstatt außerhalb der Hauptstadt, nämlich in Friedrichsthal. Es gab weitere Spezialisten wie beispielsweise Karosseriebauer und Lackierbetriebe. Reifenhändler und Runderneuerer hatten schon immer ihr eigenes Geschäftsfeld.

 

Neben den freien Werkstätten, die oft auf dem Land alles reparierten, was Räder hatte, gab es in großer Anzahl Vertragswerkstätten, die sich auf mehrere Marken spezialisiert hatten (siehe links). Die Kunden erwarteten von ihnen auf die jeweilige Marke besonders geschultes Personal und ein Lager mit häufig benötigten Ersatzteilen.

 

Werksniederlassungen wie in der Bundesrepublik gab es nicht. Diese Rolle wurde von den Importeuren und Großhändlern übernommen. Streckenweise waren deren Firmennamen ohne Bezug zum Fabrikat, das sie vertraten, wie etwa Auto-Industrie für Ford oder Kraftwagen-Handelsgesellschaft Kochte & Rech für Peugeot. Letztere ging später übrigens in der Werksniederlassung dieser Marke auf. Renault hatte als Marktführer ein entsprechend dichtes Werkstattnetz.

        Anzeige aus dem Behörden-und Firmenverzeichnis der Stadt Völklingen 1956

 

In Übereinstimmung mit den damaligen Anforderungen standen Mechanik und mechanische Bearbeitungsmethoden in der Werkstatt im Vordergrund. Um überhaupt arbeiten zu können, waren gewisse bauliche Voraussetzungen notwendig. Da Hebebühnen eine bestimmte Mindest-Raumhöhe erforderlich machten, war der Standard- Reparaturplatz die Arbeitsgrube.

 

Von Vorteil war, dass, entsprechende Öffnungen in der Erdgeschossdecke vorausgesetzt, nur wenige weitere Baumaßnahmen nötig waren. Unter der Werkstatt wurden oft die Wasch- und Umkleideräume für das Personal Platz sparend untergebracht.

 

Prüfstand von Saar-Auto-Contor und Central- Garage mit Renault 4 CV und Opel Kapitän

Foto: Autohaus Dechent, Saarbrücken

 

Selbst der TÜV in Hühnerfeld und Beckingen hatte noch Anfang der 60er-Jahre nur Arbeitsgruben. Für einen Radwechsel waren Hebebühnen zwar ungeheuer praktisch, sie wurden aber aus Kostengründen durch Rangierheber ersetzt. Außerdem erforderten Hebebühnen Energie und waren für Nutzfahrzeuge kaum zu verwenden.

 

Unverzichtbar waren Drehbank und Autogen-Schweißgerät in der Werkstatt. Jeder Arbeitsplatz hatte einen schweren Schraubstock. Brems-trommeln, die riefig waren, wurden nicht weggeworfen, sondern ausgedreht, Trommelbremsbeläge waren aufgenietet und nicht geklebt. Mit dem Schweißgerät wurden festsitzende Schrauben und Muttern wieder lösbar gemacht, und manch abgerissener Bolzen wurde mit ihm verlängert. Auspuffanlagen hat man mit seiner Hilfe repariert oder aus- und eingebaut. Neben diversen Schraubenschlüsselsätzen gab es markenspezifische Spezialwerkzeugsätze, die meist gut weggeschlossen waren. Eine besondere Rolle spielte der Drehmomentschlüssel, der gerne das Meisterbüro zierte. Manche Zylinderkopfdichtung wurde deshalb nicht, wie vorgeschrieben, mit dem vorgeschriebenen Drehmoment, sondern von Hand “nach Gefühl“ angezogen, was sie meist mit einem kurzen Leben bestrafte. In den größeren Werkstätten gab es diverse Prüfgeräte für Zündkerzen, Verteiler, Lichtmaschinen, Batterien. Auch Kompressionsdruck-Messgeräte hinterließen mit ihrem Messergebnis bleibenden Eindruck, wurden die kleinen Diagramme doch gerne der Reparaturrechnung beigefügt. Große Vertragswerkstätten hatten bereits einen eigenen Bremsen-Prüfstand und eine Auswuchtmaschine für die Räder. Trotzdem wurden Bremsentests auch noch auf der Straße durchgeführt. Traten bei einer Vollbremsung nur geringe Kräfte in der Lenkung auf und waren die Blockierspuren der Hinterräder gleich lang, so wurde die Bremse für in Ordnung befunden. Eine periodische, unabhängige technische Überprüfung der PKWs fand nicht statt.

 

Foto: Spezialwerkzeugsatz für die Vorderachse des Traction Avant. (Foto: R. Bräuer)

 

Die unangenehme Eigenschaft nahezu aller Fahrzeuge war damals die mangelnde Rostvorsorge der Hersteller. Bei den bisher weit verbreiteten Fahrzeugen mit Rahmen hatte der Rostfraß anfangs nicht so gravierende Auswirkungen wie bei den modernen Fahrzeugen mit selbsttragender Karosserie und den notwendigen, oft verkleideten, aber mittragenden Schwellern.

 

Doppelwandige Wagenböden ließen den Rost im Verborgenen blühen. Die Fahrzeuge wurden grundiert und lackiert, jedenfalls dort, wo man hinkam. Der Rest wurde des Rostes Beute. Auch der hinsichtlich Zuverlässigkeit und Qualität viel gelobte Peugeot 403 kann sich bei den “Schweller-Rostern“ einreihen. Seine “Problemzone“ hatte sich schnell herumgesprochen. Später lauerten manche Prüfer des TÜV geradezu darauf, mit dem Schraubenzieher vor den hinteren Kotflügeln auf die 403-Schweller einzustechen. Dabei waren sie häufig erfolgreich. 

 

 

Auf den Straßen...

 

... ging es rund. Die freie Fahrt, zumindest bis zur Grenze, war den nicht ganz so freien Saarländern gegönnt. Die seit Kriegsanfang auf allen Straßen noch geltenden alten deutschen Tempolimits auf 80 km/h für PKW und 60 km/h für LKW waren schon nach dem Kriegsende auch im Saarland abgeschafft worden. So wurde also gerne gerast, was das Fahrzeug hergab. Es gab zwar Strecken mit Geschwindigkeitsbeschränkungen, auch in Ortschaften, aber Tempo 50 als allgemein gültige Höchstgeschwindigkeit wurde erst im September 1957 wie in der gesamten Bunderepublik eingeführt (siehe Zeitungsausschnitt rechts aus der SZ vom 31.8.1957).

 

Der Straßenzustand war sehr verbesserungsbedürftig, es gab keine Leitplanken, keine Zebrastreifen und kaum Fahrbahnmarkierungen. Innerhalb der Städte war Kopfsteinpflaster weit verbreitet und oft mit Straßenbahnschienen garniert. Bei Regen wurde es gefährlich, insbesondere für die vielen Zweiradfahrer. Motorroller konnten ihr kippeliges Fahrverhalten dann voll ausspielen.    

 

Noch gefährlicher wurde es bei Dunkelheit. Oft waren Fahrzeuge mit nur einem Scheinwerfer oder nur einem funktionierender Rücklicht “einäugig“ unterwegs. Die funzeligen 6-V-Lampen mit mattgelbem Licht nach französischer Art taten das ihre dazu. Mancher Landwirt brachte die Ernte mit total unbeleuchtetem Fuhrwerk nach Hause, und Baustellen waren durch oft genug selbst verlöschende rote Petroleumlampen nur unzureichend gekennzeichnet.

 

Das Bild zeigt eine Baustelle in der Stengelstraße in Saarbrücken (im Hintergrund erkennt man rechts die Kirche St. Jakob).  Foto: Walter Barbian (Saarlandarchiv)    

 

 

Einige Autofahrer hatten auch dieses oder jenes Bierchen intus. Es gab keine Promillegrenze, und wer nicht auffällig fuhr oder gar in einen Unfall verwickelt wurde, verhielt sich nicht strafbar. Eine Verurteilung durch ein Gericht wegen Trunkenheit am Steuer musste nicht automatisch zum Verlust der Fahrerlaubnis führen.

 

Das Ergebnis war insgesamt erschreckend: Die Anzahl der Unfälle stieg dramatisch an. Mitte der 50er-Jahre waren im Durchschnitt jährlich 4,1 von 100 zugelassenen Fahrzeugen in Verkehrsunfälle verwickelt. Bei rund 60.000 zugelassenen Kraftfahrzeugen waren mehr als 70 Verkehrstote im Jahr zu beklagen. 2011 war die Zahl der Kraftfahrzeuge im Saarland auf fast 700.000 angewachsen. Die Anzahl der Verkehrsunfälle war zwar leicht gestiegen, trotz zehnfacher Verkehrsdichte betrug sie nun 4,4 pro 100 zugelassener Fahrzeuge, aber die Zahl der Verkehrstoten war auf 41 gesunken.

 

Autofahren zur Saarstaatzeit war viel gefährlicher als heute. Denn inzwischen wurden die Straßenverhältnisse massiv verbessert. Dabei halfen zahlreiche staatliche Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Fortschritt bei der Konstruktion der Fahrzeuge. Die damals am meisten gekauften Autos hatten Heckantrieb und Pendelachse: das Crèmeschnittchen in Frankreich und im Saarland, und der VW Käfer in der Bundesrepublik. Fahrzeuge dieses Konzepts waren, und das war wichtig, kostengünstig zu fertigen. Der Nachteil war bekannt, wurde aber weitgehend verschwiegen oder von den Käufern mangels erschwinglicher Alternativen hingenommen: Das Fahrverhalten war besonders auf nasser Straße problematisch. Fuhr man in einer Kurve zu schnell, wurde man schlimmstenfalls vom eigenen Fahrzeugheck überholt und landete im Gegenverkehr.

 

Dinge wie aktive Fahrsicherheit, siehe Heckantrieb und Pendelachse, oder Sicherheit im Innenraum standen noch nicht im Vordergrund. Die Armaturenbretter waren aus bestem Blech und glatt lackiert. Fahrzeuge hatten sogar noch metallene Haltestangen an den Rückenlehnen der Vordersitze, und die Lenksäulen ragten wie Schaschlikspieße in den Innenraum. Eines der ersten Fahrzeuge mit gepolstertem Armaturenbrett und damit verbesserter Sicherheit für die Insassen war der Peugeot 403. Sicherheitsgurte gab es nur in Flugzeugen. Kippschalter mit langen Hebeln galten als sportlich. Im Falle eines Unfalls waren die Folgen aber oft entsetzlich. Typisch waren nach tödlichen Unfällen das vom Fahrer mit letzter Kraft gegen den Aufprall nach vorne durchgebogene Lenkrad und die blutverschmierte Lenksäule. Unfall-Fahrzeuge standen bisweilen sichergestellt auf den Höfen der Inspektionen der Verkehrspolizei, vielleicht zur Warnung. Starke Männer behaupteten am Stammtisch, sie könnten sich bei einem Unfall am Lenkrad abstützen. Sie hatten bestimmt nie die Wracks gesehen.

           Armaturenbrett eines Peugeot 403  (Foto: Snoopy, wiki commons)

 

Problematisch und unfallträchtig war das Fahren bei Schnee- und Eisglätte. Es gab keine Winterreifen, sondern nur grobstollige "Matsch- und Schnee"-Reifen, die auf wenigen Fahrzeugen gefahren wurden.

 

Die Verkehrsbetriebe versuchten, irgendwie den Busverkehr aufrecht zu erhalten. Die Straßen, durch die Omnibuslinien führten, wurden mit Sand und Split, später auch mit Salz abgestreut. Ein gefährliches Unterfangen für diejenigen, die diese Arbeit ausführen mussten. Es gab noch keine speziellen Streufahrzeuge. Zwei Arbeiter standen hinten an der Bordwand auf den eingesetzten Lastwagen und verteilten mit Schaufeln das Streugut von den langsam fahrenden Fahrzeugen herab auf die Straße. Später wurden rotierende Streuer angebaut, die nun ihrerseits weiterhin per Schaufel gefüllt wurden. Die teilweise drastischen Salzmengen waren mit verantwortlich für den später grassierenden Rostbefall der Autos. 

Schrottreife Autos auf dem Hof der Polizeikaserne Saarbrücken, um 1957

Foto: Walter Barbian (http://www.saarlandarchiv-walter-barbian.eu)

 

Da sich das Fahrzeugaufkommen zwischen 1949 und 1954 verdoppelte, kam es zu massiven Verkehrs-behinderungen in den Städten während des Berufsverkehrs. Es waren außerdem in erheblichem Umfang LKWs unterwegs, die für den Wiederaufbau unverzichtbar waren. Eine Verkehrsregelung durch Polizisten war an vielbefahrenen Kreuzungen unumgänglich geworden. So kam der Saarländer zu “weißen Mäusen“ - das waren Polizisten, die den Verkehr regelten und weiße Uniformjacken oder lange weiße Mäntel truhen. Nahezu jeder Saarländer kannte damals die dadurch besser passierbar gemachte Kreuzung Bahnhofstraße/ Viktoriastraße am so genannten Korn's Eck in der Landeshauptstadt. Garantierten doch dort zwei oder mehr Verkehrspolizisten besonders in der Weihnachtszeit dafür, dass Fußgänger halbwegs ungefährdet, vom Hauptbahnhof her kommend, die Geschäfte in der Bahnhofstraße erreichen konnten.

 

"Weiße Mäuse" Ecke Bahnhofstraße/Viktoriastraße

Foto: Walter Barbian (http://www.saarlandarchiv-walter-barbian.eu)

 

An dieser Kreuzung wurde sinnvollerweise auch eine der ersten Ampelanlagen installiert, die die Polizisten über einen grünen Schaltkasten vom sicheren Bürgersteig aus steuern konnten. Die Verkehrsampeln waren von SIEMENS, hatten aber nach französischem Vorbild zusätzliche Ampelsignal-Leuchten im unteren Mastteil. Diese waren wahrscheinlich deshalb notwendig, weil man nur mit ihrer Hilfe die Ampelsignale aus einem unmittelbar davor haltenden 4 CV beobachten konnte...

 

Aufgrund der hohen Unfallzahlen blieb die Verkehrspolizei nicht untätig und beschaffte bereits in den frühen 50er-Jahren ein Geschwindigkeits-Messfahrzeug mit Schweizer Traffipax-Ausrüstung. Das war der Name der damals allen Autofahrern bekannten Tempomessgeräte. Gemessen wurde durch Hinterherfahren, dokumentiert per Foto. Eine andere Methode zur Überwachung der Geschwindigkeit erfolgte per Stoppuhr und Ermittlung der Zeit, die zum Durchfahren einer Messstrecke benötigt wurde. Die gefahrene Geschwindigkeit wurde aus einer Tabelle abgelesen. Das Verfahren war aufwändig hinsichtlich des Funkgeräte- und Personaleinsatzes. Außerdem achteten die saarländischen Autofahrer zunehmend auf auffällig am Straßenrand postierte Polizisten.

 

Mehr zum Thema Polizei finden Sie auf unserer Seite Die saarländische Polizei  (1945 - 1959)

 

 

Wir fahren weiter...

 

1955 wurde gewählt. Die Entscheidung fiel eindeutig für den Anschluss an die Bundesrepublik und deren Wirtschaftswunder aus. Zwar fuhr die Polizei noch über Jahre hinweg Peugeot, aber die deutschen Hersteller sollten fortan den Markt beherrschen, allen voran VW: Großklos sei Dank. Auch Dechent verkaufte wieder Opel und Seibert Mercedes. Die Autos wurden immer besser und immer sicherer, aber auch immer schneller. Es kamen die Sicherheitsgurte, die Warnblinkanlagen, die grünen Wellen, aber auch die Radarüberwachung und die Geschwindigkeitsbegrenzungen, nicht zu vergessen die Promillegrenzen. Heute kann ein Auto mehr Airbags als Sitzplätze haben, und Systeme zur Erkennung von Verkehrszeichen und Fahrbahnrändern sind bereits auf dem Markt. Sie hätten damals nicht funktionieren können, weil die notwendigen Markierungen auf den Straßen fehlten. Es gab noch den nächtlichen "Blindflug" im Elsass und in Lothringen. Der LKW-Verkehr, im Saarstaat damals unverzichtbar beim Wiederaufbau, bremst uns heute als internationales “rollendes Lager“ auf der Autobahn aus.

 

Aus dem Saarstaat ist am 1. Januar 1957 ein deutsches Bundes und gleichzeitig ein europäisches Transitland ohne Grenz- und Zollkontrollen geworden. Die "freie Fahrt für freie Bürger" ist uns aber aufgrund des stark angestiegenen Verkehrs unterwegs abhanden gekommen.

 

 


 

Hinweis: Zahlreiche der in obigem Text genannten Autotypen sind auf unseren Seiten PKW (französ.) und PKW (deutsch und ausld.) im Bild und mit weiteren Erläuterungen zu sehen.

 

Verwendete Literatur:

 

Ing. H. Trzebiatowsky. Die Kraftfahrzeuge und ihre Instandhaltung. Reprint der 10. überarbeiteten Auflage von 1961. Heel Verlag, 2006.

Roger Gloor. Nachkriegswagen, Personenautos von 1945-1960. 3. Auflage 1981. Hallwag AG Bern.

Herrmann / Bauer. Saarbrücken in Fahrt. 125 Jahre Automobil an der Saar. Auflage 2011. Edtion Schaumberg.

Ulrike Kunz. Geschichte der saarländischen Polizei 1945-1959. Gollenstein Verlag 2010

H.W., Saarbrücken. Für Autos gehört die Welt noch zu Frankreich. In: DIE ZEIT Nr. 48. 29. November 1956. Seite 8.

Georg Wanner (Hrsg.). Lexikon der Kraftfahrt. C. Bertelsmann Verlag, 1953.

 

 

                                                                                                                                                 Diese Seite wurde begonnen am 4.11.2012 und zuletzt bearbeitet am 27.4.2020



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